Blut und Ehre

Hiltrud Schröter über die Grundlagentexte des Islam und ihr Verhältnis zu Menschenrechten und Geschlechtsgleichheit

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

IslamkritikerInnen werden von Moslems und Multikulti-PropagandistInnen gerne als islamophob stigmatisiert. Das ist natürlich barer Unsinn. Bekanntlich handelt es sich bei einer Phobie um eine psychische Erkrankung, die den Patienten zwingt, die Ursache seiner irrationalen Angst zu fliehen wie der Teufel das Weihwasser. Entsprechend verkröchen sich Islamophobiker in das hinterste Eckchen, rührten sich nicht und schwiegen vor allem stille, auf dass auch nicht ein einziger Moslem auf sie aufmerksam werden möge. Denkbar wäre allerdings auch, dass ein solcher Patient Moslems und Islamisten nach dem Munde redet, um sie gnädig zu stimmen. IslamkritikerInnen gehen hingegen in die Öffentlichkeit und nehmen in Kauf, den alles andere als eingebildeten, sondern durchaus schon mal tödlichen Zorn von Islamisten auf sich zu ziehen.

Und es gibt noch einen zweiten Unterschied zwischen IslamkritikerInnen und Phobikern. Konfrontiert mit der Ursache ihrer Phobie sind die Erkrankten derart in Angst und Schrecken versetzt, dass sie außerstande sind, einen klaren Gedanken zu fassen. IslamkritikerInnen weisen hingegen auf Tatsachen und Sachverhalte hin und sind ohne weiteres in der Lage, wohldurchdachte Argumente vorzubringen.

So ist in den letzten Jahren eine kaum noch zu überschauende Anzahl islamkritischer - nicht -phobischer! - Publikationen auf den deutschen Buchmarkt gelangt. Darunter etliche Autobiografien meist junger Frauen, deren Familien aus islamisch geprägten Ländern und (Sub-)kulturen kommen. Einige wenige - etwa von Ayaan Hirsi Ali, Seyran Ates oder Waris Dirie stechen aus der Masse heraus. Die meisten aber landen eher über kurz als über lang auf den Wühltischen von Kaufhäusern und Modernen Antiquariaten, um alsbald in Vergessenheit zu geraten. Nicht immer zurecht allerdings.

Zu diesen autobiografischen Publikationen treten einige wenige empirische Studien wissenschaftlichen Charakters, die auf Befragungen und Interviews mit in Deutschland ansässigen muslimischen Frauen, deren Familien aus islamisch geprägten Kulturen zugewandert sind, beruhen - wie etwa Heidi Kondzialkas Studie "Emanzipation ist Ehrensache" oder Hiltrud Schröters Untersuchung zu "Mohammeds deutsche[n] Töchter[n]".

In ihrem neuen Buch "Das Gesetz Allahs" wendet sich Schröter zwar wiederum dem Islam und seinem Verhältnis zu Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechten zu, doch konzentriert sie sich diesmal ganz auf die Aussagen der islamischen Ursprungstexte zu den infrage stehenden Themen und befasst sich ausführlich damit, dass und wie die in heutigen islamisch geprägten Kulturen und Gesellschaften übliche Geschlechterhierarchien und die damit verbundene Frauenunterdrückung mit den islamischen Ursprungstexten gerechtfertigt werden. Nun muss man das natürlich alles gar nicht wissen, um die Genderpraktiken islamisch geprägter Kulturen und Gesellschaften fundiert kritisieren zu können. Doch erleichtern es derartige Kenntnisse ungemein, die immer wieder von islamischer und islamophiler Seite gerne in die Diskussion geworfenen Behauptungen, all die vielfältigen Formen der Frauenunterdrückung in islamisch geprägten Ländern hätten mit der Religion doch rein gar nichts zu tun, als un- oder allenfalls halbwahr zu durchschauen.

