Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Thomas Brandlmeiers Buch über Fantômas lässt nichts anbrennen

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Grundlage der "Fantômas"-Filme von Louis Feuillade bilden die Folgen des zwischen 1911 und 1913 entstandenen Feuilletonromans von Pierre Souvestre und Marcel Allain. Dieser erprobten Form hat sich Feuillade ebenso hemmungslos wie konsequent bedient und dabei die Unlogik und Absurdität der Geschichten filmisch verlängert.

Das Geschöpf, das nun auf den bewegten Bildern des Zelluloids erscheint, ist ein Verwandlungskünstler: mal ein biederer Handlungsreisender, mal ganz in schwarz mit wehendem Umhang. Souverän beherrscht Fantômas Raum und Zeit, ist überall und nirgends zugleich. In scheinbarer Schwerelosigkeit bewegt er sich durch Böden, Decken und Wände, schwingt sich über Dächer und klettert an den Pariser Fassaden hoch. Erst der Film ist es, der die Stadt in einen surrealen Alptraum mit menschenleeren Straßen, rätselhaften Metamorphosen, voller Schatten und dräuende Schwärze verwandelt.

Thomas Brandlmeier begreift die Figur des Fantômas unmittelbar politisch, verwischt dabei aber nicht die grundlegende Ambivalenz, die den "Anarchoverbrecher" kennzeichnet: Der schwarze Mann ist einerseits der Verbrecher, der das selbstsüchtige Prinzip der Gesellschaft mit letzter Konsequenz verfolgt. Andererseits verkörpert er die Faszination, sich von bürgerlichen Zwängen zu befreien. Einen Stellvertreter, der in Tabuzonen vordringt und verborgene Wünsche ans Licht bringt: "Für viele Intellektuelle war Fantômas deshalb die Vorahnung einer Freiheit ohne Relativierung, ohne Sachzwänge, ohne Staat."

Kommt noch hinzu, dass die subversiven Kräfte den Triumph über die Obrigkeit davontragen, und nicht umgekehrt. Was ist schon die Gründung einer Bank gegen den Einbruch in eine Bank? Züge entgleisen, Polizisten werden reihenweise niedergemäht, die Staatsmacht liegt am Boden. Der brave Inspektor Juve tritt in der Maske von Fantômas auf - und umgekehrt. Bürger und Bösewicht werden sich immer ähnlicher, was wiederum nicht anders als ein Sieg des anarchischen Prinzips verstanden werden kann.

In seinem kenntnisreich geschriebenen Buch hat Brandlmeier die literarischen Motive genauso untersucht wir die filmische Darstellungsweise. Beides betrachtet er im Kontext des zeitgenössischen Surrealismus. Entstanden ist ein informatives, reich bebildertes Buch, das die breite Wirkungsgeschichte von Fantômas in vielen Facetten beleuchtet.


Titelbild

Thomas Brandlmeier: Fantomas. Beiträge zur Panik des 20. Jahrunderts.
Verbrecher Verlag, Berlin 2007.
166 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783935843720

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch