Kein Rock, obwohl Rock draufsteht!

Eine vermeintliche Metal-Musikgeschichte von Chuck Klosterman

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Besprechungen und Reaktionen auf die Erstveröffentlichung von Chuck Klostermans "Fargo Rock City" kann man durchaus euphorisch nennen. Dies mag zum einen an den wenigen Publikationen über das musikalische Genre "Metal" - oder besser "Heavy Metal" - liegen, dessen Fans nicht gerade als Intellektuelle bekannt sind. Zum anderen mag es der sentimentale und zugleich selbstironische Stil des Buches sein, der ein Thema wie Heavy Metal goutierbar gemacht hat. Keineswegs liegen kann es - leider - an der vorliegenden deutschen Übersetzung von Klostermans Buch, die das Lesevergnügen erheblich trübt.

Der Inhalt des Buches ist schnell erzählt: Klosterman beschreibt seine Jugend in der Öde des Mittleren Westens Amerikas zu Beginn der 1980er- bis zum Anfang der 1990er-Jahre. Wie in anderen (auto-)biografischen Romanen, die musikalische Sozialisationen beschreiben, wird der Kanon der Identifikationsfiguren auf den ersten paar Dutzend Seiten beschrieben, bildet er doch für die Jugendzeit des Autor den Kosmos, in dem Werte gefunden und Identitätsentwürfe entwickelt werden. Im vorliegenden Fall sind dies eine Reihe von Metal-Bands: Mötley Crüe, Def Leppard, Faster Pussycat, Ratt, Kiss, Van Halen, Black Sabbath und einige andere heute nur noch dem Metal-Musikgeschichts-Historiker bekannte Bands. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Glam-Metal-Bereich. Und hier sind wir dann auch schon an dem Punkt, an dem der Leser seine Schwierigkeiten hat, sich im Dickicht der Begriffe zurecht zu finden. Wenn es denn nicht anders geht, lese man bei Klosterman die Details nach.

Welche Kriterien oder stilistischen Mittel machen eine Glam-Metal-Band aus und wann ist das schon Heavy Metal? Als Leser mit nur oberflächlichem Metal-Wissen ermüdet man ob dieser Trennungsunschärfe nach ein paar Dutzend Seiten. Und was zu Beginn des Buches aufgrund eines gewissen Interesses an der Thematik noch tolerierbar erschien, die Schwerfälligkeit des Textflusses, verleidet schließlich die Lektüre nachhaltig. Trotz ironischer Brechung und selbstdistanzierten Betrachtungen des Autors, die auch von einer kritischen Distanz zur eigenen Person als Inkarnation des Metal-Fans nicht zurückschrecken, ist die 300 Seiten lange Lektüre wenig kurzweilig. Dem Leser sei anempfohlen, auf andere, bereits vorgestellte Bücher über musikalische Sozialisationen zurückzugreifen.

Offensichtlich ist die Diskrepanz zwischen der Reaktion auf Klostermans Buch im englischen Sprachraum und der für die deutsche Übersetzung getroffenen Einschätzung. Nimmt man sich die englischsprachige Ausgabe zur Hand, die bereits 1999 erschienen ist, klären sich die Widersprüche auf. Dort ist es ein lustiges und sprachrhythmisch gelungenes Buch, das in der deutschen Übersetzung zu einem hölzernen Etwas verwandelt wurde - und dem man einen etwas größeren Etat für die Übersetzung gewünscht hätte.


Titelbild

Chuck Klosterman: Fargo Rock City.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Franca Fritz und Heinrich Koop.
Rockbuch Verlag, Schlüchtern 2007.
288 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-13: 9783927638389

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