Auf Augenhöhe

Thea Dorn propagiert eine "Neue F-Klasse" gegen die Rückkehr reaktionärer Frauen- und Familienbilder

Von Sandra KluweRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandra Kluwe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wir brauchen einen neuen Feminismus" haben Frauen in der "Zeit" gefordert. Sie reagierten damit nicht zuletzt auf den Backlash (Susan Faludi) jener "Maskulismus" genannten Männerbewegung um Matthias Matussek ("Die vaterlose Gesellschaft"), Arne Hoffmann ("Sind Frauen die besseren Menschen?"), Warren Farrell ("Mythos Männermacht") und Martin van Creveld ("Das bevorzugte Geschlecht"), die sich Ende der 90er-Jahre gruppierte.

Die Krimiautorin Thea Dorn, Jahrgang 1970, ist nach eigener Aussage aufgewachsen in dem Glauben, "dass der Feminismus überflüssiger als Fäustlinge im Hochsommer" sei. Spätestens seit Frank Schirrmacher, "der instinktsicherste Diskurswerfer des Landes", die apokalyptische Posaune der Demografie bläst und zugleich das Hohelied genetischer Weiblichkeit singt, scheint das anders geworden zu sein. Die neue Parole lautet: "Der Feminismus ist tot. Es lebe der F-Klassenkampf!"

Frauen als Automarke? Das männliche Statussymbol in Beschlag nehmen, warum nicht? Mercedes ist schließlich ein Frauenname. Dorn schreibt provokant: "Solange sich die Jungs der 'Generation Golf' bei ihrem Lebensmodell an einem Wagen der unteren Mittelklasse orientieren, sollten die Frauen nach anderen Sternen greifen."

Der Griff nach den Sternen ist in der Tat Leitmotiv: Dorns "F-Klasse" präsentiert sich unmaskiert als Elite und stellt den Klassenkampf des sozialistischen Feminismus auf den Kopf: Während für die Anfänge der Frauenbewegung im "Mouvement de libération des femmes" oder dem deutschen SDS der Kampf der Frauen dem Klassenkampf untergeordnet oder bestenfalls beigeordnet war, definiert Dorn die Klassenfrage individualistisch: Ihr geht es um Frauen - Mütter und Nicht-Mütter -, die aus der persönlichen Sicht der Autorin Menschen der Extraklasse sind und die aus den unterschiedlichsten Milieus und Bildungsschichten kommen. Es geht also nicht um das Kollektiv der Frauenbewegung, es geht um Vorbilder, um role models. Und nicht nur Dorn selbst, sondern auch ihre Klasse-Frauen sind der Meinung, dass die "Kollektiv-Idee, wo jeder mitbestimmen kann" und die in Frauenprojekten einen letzten Hafen gefunden habe, Humbug sei.

Vorbildlich an Dorns Klasse-Frauen, an der Berufsberaterin Uta Glaubitz, der Anwältin und Frauenrechtsaktivistin Seyran Ates, der Expertin für Kampfmittelbeseitigung Vera Bohle, der TV-Moderatorin und Performerin Charlotte Roche, der Weltmeisterin im Eisklettern Ines Papert, der Gastronomin und TV-Köchin Sarah Wiener, der Autorin Katja Kullmann, der TV-Moderatorin Maybrit Illner, der FDP-Europabgeordneten Silvana Koch-Mehrin, der Maschinenbauingenieurin Efstratia Zafeirou und der forensischen Psychiaterin Nahlah Saimeh, sind Dorn zufolge ihre Unbeirrbarkeit, Lebensklugheit und ihr Verantwortungsbewusstsein. Dorns Klasse-Frauen sind allesamt "Selfmade-Woman" und unterscheiden sich darin von jenen mächtigen Patriarchenwitwen, die Frank Schirrmachers "Männerdämmerung" das Fürchten lehrten.

