Früchte statt Fallobst

Gleich nach Eröffnung von "Literaturportal.de" hagelte es Kritik. Doch auch institutionelle Literatur-Sites können einiges leisten

Von Anna DingesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Dinges und Sandra JacobiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandra Jacobi

Es klingt so bescheiden: "Literaturportal.de" könne "einen wesentlichen Beitrag leisten, um das mit der Literaturförderung des Bundes angestrebte Ziel der Vermittlung aktueller literarischer Erzeugnisse und Ereignisse zu erreichen". Was sich anhört wie die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin, ist die Begründung aus dem Kulturstaatsministerium, weshalb Websites wie diese mit Bundesmitteln finanziert werden. "Literaturportal.de", "Litrix.de" und andere widmen sich speziell der Verbreitung deutscher Gegenwartsliteratur - beide mit öffentlichen Geldern, beide unter dem Dach einer großen deutschen Kulturinstitution, aber jedes auf seine Weise.

Von der Kulturstiftung des Bundes vor drei Jahren initiiert und seitdem finanziell unterstützt, dient das Projekt "Litrix.de" der Lizenzvermittlung deutscher Gegenwartsliteratur ins Ausland. Auf der Website, die vom Goethe-Institut betrieben wird, können weltweit Informationen über Neuveröffentlichungen abgerufen werden. Eine Jury wählt in einem zweistufigen Verfahren Werke aus, die von internationalem Interesse sein könnten. Die ausgesuchten Titel werden dann auszugsweise ins Englische und in eine jährlich wechselnde Schwerpunktsprache übertragen.

"Litrix.de": Leseband statt roter Faden

Zwar sind auch in anderen europäischen Ländern vergleichbare Projekte zu finden, in Deutschland jedoch ist "Litrix.de" die zentrale literaturvermittelnde Anlaufstelle. Inzwischen hat sich die "Website im Ausland als Marke etabliert" und wird "als wichtiges Vermittlungsorgan für ausländische Verlage" anerkannt, die, wie Redaktionsleiterin Anne-Bitt Gerecke gegenüber literaturkritik.de zufrieden zu Protokoll gibt, zunehmend in eigener Initiative das Angebot nutzen. Förderlich für den internationalen Austausch sind die vier Sprachoptionen, zwischen denen der Nutzer wählen kann: Die Website lässt sich außer auf Deutsch und Englisch ebenfalls in den bisherigen Schwerpunktsprachen Chinesisch und Arabisch aufrufen.

Einen roten Faden gibt es auf "Litrix.de" nicht, wohl aber ein elegantes, sattrotes Lesebändchen, das auf der Website die Seiten eines aufgeschlagenen virtuellen Buches teilt. Doch auch ohne eine solche Orientierungshilfe zeichnen sich die in schlichtem Weiß gehaltenen Seiten mit dem romantisch anmutenden Logo durch große Klarheit und Übersichtlichkeit aus. Nicht schreiend bunte Farben und spektakuläre Animationen, sondern Literatur und ihre Vermittlung stehen hier im Vordergrund. So wird ein Überblick über die ausgesuchten Romane, Sach- und Kinderbücher geboten. Bei Bedarf sind zu jedem Titel Buchbesprechungen und Leseproben verfügbar, außerdem kurze Autorenporträts und kleine Werksübersichten. Im Dezember 2006 wurde die Seite um eine Galerie der von "Litrix.de" bisher präsentierten Titel in den Schwerpunktsprachen ergänzt.

Ausführlich widmet sich die Website auch der Vorstellung des eigenen Profils, um die eigenen Anliegen, Ziele und Hintergründe transparent zu machen. In diesem Zusammenhang fehlt auch nicht die Erwähnung derer, die als Förderer und Partner die Arbeit von "Litrix.de" erst ermöglichen: Neben dem Goethe-Institut als Träger sind das die Kulturstiftung des Bundes und die internationale Abteilung der Frankfurter Buchmesse.