Besonders erfreulich ist, dass Schröters für alle verständlich geschriebenes Sachbuch oft das Argumentationsniveau eines wissenschaftlichen Fachbuches erreicht. Dies gilt nicht zuletzt für den Aufweis zahlreicher intertextueller Bezugnahmen der islamischen Ursprungstexte auf Altes und Neues Testament als Prätexte. Einen grundsätzlichen Webfehler des Buches könnte man allerdings darin sehen, dass die Autorin islamisch geprägte Kulturen und Gesellschaften mit den 'westlichen' als christlichen - und nicht als aufgeklärten vergleicht.

Besonderen Wert legt Schröter darauf, den "grundlegenden Unterschied zwischen dem Grundsatz der Verschiedenheit im Islam und dem Grundsatz der Gleichheit im Westen" sowie dessen "Auswirkungen" herauszuarbeiten. Dieser Unterschied beruht ganz wesentlich auf folgender Regel: "Das islamische Recht gebietet, Gleiches gleich zu behandeln, und erlaubt, Ungleiches ungleich zu behandeln." Festgehalten ist das Prinzip etwa in der islamischen Charta, die am 3. Februar 2002 von Nadeem Elyas vorgestellt wurde, dem damaligen Vorsitzenden einer laut Schröter "arabisch-wahabitisch geprägte[n]" Organisation, die sich großspurig "Zentralrat der Muslime in Deutschland" nennt. Der zum Islam konvertierte Jurist Murat Hofmann erläutert, was diese islamische Grundregel für das Geschlechterverhältnis bedeutet: "Aus islamischer Sicht wird die Frau gegenüber dem Mann [...] nicht diskriminiert, weil nach islamischem Recht Ungleiches ungleich und Gleiches gleich behandelt wird. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer, denn die westliche Theorie leugnet rechtsrelevante Unterschiede zwischen Mann und Frau grundsätzlich, während der Islam diese Fiktion nicht ganz mit vollzieht."

Ausführlich zeigt Schröter, welche gravierenden Auswirkungen der Grundsatz auf Familie, Sozialität, Recht, Religionsausübung und sogar auf die Vorstellungen von Menschenrechten und Paradies hat, und inwiefern er die Unmündigkeit muslimischer Frauen nach sich zieht, die lebenslänglich einen Geschlechtsvormund vor die Nase gesetzt bekommen, der männlichen Geschlechts und ein Muslim sein muss.

Im Einzelnen befasst sich die Autorin mit dem Hymenkult und dessen - wie sie griffig schreibt - "Geschichte um Blut und Ehre" sowie mit dem Kopftuch, gegen dessen Verwendung im Staatsdienst sie zwölf Argumente zusammenstellt, von denen zwar die meisten, jedoch nicht alle restlos überzeugen. Wenig stichhaltig ist ihre Argumentation, dass Nonnentracht und Kreuz im Unterschied zum Kopftuch erlaubt sein sollten.

Muslimische Heirat und Ehe sowie der 'Ehren'mord und andere in einem fehlgeleiteten Ehrgefühl gründende Verbrechen sind weitere zentrale Themen. Die "archaische Heirat", ein "Tausch Tochter gegen Tochter zwischen Männern", ist Schröter zufolge darum noch heute in vielen islamisch geprägten Kulturen üblich, weil "[d]as Allah-Gesetz" konsequent der "Logik des Frauentauschs" folgt.

Wie Schröter schreibt, ist im Koran von Sexualität oft in Zusammenhang mit Bezahlung die Rede: "bei Heirat, Entlassung, Scheidung, Auflösung der Ehe mit ungläubigen Frauen und beim Loskauf von Frauen aus der Ehe." Der Heiratsvertrag ist also ein "Vertrag mit Rückgaberecht". Wobei es der Mann ist, der die Frau zurückgeben kann, nicht jedoch umgekehrt. Denn es handelt sich nicht um einen Vertrag zwischen ihr und ihm, sondern zwischen zwei Männern. Sie ist bloß der Vertragsgegenstand "zwischen Bräutigam und dem Vormund der Braut", oder wie Schröter es treffend formuliert "zwischen dem Frauengeber und dem Frauennehmer". Folgerichtig besitzt die Frau im Unterschied zum Mann kein Scheidungsrecht, denn sie gilt als "gekauftes Gut" und nicht als "eigenständige Person". Beispielhaft für das muslimische Gerechtigkeitsverständnis, das 'Ungleiches' ungleich zu behandeln sei, ist denn auch eine Fatwa, die ein Dozent an der Al-Azahr-Universität in Kairo im Jahre 2005 verfasste. In ihr heißt es klipp und klar: "Die Gerechtigkeit verlangt, dass das Scheidungsrecht allein dem Ehemann zusteht."