Bei Uta Glaubitz erfährt die Frau: "Da, wo die Angst sitzt, geht der Weg lang". Und sie lernt, die beste Freundin "klar, hart und entschlossen" auf den Weg in die Karriere zu stoßen, statt sie zum Abnehmen und schöner Wohnen zu animieren. In ihrer Tätigkeit als Berufsberaterin befolgt Glaubitz das gleiche Prinzip, indem sie zum Beispiel aus einer 35jährigen Krankenschwester eine Kapitänin 'gemacht' hat. Das von ihr selbst befolgte Rezept lautet: Du musst auch einmal die Hand beißen, die dich gefördert hat: "Raus aus dem Schatten des Beschützers, rein ins Rampenlicht!" Anders sei dem Old Boys Network nicht beizukommen.

Seyran Ates erkannte schon als Schülerin: "Wenn du deine Rechte kennst, kannst du dich besser durchsetzen." Daraufhin entschloss sie sich zum Jura-Studium. Und machte die Erfahrung, dass es manchmal einfacher ist, "ein klar erkennbares Unrechtsystem wie das türkisch-muslimische Patriarchat zu bekämpfen" als die subtilen Mechanismen der Frauenunterdrückung in Deutschland. Den kleinen Unterschied und seine Folgen belegt die Starköchin Sarah Wiener mit der Rollenverteilung der Gastronomie: "Solange eine Tätigkeit keine soziale Anerkennung erfährt und nicht bezahlt wird, dürfen die Frauen - oder müssen die Frauen sogar ran. [...] Aber sobald es um Sterne, Hauben und das große Geld geht - schwupps: Plötzlich ist es Männersache." Damit die männliche Öffentlichkeit weiblich und die private Weiblichkeit öffentlich wird, fordert Charlotte Roche Puffs und Swingerclubs exklusiv für Frauen und verwandelt das Staffelholz des neuen Feminismus in den Partygag eines Zigarette rauchenden Penis. Katja Kullmann wiederum kritisiert, dass die Frauen der 90er-Jahre die Staffel der 70er-Jahre-Feministinnen als eine Peinlichkeit im Handtäschchen verschwinden ließen, statt sie zeitgemäß aufzumöbeln und weiterzureichen.

Dieses Versäumnis nachzuholen, ist das erklärte Ziel von Dorns Buch. In ihrem Nachwort nimmt sie den "F-Klassenfeind" des neuen Maskulismus ins Visier und analysiert die psychosozialen Gründe für den Backlash der alarmierten Männlichkeit. Der neumaskulinen Sehnsucht nach atavistischem Militarismus und martialischem Vitalismus setzt sie ein energisches Plädoyer für Aufklärung und Zivilisation entgegen. Jugendlichkeitswahn und Hedonismus der Sorte "boys will be boys" werden ebenso energisch abgelehnt wie die verantwortungslosen Girlies in Matthias Matusseks "Vaterloser Gesellschaft".

Ein Schulterschluss mit den Maskulisten scheint somit möglich unter der Voraussetzung, dass diese lernen, zu kooperieren und zu konkurrieren, wo sie früher balzten und beschützten. "Dann braucht ihr auch keine Angst mehr zu haben, dass unter jedem interessanten Frauenbett ein tödlicher Eispickel liegt." Statt Frauen den Honig ihrer sozialen Intelligenz und angeborenen Selbstlosigkeit ums Maul zu schmieren, sollten die Naturfreunde unter den Maskulisten dergleichen Charakterzüge selbst erwerben oder aber erkennen, dass es sich bei der weiblichen Selbstlosigkeit um einen neurotischen "Alkestis-Komplex" handelt.

Anstelle solcher Selbstlosigkeit fordert Dorn einen Menschen, der "fähig ist to care, ohne damit die eigene Leere zu kaschieren, die das Wort 'Selbstlosigkeit'" - gut nietzscheanisch gedacht - ausdrücke. Gefordert wird das pralle, voll individuierte, verlässliche Selbst einer Klasse-Frau, die ihrem Klasse-Mann auf Augenhöhe begegnet, statt die Augen nach dem Paradies einer klassenlosen Gesellschaft zu verdrehen. So viel Liberalismus macht mutig.


Titelbild

Thea Dorn: Die neue F-Klasse. Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird.
Piper Verlag, München 2007.
352 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783492049030

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