Liebenswerter Versager

Über Tommy Jauds neuen Roman "Millionär"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was ist eigentlich aus dem Vollidioten geworden?, fragt der Klappentext von Tommy Jauds drittem Roman "Millionär". Interessante Frage? Nein, eine langweilige Frage, eigentlich. Denn wenn man ehrlich ist, interessiert einen Simon Peters' Schicksal ab dem Moment nicht mehr, als dieser am Ende des Romans "Vollidiot" seinen Singlesessel auf dem Ikeaparkplatz verbrennt, weil er sich - offenbar glücklich - verliebt hat. Das war ein gutes Ende eines witzigen Romans. Vor allem aber war es ein Schluss, nach dem alles was nun folgen würde, bereits klar war. Es war ein Filmende. Und bei Filmen fragt man sich schließlich auch nicht, was passiert, nachdem sich die Liebenden am Ende von allerlei Irrungen und Wirrungen schließlich doch kriegen.

Jetzt also ein Sequel. Simon Peters ist seit seinem Rauswurf bei T-Punkt immer noch arbeitslos und bekommt Hartz IV. Das ist für sich genommen schon schlimm, schließlich ist er ein Mann von 32 Jahren. Schlimmer aber ist, dass seine Freunde und deren Partner dazu noch ausnahmslos erfolgreich sind. Mit anderen Worten: Sie haben Geld. So wie die neue Mieterin Johanna Stähler, die in das gerade renovierte Penthouse in Simons Haus einzieht. Sie ist genauso alt wie er, aber Geschäftsführerin von EMI Europa, fährt einen pinkfarbenen Hummer und besitzt haufenweise Designermöbel. Die neureiche Tussi, die Simon erst freundlich behandelt, weil sie denkt, er hätte sich mit viel Geld zur Ruhe gesetzt, behandelt ihn schließlich wie Luft, als sie herausfindet, dass er Hartz IV bekommt. Geld muss also her, genauer genommen eine Million Euro - nicht weil Simon in ihrer Achtung steigen, sondern das Haus kaufen und sie vor die Tür setzen will. Er besinnt sich also - nach einem "Wie werde ich Millionär"-Seminar - auf seine Stärke, nämlich sich über alles und jeden zu beschweren. War das ewige Lamento in "Vollidiot" noch wenig Handlungsmotiviert beziehungsweise -fördernd, so wird die Misanthropie in "Millionär" zum zentralen Moment. Denn anstatt sich einen Job zu suchen, schreibt Simon täglich Beschwerdemails und ruft Kundenhotlines an, um sich über Produkte aufzuregen. Die Welt zu verbessern, in seinen Augen.

Man könnte sich die Frage stellen, warum er sich keinen richtigen Job sucht, sondern sich in gewohnt "vollidiotischem" Sermon über seine Situation aufregt, anstatt zu handeln. Aber abgesehen davon, dass es dann nicht derselbe Erzähler wäre, fragt es sich der Leser nicht. Das Buch ist weniger witzig als "Vollidiot" und vielleicht weniger tiefgründig als Jauds zweiter Roman "Resturlaub". Aber "Millionär" erzählt eindrücklich die Geschichte des gescheiterten, frustrierten und auch immer noch die Liebe suchenden, liebenswerten Versagers. Und Tommy Jaud vermag es, den Leser Empathie mit Simon empfinden zu lassen. Das alles mutet an wie das kleine Einmaleins für einen erfolgreichen Roman: Ein sympathischer Protagonist, eine fiese Antagonistin und das ganze in einer der Handlung angemessenen Sprache erzählt, hier der Alltagssprache des Anfangdreißigjährigen. Fertig ist der Bestseller. Aber das klingt, um gleich eine Einschränkung zu machen, viel zu negativ. Tommy Jaud kann einfach so erzählen, dass man gerne teilhat an der Geschichte, interessiert ist am Schicksal des Protagonisten. Und daran ist nichts Schlechtes. "Nichts natürlich", lautet die Antwort auf die Frage, was aus dem Vollidioten geworden ist. Interessante Frage? Natürlich. Zumindest im Falle dieses Autors.


Titelbild

Tommy Jaud: Millionär. Roman.
Scherz Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
300 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783502110330

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