Was haben Film und Literatur gemeinsam?

Michael Braun und Werner Kamp sammeln Ansätze für eine überfällige Beziehungsanalyse

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Unter dem Titel "Kontext Film" haben die Kölner Germanisten Michael Braun und Werner Kamp einen Sammelband mit elf höchst unterschiedlichen Beiträgen zu Film und Literatur herausgegeben.

Im Vorwort legen die Herausgeber dar, dass es ihnen um Wechselwirkungen zwischen den Medien Literatur und Film geht, die viel zu lange als Konkurrenten gegolten haben. Spätestens seit außer Frage steht, dass das Medium Film keine Erweiterung oder Verlängerung von Literatur, sondern eigenständige Kunstform ist, wäre die Untersuchung der Werktreue obsolet. Vielmehr stellen Braun und Kamp in ihrer Sammlung alle möglichen Film-, Werk- oder Genreuntersuchungen zur Debatte. Anhand von Beispielen für unterschiedliche Zugangsverfahren soll einer adäquaten Katalogisierung und Kategorisierung des Verhältnisses zwischen Literatur und Film auf die Sprünge geholfen werden.

So findet man unter den Aufsätzen nicht nur Auseinandersetzungen mit Literaturadaptionen im Film. Sabine Frank fragt sich, "Was in drei Filmepochen von Emil und die Detektive übrig blieb", Michael Braun untersucht verschiedene Kafka-Verfilmungen; dabei verzichtet er allerdings auf Vollständigkeit.

Volker Wehdeking wiederum untersucht Volker Schlöndorffs Literaturadaptionen nach 1990 auf eine typische "Signatur".

Andere Aufsätze widmen sich filmischen Themen ungeachtet der Problematik der "Verfilmung" von literarischen Vorlagen; beispielsweise schreibt Jörg von Brincken über moderne Horrorfilme, Achim Korres über das Napoleonbild, wie es Filmen vermitteln, und Oliver Jahraus zur "Religion" des amerikanischen Gewaltverherrlichungskinos.

An der Zusammenstellung fällt auf, dass neben einem inhaltlichen Roten Faden ein gemeinsamer Anspruch ans theoretische Niveau der Aufsätze fehlt: Neben akademisch-semiotischen Texten und Arbeiten auf der Grundlage ausländischer Sekundärliteratur findet man auch weniger fachlich elaborierte Analysen. Neben filmtheoretisch versierten Ausdrucksweisen stößt man auf die vorsichtigere Wortwahl neu zum Thema gekommener Autoren.

Die Herausgeber schicken allerdings voraus, dass es ihnen bei der Zusammenstellung nicht um einen Forschungsansatz oder eine These zur Herangehensweise an das vorherrschende Kulturmedium unserer Zeit, den Film, gehe, sondern ihre Publikation dazu angetan sein möge, die Diskussion um Film für die Kulturwissenschaft überhaupt einmal zu entfachen; insofern ist "Kontext Film" auch gelungen. Was noch aussteht - und dazu ist es höchste Zeit - ist eine Hebung des Stellenwerts der Disziplin Filmwissenschaft innerhalb der Kulturwissenschaften gemessen an dem der Literaturwissenschaft; und es ist schön zu lesen, dass Germanisten sich des fremden Mediums annehmen.


Titelbild

Michael Braun / Werner Kamp (Hg.): Kontext Film. Beiträge zu Film und Literatur.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 2006.
217 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-10: 3503079742

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