Eine besondere Form der 'Ehe' stellt die hauptsächlich im Iran verbreitete Zeitehe der Schiiten dar. Es handelt sich um "eine Art Mietvertrag", der die Dauer der Ehe oder eine bestimmte Anzahl von Sexualkontakten und die Besoldung der Frau festlegt. Er kann über Stunden, Monate oder Jahre abgeschlossen werden und erfreut sich bei Geschäftsreisenden besonderer Beliebtheit. Sunniten erkennen die Zeitehe allerdings als eine Form der Prostitution. Sie lehnen sie ab, da sie durch Koran und Sunna nicht gerechtfertigt sei.

Über die 'Ehren'morde, die auch hierzulande immer öfter für unerfreuliche Schlagzeilen sorgen, erfährt man von Schröter unter anderem, dass sie in der Türkei als "Traditionsmorde" bezeichnet werden, während das Arabische für sie den wahrhaft Orwell'sche Begriff "Ehrenwäsche" erfunden hat.

Schröter weist darauf hin, dass 'Ehren'morde zwar nicht genuin islamisch sind, sondern aus archaischen Traditionen stammen. Gleichwohl seien sie aber auch "ein islamisches Phänomen, weil weder durch das Allah-Gesetz noch durch das Vorbild Mohammed diese archaischen Traditionen in Frage gestellt oder gar aufgehoben wurden". Die Koranische Rechtfertigung der 'Ehren'morde liegt Schröter zufolge in der "Erlaubnis Allahs zum 'Töten bei Berechtigung'".

Die letzten Abschnitte des Buches gelten islamischen Strafrechtsbestimmungen und Menschenrechtserklärungen. So widmet Schröter dem Iranischen Strafrecht von 1991, der "Arabische Charta der Menschenrechte" und der "Allgemeine[n] Erklärung der Menschenrechte im Islam (AEMRI)" ebenso ausführliche wie erhellende Kapitel. Letztere, so erklärt und zeigt Schröter, sei allerdings eher eine "Erklärung der Menschenpflichten". Darüber hinaus lässt die AEMRI keinerlei Zweifel an der untergeordneten Stellung der Frau und zitiert in dem sich mit den Rechten der Frauen befassenden § 20 zustimmend eine Sentenz aus dem Koran, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt: "Die Männer stehen über den Frauen, weil Allah die einen von ihnen (die Männer) vor den anderen bevorzugt hat." Wer sich noch irgendwelche Illusionen darüber macht, was von islamischer Seite unter Menschenrechten verstanden wird und welche Rolle Frauenrechte im Islam spielen, sollte die entsprechenden Abschnitte des vorliegenden Buches lesen.

Die Frage, ob es möglich sei, den "Patriarchalismus im Rahmen des Islam zu beseitigen", beantwortet Schröter abschließend mit einem impliziten Nein: Denn "[d]a das Wort Allahs für alle Zeit Gültigkeit haben soll, gilt das auch für seinen Patriarchalismus in Verbindung mit dem durch Koran und Sunna genährten Überlegenheitsgefühl des muslimischen Mannes."


Titelbild

Hiltrud Schröter (Hg.): Das Gesetz Allahs. Menschenrechte, Geschlecht, Islam und Christentum.
Ulrike Helmer Verlag, Königstein im Taunus 2007.
280 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783897412217

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