Bilder erzählen Geschichten
Ralph Erdenbergers "Bilder im Ohr" ist ein gelungenes Kunstbuch für Kinder
Von Fabian Kettner
"Bilder im Ohr" versammelt siebzehn Kunstobjekte - hauptsächlich Gemälde, aber auch Skulpturen, eine Tür zu einer Moschee und ein Kunstobjekt von Daniel Spoerri. Dabei werden fast alle Epochen und Stile abgedeckt. Im Buch sind die Kunstobjekte großflächig abgebildet, begleitet von einem kurzen Text, der den Künstler, das Bild und dessen Entstehung kurz vorstellt, vor allem aber zu den Geschichten hinführt, die über die Bilder auf einer beiliegenden CD von insgesamt über siebzig Minuten Spielzeit erzählt werden. So kommen die Bilder 'ins Ohr'. Durch das Buch führt "Fritzchen", das sprechende Mikrophon mit der angeblich kinderaffinen elektronisch verzerrten Quetschstimme aus der Kindersendung "Lilipuz" des Radiosenders WDR 5. Fritzchen spricht die kurzen Texte aus dem Buch auf der CD, dann folgt jeweils die Geschichte zum Bild. Im Buch ist jedem Bild benutzerfreundlich eine CD-umrandete Ziffer zugeordnet, so dass man bestimmte Kunstobjekte gezielt anspielen kann.
Die Geschichten auf der CD sind hierbei der eigentliche Inhalt. Eine gespielte Situation soll Kinder ansprechen, was erleichtert wird, wenn Kinder oder Tiere abgebildet sind. Von Jakob Gerritsz Cuyps Gemälde "Zwei kleine Mädchen" schildern die porträtierten kleinen Mädchen die Qual des langen Stillhaltens in den unbequemen Festgewändern. Von Peter Paul Rubens' "Venus und Adonis" erzählt der dabeistehende Amor die Geschichte von seiner Mutter und ihres Geliebten bis zu dem Zeitpunkt, den das Gemälde festhält und auch, wie es danach weitergeht. Es kann aber auch ein am Rande stehendes Pferd von Andreas Achenbachs "Der Fischmarkt in Ostende" sein oder eine fast übersehene Schnecke auf Rachel Ruyschs "Blumen-Stillleben". Nebenbei wird ohne didaktischen Impetus auf Details, Blicke und Perspektiven hingewiesen, der Bildaufbau verdeutlicht und darüber informiert, warum und in welchem Zusammenhang das Kunstobjekt entstand, sowie welche Aspekte dem Maler beziehungsweise dem Auftraggeber wichtig waren.
Dieses Prinzip funktioniert bei realistischer Kunst, die zudem wie eine Fotografie einen Moment eines Geschehens festhält, so ganz hervorragend bei Ferdinand Theodor Hildebrandts Gemälde "Die Ermordung der Söhne Eduards IV.". Zu einer Herkules-Statue aus dem 16. Jahrhundert kann man noch die zwölf Heldentaten des Herkules wiedergeben. Aber was erzählt man zu Yves Kleins "Schwammrelief", das eben keinen Augenblick einfror? Hier betätigt man - ausnahmsweise! - gerne die Skip-Taste des CD-Spielers.
Das Konzept überzeugt aber dennoch. So wichtig es den Produzenten von Buch und CD ist, die Adressaten für die Bilder zu interessieren, so legen sie auch immer wieder Wert darauf, am Ende Distanz zum Betrachteten herzustellen, das heißt den Schildernden aus der Involviertheit in die Abbildung wieder heraustreten zu lassen. Dadurch wird lobenswerterweise verhindert, das Bild auf eine lustige oder spannende Story zu reduzieren und Identifizierung statt Auseinandersetzung zu fördern.
Die Kunstobjekte werden am Ende des Buchs verkleinert noch einmal, diesmal in chronologischer Reihenfolge, zusammen mit den wesentlichen Informationen aufgeführt.