Grande Dame der österreichischen Literatur

Zum 95. Geburtstag der Schriftstellerin Gertrud Fussenegger

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

"Sie ist eine stets aufmerksame, faszinierende, persönlich engagierte und zugleich kritische Beobachterin und Chronistin." Mit diesen Worten würdigte der ehemalige österreichische Bundespräsident Thomas Klestil vor fünf Jahren die Schriftstellerin Gertrud Fussenegger anlässlich der Überreichung des Goldenen Ehrenzeichens.

Mehr als 50 Bücher aus Fusseneggers Feder sind in den zurückliegenden mehr als sechs Jahrzehnten erschienen: neben Romanen und Erzählungen auch Essays, Reiseberichte, Gedichte, Dramen, Opernlibretti und die äußerst lesenswerte Autobiografie "Ein Spiegelbild mit Feuersäule" (1979). Darin setzt sich die Autorin auch selbstkritisch mit ihrer einstigen Sympathie für "Großdeutschland" auseinander.

"In ihrem Werk zeigt sie immer wieder gesellschaftliche Mißstände auf. Sie bringt dem Leser das Leben und Denken anderer Zeiten und Gesellschaftsschichten nahe. Das macht sie gerade für unsere Generation so eindrucksvoll und lesenswert", hieß es im Jahr 1993 über Gertrud Fussenegger in der Laudatio des ihr von Schülern verliehenen Weilheimer Literaturpreises.

Gertrud Fussenegger, die vor 95 Jahren in Pilsen als Tochter eines österreichischen Offiziers geboren wurde und 1934 über mittelalterliche Literatur promovierte, hat bereits während der NS-Besatzung Österreichs ihre ersten literarischen Werke ("Mohrenlegende") veröffentlicht. Die seit vielen Jahren in Leonding bei Linz lebende Mutter von fünf Kindern hat ihre anfängliche Faszination für das "großdeutsche Reich", das die böhmische Heimat ihrer Mutter und das Tirol ihrer eigenen Kindheit vereinte, literarisch schnell überwunden. Wie der 20 Jahre ältere Werner Bergengruen trat Gertrud Fussenegger die Flucht in eine christlich inspirierte "Innere Emigration" an.

Sie bevorzugte zumeist historische Sujets: so in der zwischen 1948 und 1957 erschienenen böhmischen Romantrilogie und in ihren epischen Auseinandersetzungen mit Maria Theresia und Marie Curie. Aus dieser Zeit stammt auch Gertrud Fusseneggers bis heute unübertroffener Roman "Das Haus der dunklen Krüge" (1951), in dem sie auf den Spuren ihres großen literarischen Vorbildes Thomas Mann und dessen "Buddenbrooks" wandelt.

2001 erschien ihr bisher letzter Roman "Bourdanins Kinder" - eine opulente Familienchronik, die in einigen Details an "das Haus der dunklen Krüge erinnert". "Große Bücher will ich schreiben", lässt Gertrud Fussenegger in diesem Roman die junge Eugenie sagen. Eine Figur, die der Autorin (beide Jahrgang 1912) nicht unähnlich ist.

Abseits der "modernen" Peter Handke und Elfriede Jelinek, trotz der verstorbenen Poeten H.C. Artmann und Ernst Jandl hat sich die den literarischen Traditionen verschriebene Gertrud Fussenegger eine Nische in der österreichischen Nachkriegsliteratur bewahrt: als "grande dame", deren künstlerische Wurzeln auf Adalbert Stifter und Joseph Roth verweisen.