Apokalyptiker der Apokalyptik

Victor und Victoria Trimondi zeigen in "Krieg der Religionen" die Gegenwart religiöser Endzeitfantasien

Von Daniel WeidnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Weidner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Heute wird viel über religiösen Extremismus, Fundamentalismus und Terrorismus gesprochen, meist über den des militanten Islams, oft genug aber auch über das fundamentalistische Christentum in Amerika oder über die religiösen jüdischen Siedler. Es ist gar nicht so einfach, sich darüber zu informieren - die Bücher darüber beschränken sich oft auf eine Religion oder holen so weit in die Religionsgeschichte der vergangenen Jahrhunderte aus, dass die radikalen Gruppen und Grüppchen der Gegenwart allenfalls in der Schlussbemerkung oder in den Fußnoten vorkommen. So ist man meist darauf angewiesen, was man mehr oder weniger zufällig in der Presse gelesen hat. Um so verdienstvoller ist es, dass Victor und Victoria Trimondi jetzt eine wahre Fülle solcher Informationen zusammengetragen haben und in einigermaßen kompakter Form aufbereitet haben. Sie präsentieren materialreich alle möglichen christlichen, jüdischen und islamischen Gruppen und Bewegungen, die sich in der einen oder anderen Weise auf die Apoklaypse - also das nahende Weltende - beziehen, an einen bald bevorstehenden Endkampf von Gut und Böse glauben oder solchen gar schon zu führen meinen. Es ist ein großer Gewinn des Buches, dass es mit der Apokalyptik sein Thema präzisiert - anstatt wie oft diffus von ,Fundamentalismus' zu sprechen, worunter dann jeweils alles fällt, was man nicht versteht. Und breit genug ist das Feld allemal. Es reicht von der christlichen Rechten über das religiöse Selbstverständnis so mancher amerikanischer Präsidenten zum religiösen Zionismus in seinen radikalen Ausprägungen, sowie von islamischen Spekulationen über das Weltende zum Bestreben, in den USA einen Gottesstaat aufzurichten zu den verschiedenen Versionen eines apokalyptischen Endkampfes. Betont wird dabei weniger der Anschluss an die (in anderen Büchern gut und besser aufgearbeitete) religiöse Tradition als die vielfältigen Facetten und auch Ähnlichkeiten des modernen apokalyptischen Diskurses in den drei Religionen. So gibt es dort eine unglaublich umfangreiche und unvorstellbar viel gelesene Doomsday-Literatur, die mit großer Detailfreude, mit allen Mitteln moderner (Trivial-)Literatur die Phasen des Endkampfes ausmalt. Und auch die Lobbyarbeit apokalyptischer Gruppen in den USA, in Israel und den islamischen Ländern wird breit dokumentiert. Was übrigens auch noch mal deutlich macht, welche zentrale Rolle Israel als ,heiliges Land' für die Apokalyptiker aller drei Religionen spielt.

Naturgemäß sind die Quellen für so ein Unternehmen nicht wissenschaftliche, sondern flüchtigerer Natur, das Buch zitiert also in breitem Umfang Presse und Internetquellen. Das muss nicht unbedingt problematisch sein, macht aber dann doch etwas misstrauisch, wenn etwa Äußerungen bei Sabine Christiansen kommentarlos neben wissenschaftlichen Aufsätzen zitiert werden. Generell geht das Buch selten in die Tiefe, kaum einmal kritisiert es seine Quellen oder konzentriert sich auch nur auf ein Phänomen, erwägt das für und wider und lässt andere Stimmen zu Wort kommen. Seine Stärke ist weniger die Analyse als die Information, es reiht Zitate aneinander, die dann aber oft wirklich erschreckend oder skurril sind - etwa wenn es um die Suche nach jener roten Kuh geht, deren Asche die kultische Reinheit für die Wiedererrichtung des Jerusalemer Tempels erzeugen könnte.

Außer der kritischen Distanz gegenüber ihren Quellen fehlt es den Autoren auch an einer theoretischen Basis. Apokalyptik ist für sie Ideologie, wesentlich falsches Bewusstsein, ein intolerantes Machtphantasma, das die letzte und eigentliche Quelle des titelgebenden Krieges der Religionen sei. Sie erklären nicht, auf welche Nöte dieses Phantasma antwortet und bemühen sich nicht, seine Faszinationskraft zu erklären, sondern bezeichnen es nur wieder und wieder als Wahngebilde. Auch wenn ihre Ausführungen an mehreren Stellen deutlich machen, dass die moderne Apokalyptik ein eher angespanntes Verhältnis zu religiösen Tradition hat (die etwa im Islam erst massiv durch ursprünglich ,westliches' Gedankengut politisiert werden musste), gehen sie im Verlauf des Buches immer deutlicher zu einer Generalpolemik gegen die Religionen über: Sei nicht letztlich die Apokalyptik den Religionen wesentlich, müsse man nicht daher auch die vermeintlich so friedlichen Religionen der Kritik unterziehen? Langsam wird dem Leser mulmig, denn überall scheint die Apokalyptik am Werk zu sein: Sie sei nicht nur der Kern aller Religionen, sondern auch so profaner Vorgänge wie der amerikanischen Außenpolitik. Nur eine radikale Wende könne diese planetarische Gefahr noch abwenden - so geht das Reden über die Apokalypse selbst dazu über, einen universalen Kampf zwischen Gut und Böse zu proklamieren. Ein nicht eben zu empfehlender Blick auf die Homepage der Autoren bestätigt diesen Einruck: Dort wird in allem und jedem, von Benedikt über Bertelsmann bis zum Dalai Lama, ein Kern apokaliptischer Ideologie entdeckt. Offensichtlich haben sich die Autoren auch so in ihre allumfassende ,apokalyptischen Matrix' verrannt, dass auch deren Gegenspieler: die ,Guten', das ,wir', an das das Buch immer wieder appelliert, nur recht blass vorkommen. Auch der Vorschlag am Ende des Buches, auf dem Tempelberg statt irgendwelcher Tempel oder Moscheen einen Garten anzulegen - er stünde gut biblisch für das Paradies - entbehrt daher nicht der Komik, mag die Idee auch anrührend sein.

So ärgerlich und naiv diese Haltung ist, sie muss einem die Lektüre des Buches nicht verleiden. Denn sie ist so offensichtlich, dass es nicht allzu schwer ist, von ihr zu abstrahieren und von der Informations- und Zitatenmasse des Bandes zu profitieren; milde kann man sagen, dass sich wohl auch nur jemand mit so viel Verbissenheit diese obskuren Materialien zusammenträgt, der eine Mission zu haben meint. Man wird das Buch wohl auch nicht in seiner Gänze lesen, sondern mit einer gewissen Vorsicht, einem leisen Schaudern und auch einmal etwas Belustigung in den vielen Geschichten stöbern. Etwa um zu erfahren, warum für die amerikanischen Neo-Dispensionalisten die Erwähnung der ,Tochter aus Elysium' in der europäischen Hymne ein weiteres Indiz dafür ist, dass der Antichrist aus Europa kommen wird.


Titelbild

Victor Trimondi / Victoria Trimondi: Krieg der Religionen. Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse.
Wilhelm Fink Verlag, München 2005.
597 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-10: 377054188X

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