Freiburg gedenkt

Bernd Martin bietet nicht viel mehr als eine Buchbindersynthese zum Zweiten Weltkrieg

Von Wolfgang WippermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wolfgang Wippermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Denken ist immer gut - Gedenken nicht immer. Vor allem wenn letzteres verordnet wird und folgenlos bleibt. So in Freiburg im Breisgau, wo das Historische Seminar des 8. Mai 1945 gedachte und eine Ringvorlesung veranstaltete, die dann gedruckt wurde. Das Buch beginnt jedoch nicht mit Denken und Gedenken, sondern mit Danksagungen. Der Dekan dankt dem Prorektor und der wieder dem Dekan. Beide vergessen allerdings zu erklären, worum es denn nun eigentlich gehen soll. Abgesehen davon, dass eben alle Geschichts-Professoren beteiligt werden; auch die des Seminars für Alte Geschichte. Weil man "zeigen" wolle, "dass der Zweite Weltkrieg alle betrifft, nicht nur die Zeithistoriker".

Etwas bedenklich das "zweite Anliegen", das vom Herausgeber Bernd Martin mit "historisieren" beschrieben wird. Dies solle aber in "vorsichtiger Form" geschehen, indem die "längerfristigen Auswirkungen (des Zweiten Weltkrieges) und deren Wahrnehmungen" beachtet werden sollen.

Leider - oder Gott sei Dank - haben die meisten Professoren diese banale Mahnung ihres Dekans entweder nicht gehört oder schlicht vergessen. Sie reden und schreiben über alles Mögliche: von der "Thermopylenrede Hermann Görings" bis zur "Virgin Queen als Kriegsheldin", vom "Kriegsende in Ostpreußen und in Südbaden" bis hin zum Thema "China und der Zweite Weltkrieg" und der "Wiederentdeckung des Abendlandes" nach demselben. Hinzu kommen "persönliche Erinnerungen an das Kriegsende" und Bemerkungen über "Atomphysiker als Architekten der Apokalypse".

Ein gewisser Schwerpunkt liegt auf dem Verhalten der deutschen Historiker während der gesamten NS-Zeit. Thomas Zotz schreibt über die Freiburger Mediävisten Theodor Mayer und Gerd Tellenbac und Hans-Erich Volkmann über die Auseinanderbesetzung beziehungsweise das Verschweigen und Verdrängen des Holocaust durch verschiedene "westdeutsche Historiker", die es eigentlich hätten besser wissen müssen, weil sie auch "Zeitzeugen" waren.

Doch auch bei Volkmanns wirklich gutem Aufsatz handelt es sich, wie er auch freimütig bekennt, um das Remake eines älteren. Einige der übrigen machen auch keinen ganz frischen Eindruck mehr. Ulrich Herbert scheint ein Manuskript aus seiner Vorlesung über die - gesamte - Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgegeben zu haben und hat auch darauf verzichtet, es mit Anmerkungen zu versehen. Dies deutet auf eine gewisse Distanz zu diesem sehr heterogenen Sammelband hin, der seinem ebenso anspruchsvollen wie letztlich nicht viel sagenden Titel - "Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen" - entweder gar nicht oder dann doch zu sehr gerecht wird. Kurz: eine Buchbindersynthese aus Anlass eines Gedenktages.


Titelbild

Bernd Martin (Hg.): Der zweite Weltkrieg und seine Folgen.
Rombach Verlag, Freiburg 2006.
348 Seiten, 32,00 EUR.
ISBN-10: 3793094588

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