Drolliges Forschungstierchen

Désirée Nick verteidigt die Emanzipation gegen Eva Herman

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Viel Feind, viel Ehr, besagt das Sprichwort. Mag sein, dass dies gelegentlich zutrifft. Doch belegen zahlreiche Beispiele, dass dies beileibe nicht immer der Fall ist. Eines der jüngsten ist Eva Herman, die sich mit ihrem Eva-Prinzip eine schier unübersehbare Zahl wenn auch nicht unbedingt von FeindInnen, so doch von GegnerInnen gemacht hat.

Eine von Ihnen, Désirée Nick, wurde ebenso wie Herman durch regelmäßige TV-Auftritte bekannt. Anders als diese jedoch nicht im seriösen Fach der Nachrichtensprecherin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, sondern in Trash-Sendungen eines privaten Senders. Jedoch nicht sie, sondern Herman hat spätestens mit ihrem jüngsten publizistischen Erzeugnis jeglichen Anspruch auf Seriosität verspielt. So wundert es denn auch nicht, dass Nick in ihrer unter dem Titel "Eva go home" erschienen "Antwort auf Eva Herman" über weite Strecken auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den kaum Thesen zu nennenden Ergüssen ihrer Kontrahentin verzichtet und ganz überwiegend auf eine Polemik setzt, die sicher all diejenigen amüsant finden, die Hermans Buch soundso schon für den letzten Schwachsinn halten. Evatöchter, die Hermans Ansichten teilen, wird die Replik allerdings kaum überzeugen können. Nicht etwa, weil Nick die schlechteren Argumente hätte, sondern weil diese zwar oft genug schlagend sind, jedoch von der ironischen, ja immer wieder sarkastischen Haudrauf-Schreibweise und all den gegen die Person Hermans gerichteten Gemeinheiten verdeckt werden, von denen einige wie die Unterstellung, sie habe ihre "Forschungsstudien [...] womöglich unter größten persönlichen Risiken und vollstem Körpereinsatz direkt von Mutter Natur erworben", zudem direkt unter die Gürtellinie zielen.

Auch wenn man vielleicht nachvollziehen kann, dass es Nick bei der Lektüre von Hermans Buch schwer fiel, einigermaßen sachlich zu bleiben, hätten solche Ausfälle nun wirklich nicht sein müssen. Auch nicht das in einer ironisierenden Wendung geforderte Schreibverbot für Herman. Im Eifer der Polemik unterläuft Nick auch schon mal ein sinnentstellender Verschreiber, der bei etwas ruhigerem Blut vielleicht zu vermeiden gewesen wäre: "Klar, dass die Frau Neunmalklug nicht nur davor zurückschreckt, den Frauen generell die Schuld am Untergang Deutschlands zu bescheinigen, sondern insgesamt auch hier wieder mit den Fingern auf ganz spezielle Gruppen zeigt." Fehlt da nicht ein "nicht"?

Auf Dauer geradezu nervtötend sind all die herablassenden Benamsungen, die Nick für ihre Gegnerin, die sie im übrigen gerne direkt per du anredet, einfallen: "Armes Hascherl", "Hasilein", "Schnuffelchen", "schlechtfrisierte Blondinendarstellerin", "Sweetheart", "Schmusebäckchen", "liebe Zuckerschnecke", "Evchen", "Frl. Neunmalklug", "drollige[s] Forschungstierchen Eva H." und dergleichen mehr. All dies wird auch dadurch nicht wirklich erträglicher, dass Nick durchaus über eine gewisse Selbstironie verfügt und sich schon mal als "alleinerziehende, feministische Lästertheologin" bezeichnet.

Unabhängig (oder wohl doch nicht so ganz unabhängig) davon, dass Herman eine dezidierte Antifeministin und Nick eine mit Freuden bekennende Feministin ist, gibt es noch einen zweiten, ebenso gravierenden Unterschied zwischen beiden. Nick kann - wenn sie die Polemik mal ein wenig in den Hintergrund treten lässt - durchaus kluge Sachen schreiben. So ruft sie all jenen, "die ihr nach mehr Kindern schreit" zu, sie sollten sich "doch erst mal verantwortungsvoll um die [kümmern], die schon da sind". Auch weiß sie etwa, dass ein Leben, welches sich auf die Führung eines Haushalts beschränkt, nicht nur Frauen, sondern überhaupt die meisten Menschen unglücklich macht und dass Männer Hausfrauen "auf Dauer langweilig" finden. Dabei verklärt sie das andere - in diesem Fall das männliche - Geschlecht durchaus nicht, sondern bemerkt völlig zutreffend, dass Männer "wie Wasser" sind: "Sie suchen den bequemsten Weg". Aber auch das dürfte wohl für die meisten Menschen zutreffen.

Manchmal geradezu erhellend sind Nicks ausführliche Zitate aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 und ihre Kommentare. Mit beidem verdeutlicht sie, wohin der von Herman anempfohlene Weg in die Vergangenheit des Geschlechterverhältnisses führen würde. Manch einer könnten Augen und Ohren übergehen, wenn sie liest, was vor nicht allzu langer Zeit noch so alles Recht und Gesetz war. Denn einige der von Nick zitierten Paragraphen verloren erst in den 1970er-Jahren ihre Gültigkeit. Der mit der Nummer 1356 etwa besagte, Ehefrauen seien "berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten". Und weiter: "Zu Arbeiten im Hauswesen und im Geschäft des Mannes ist die Frau verpflichtet, soweit eine solche Tätigkeit nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich sind." Ein Gericht klärte anno 1975, wie das zu verstehen sei: "[I]hre Pflichten in der Ehe und Familie [...] dürfen durch die Berufstätigkeit nicht leiden. Sie stehen an 1. Stelle. Der Frau wird es also regelmäßig verwehrt sein, an einem anderen Ort oder an anderer Stelle, die sie den ganzen Tag vom Haus fern hält, eine Tätigkeit aufzunehmen. Sie kann auch nicht die Haushaltsführung als solche einem Dritten übertragen, selbst, wenn sie die Kosten dafür trägt."

Bei aller Kritik an ihrer Kontrahentin ist Nick Eva Herman in drei nicht ganz unwesentlichen Punkten allerdings näher als ihr lieb sein sollte. Beide sind sie der Auffassung, dass es - in den Worten Nicks - "nicht so weitergeht und mit der Geburtenrate etwas passieren muss", beiden gilt Mutterschaft als sinnstiftend und beide halten von kinderlosen Männern und Frauen nicht übermäßig viel. Auch werden gendertheoretisch aufgeklärte FeministInnen kaum mit Nicks gelegentlichen Biologismen einverstanden sein, die etwa besagen "die Natur" habe es mit der zyklischen Fruchtbarkeit der Frau "ganz raffiniert eingerichtet": "Dadurch wird in der Arterhaltung ein Männchen gezwungen, beim Weibchen zu verweilen, damit er [sic] überhaupt den genauen Stichtag trifft."

Dann aber gelingt es Nick allerdings auch wieder, das Anliegen ihres Buches - nämlich "die Emanzipation zu verteidigen" - mit nur einem einzigen Satz auf den feministischen Punkt zu bringen: "Frauen sollen sich auf keine Position einlassen, in der sie vom Mann abhängig sind." Genau! Und damit ist doch eigentlich auch schon alles gesagt.


Titelbild

Desiree Nick: Eva go home. Eine Streitschrift.
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2007.
173 Seiten, 7,95 EUR.
ISBN-13: 9783596176694

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