Click-Clack

Wir tauschen Körper: Zum Kunst-Buch "Stereotype as a masquerade" der Künstlerin Karin Felbermayr

Von Mario Alexander WeberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mario Alexander Weber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Gender gamble" hieß eine Ausstellung der Künstlerin Karin Felbermayr, Jahrgang 1976, zum Jahreswechsel 2006/07 in der Städtischen Kunsthalle München. Neben einer Serie von Tuschezeichnungen gab es drei Videoinstallationen zu den Themen "Geschlechtlichkeit" und "Körper" zu sehen, darunter das Herzstück der Ausstellung "Gender gamble". Die SZ schrieb in ihrer Ausstellungsbesprechung über dieses Video: "Darin probiert die Künstlerin in einer Art Laborversuch männliche und weibliche Posen aus der Modefotografie aus. Bauch rein, Brust raus, Kopf in den Nacken und die Lippen geschürzt - mit Leichtigkeit wirbelt die Künstlerin auf dem Set herum, wechselt von der blonden zur braunen Perücke und verwendet Holzklötze, um die verführerische Haltung eines weiblichen Körpers auf Highheels nachzuempfinden. Als Fotostudio dient ihr ein selbst zusammengezimmerter und mit Packpapier bezogener Holzverschlag; die Inszenierungsstrategien der Hochglanzmagazine werden mit dem Blick hinter die Kulissen offen gelegt." Parallel zur Münchner Ausstellung ist im Berliner Verbrecher Verlag die Broschur "Stereotpye as a masquerade" als Begleitbuch erschienen.

Naturgemäß schwer tut sich ein Begleitbuch, das die künstlerischen Aktivitäten einer Video- und Performancekünstlerin abbilden möchte. Es ist doch ein großer Unterschied, ob man vor Ort eine Installation auf sich wirken lässt oder - a posteriori beziehungsweise in Unkenntnis der Ausstellung - sich in einem Buch darauf einzulassen versucht. Wie könnte das also "in echt" ausgesehen haben? Gerade aus diesem Grund ist "Stereotype as a masquerade" ein rundes, schönes Kunst-Buch geworden. Denn das Buch inszeniert eine Ausstellung, die wiederum auf Körper-Inszenierungen aufmerksam machen wollte. Das ganze als englische Broschur, auf blauem Hintergrund "Click" auf dem Vor- und "Clack" auf dem Nachsatz. Mit Stills aus dem Video, knappen Kommentaren und Zitaten, einigen Tuschezeichnungen und Performance-Bildern kann man sich mehr als einen ersten Eindruck verschaffen. Zwei exklusive Textbeiträge sorgen für Tiefenschärfe. Der Soziologe Michael Meuser schreibt über "Geschlechtskörper - Materialität und Konstruktion" und die chinesische Ärztin Yanping Wu über die "Sicht der chinesischen Medizin auf den Körper." Und auf der Seite 84 stößt man links neben der Biograpfie und dem Werksverzeichnis auf ein irritierendes Foto der Künstlerin: Karin Felbermayr, das Gesicht nach unten gewandt, konzentriert, zieht sich eine schwarze Jeans an, deutlich ist ein Batman-Slip zu erkennen, und unter der weißen Bluse erahnt man das dazugehörige Batman-Shirt. Eine perfekte, ambivalent-ironische Selbstinszenierung, die an Cindy Sherman erinnert.

Der Musiker und Maler Captain Beefheart (aka Don Vliet), eine Ikone der Avantgarde, kennt sich aus mit Maskeraden. Auf seinem sperrigen Doppel-LP-Meisterwerk "Trout mask replica" aus dem Jahr 1969 hat er auf dem Cover eine Forelle im Gesicht. Die Hand zum Gruß erhoben - oder zur Abwehr vor Fledermäusen? Drei Jahre später steht er auf dem Bahnsteig und singt im Song "Click clack": "The train was leavin' / I could see you wavin' your handkerchief". Man sollte davon ausgehen, dass Karin Felbermayr auch im Zug sitzt. Ob sie sentimentale Anwandlungen zeigt und mit ihrem Taschentuch den Zurückgebliebenen winkt, weiß nur die Zukunft.


Titelbild

Karin Felbermayer: Stereotype as a masquerade.
Verbrecher Verlag, Berlin 2006.
96 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 393584378X

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