Erst im Dezember 2006 hat die Kulturstiftung entschieden, die Arbeit von "Litrix.de" mit einer neuen Einzelförderung in Höhe von 450.000 Euro weiterhin zu unterstützen. Zwar ist noch unklar, wie lang das Geld reichen soll und welche Sprache als weitere hinzukommt. Mit dieser Finanzspritze könne "Litrix.de" aber mindestens bis 2008 in "die nächste Runde" gehen, wie sich Redaktionsleiterin Gerecke freut.

"Literaturportal.de": Herzstück Kalender

Auch das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) geht mit dem "Literaturportal.de" in eine zweite Runde. Was das größte Archiv zu deutschsprachigen Autoren als literarischen Online-Kalender im Schillerjahr 2005 mit guter Resonanz begann, wurde - erweitert, überarbeitet, ergänzt - im Juni 2006 aufs Neue freigeschaltet. Als Unterstützer fungiert hier nicht nur das Kulturstaatsministerium, sondern auch zahlreiche Partner wie das Deutschlandradio oder das Goethe-Institut.

Anders als "Litrix.de" beschäftigt sich "Literaturportal.de" nicht mit der internationalen Vermittlung deutscher Literatur. Hier soll der Literaturfreund des deutschsprachigen Raumes angesprochen werden - mit dem Kalender als Herzstück, der sämtliche literarischen Veranstaltungstermine im Bundesgebiet auf einen Klick zusammenstellen soll. Beim Aufruf der Homepage flutet ein kühles Weiß auf den Bildschirm, hie und da zersetzt mit kleinen Schwarzweiß-Bildchen. Wenig einladend führt zudem eine graue Deutschlandkarte ins Herz des Portals.

Wer sich der Literatur erst noch nähern muss, den sollen nahezu 500 Kurzbiografien bekannter und weniger bekannter Autoren der Moderne locken. Die Seiten mit den Lebensdaten führen zu akustischen Ausschnitten aus Autorenlesungen ("Stimme des Autors"). Und verlangen außerdem viel Geduld beim Daten-Download.

Es braucht wohl gleichfalls noch ein Weilchen, bis der Button "Archiv" nicht mehr auf eine Baustelle führt. Zukünftig sollen hier sämtliche Veranstaltungstermine archiviert werden. Unter "Exponate" jedoch findet der geneigte Besucher inzwischen von Autoren verfasste Beschreibungen ausgewählter Ausstellungsstücke aus dem zum DLA gehörigen Literaturmuseum der Moderne.

Ein echtes Schmankerl für alle Literaturbegeisterten sind die "Links", eine übersichtliche, in Untergruppen geordnete Fundgrube.

Die Seiten dieses Kompendiums indes wirken zuweilen etwas wirr: So steht neben eingeführten Angeboten wie "Bluetenleser.de" auch der Blog der germanistischen Lehrveranstaltung an der Philipps-Universität Marburg, in deren Rahmen dieser Artikel entstanden ist. Auch das "Berliner Zimmer", ein literarischer Netz-Salon mit großer Vergangenheit, ist heute keinen Klick mehr wert: Im Oktober 2006 hat die Redaktion die Arbeit eingestellt.

Mangelnde Aktualität ist der Website "Literaturportal.de" schon öfter vorgeworfen worden. Überhaupt stand das Projekt früh im scharfen Wind der Kritik. Im Kulturstaatsministerium erklärt man dies durch das bisher nicht erreichte zweite Hauptziel der Seite: So kündigte das Portal eine "Vernetzung der verschiedensten literarischen Institutionen und Verlage in Deutschland" an. Diese Vision habe einen zu hohen Anspruch an das Projekt hervorgerufen, dem es bisher nicht gerecht werden konnte. Derzeit werde geprüft, ob das Interesse an einer zentralen "Plattform zur umfassenden Information und zum Austausch über das literarische Leben in Deutschland" noch aktuell ist. Das "Literaturportal.de" macht es weiter spannend - oder eben auch nicht: Denn das Ergebnis der Prüfung lässt nach wie vor auf sich warten.

Denn auch institutionell betriebene Literatut vermittelnde Websites können Früchte tragen, wie das Beispiel "Litrix.de" zeigt.