Der Mensch macht die Zukunft
Drei neue Studien aus dem Zukunftsinstitut
Von Frank Müller
"Destination Ich, Gender(r)evolution, Easy Access, Krea-Topia, Märkte der Teilhabe, BRICitizing, Tante Emma reloaded, Pomp 2.0, Phood, Greentainment, Sonic Boom, Heimotion, Das DIY-Prinzip..." Die gegenwärtigen Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft transformieren Konsumbedürfnisse, evozieren neue Wertevorstellungen und prägen nicht zuletzt Märkte und Institutionen. In der neu überarbeiteten 2. Auflage der "100 Top Trends" erklären die Autoren des Kelkheimer Zukunftsinstituts als "kognitive Sparringspartner", welche substanziellen Trends wir im Auge behalten sollten, um uns auf den Märkten von morgen zu positionieren. Von Gesellschaft und Familie bis Arbeit und Bildung, von Wertewandel bis Management, von neuen Bedürfnissen bis Design, von Sozialem und Nachhaltigkeit bis hin zuMedien und Kommunikation.
Mit einer komplexen und sich in immer kürzeren Zeitabständen verändernden Gesellschaft veralten auch immer schneller die Interpretationsmodelle, anhand derer wir unsere Gesellschaft zu verstehen versuchen. 60-Jährige stürmen mit ihren Snowboards die Pisten. Mittzwanziger legen sich einen Schrebergarten zu. Und Schüler gründen in ihrer Freizeit nebenbei Millionen-Unternehmen. Der Megatrend Individualisierung fegt mit gewaltiger Macht über die modernen Lebensbiografien und macht damit die klassischen Einteilungen und Denkmuster des Industriezeitalters obsolet.
Bis in die 70er-Jahre hinein lebten die meisten Menschen ihr Leben gemäß einer dreiteiligen Normal-Biografie. Jugend (als Ausbildungszeit), Berufstätigkeit und Familienzeit (als Reproduktionsphase) sowie Ruhestand folgten einem linearen und stufenmäßigen Ablauf. Heute jedoch wird diese biografische Starrheit und Linearität oftmals auch durch mehr oder weniger zufällige Situationen und Ereignisse durchkreuzt. "Lebensstile 2020" verdeutlicht, dass wir längst im Zeitalter der Multigrafie angekommen sind: Alles ist immer (und immer wieder) möglich.
Vor dem Hintergrund dieser erweiterten biografischen Freiheit im Wissenszeitalter analysiert die Studie die Lebensstil- und Konsumavantgarde der nächsten Jahre. Von CommuniTeens, Inbetweens, Young Globalists über Silverpreneure, Super-Grannys, Greyhopper bis hin zu Super-Daddys, Tiger-Ladys sowie Latte-Macchiato-Familien, VIB-Familien und Netzwerk-Familien - so lauten die wohlklingenden Trendbegriffe aus der Schmiede des Zukunftsinstituts.
Wenn sich die Arbeit grundlegend wandelt, dann ist unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert - und gefordert. Wir befinden uns im tiefgreifendsten Wandel der Arbeit seit der industriellen Revolution. Selbstverantwortung, Veränderungsbereitschaft und Kreativität - dies sind die in "Creative Work" untersuchten Kernanforderungen an den Arbeitnehmer von morgen.
Denn Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft. Mit der "Creative Economy" steht eine neue Ära vor der Tür, die durch grundlegend andere Werthaltungen, Glaubenssätze und Strukturen gekennzeichnet sein wird als die Industrie- und Wissensgesellschaft. Kreatives Denken und Handeln ist die Fähigkeit, ständig neue Zusammenhänge herzustellen, unterschiedlichste Perspektiven zu integrieren und Bestehendes zu hinterfragen - auch sich selbst und den eigenen Lebens- und Arbeitsplan. Für Unternehmen heißt das: Wie gelangt man an die kreativsten Köpfe und wie organisiert man sie?
Wie alle Ergebnisse der Zukunftsforschung, die übrigens keineswegs mit dem Anspruch auftritt, zukünftige Entwicklung "vorherzusagen", sondern lediglich Entwicklungsoptionen und Szenarien möglicher Zukünfte erarbeitet, haben auch die neuen Studien mindestens zwei Seiten: Sie sind einerseits Logbücher für die wichtigsten "Driving Forces". Andererseits sind sie aber auch Navigationstools für die bewusste und proaktive Konstruktion dieser Entwicklungen.
Dahinter steckt nichts weniger als ein Machbarkeitscredo, sprich: die zeitgmäße Abwandlung des so genannten Vico-Axioms ("Der Mensch macht die Geschichte"). Bevor uns die Zukunft wie ein blindes Fatum überrascht, gestalten wir sie doch lieber selbst.
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