30 Jahre Forschung am frühneuzeitlichen Emblem

Bernhard F. Scholz' Sammlung historischer und systematischer Emblemstudien

Von Arnd BeiseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Arnd Beise

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In kritischer Absetzung von der älteren, durch Albrecht Schönes "Emblematik und Drama" (1964) repräsentierten Forschung suchte Bernhard Scholz seit Ende der 1970er-Jahre die Emblematik von ihren historischen und poetologischen Voraussetzungen in mediengeschichtlicher Perspektive zu begreifen.

Die Emblematik entstand im 16. Jahrhundert - das erste Emblembuch publizierte Andrea Alciato 1531 -, so dass ihre Theoretisierung gleichzeitig und voraussetzungslos geschehen musste: Es gab keine antiken Vorbilder. In ihren Anfängen war die Theorie vor allem von der in Italien geführten Diskussion über die Impresenkunst geprägt, doch internationalisierte sie sich rasch. Drei Traktate zur Emblematik von Paolo Giovi (1555), Henri Estiennes (1645) und Claude-François Menestrier (1648) untersucht Scholz exemplarisch, und zwar in ihrem zeitgenössischen epistemologischen Kontext.

Die anderen historischen Studien gelten Einzelfragen der frühneuzeitlichen Poetik von (zweiteiliger) Imprese und (dreiteiligem) Emblem, etwa zum Problem der in einer so stark intertextuell geprägten Gattungen nicht unproblematischen Auctoratis, zum Text-Bild-Verhältnis oder zur Ignoranz der Poetiker gegenüber dem Variantenreichtum der Emblematik. Im zweiten Teil des Buchs werden die Ergebnisse systematisiert, und zwar anhand von Leitfragen, nämlich nach dem Status des emblematischen Bezugs auf außerliterarische Faktizität in der aktuellen Emblemtheorie, nach der Definition des Emblems als Gattung, nach der didaktischen Funktionalisierung des Emblems und nach der angemessenen Art des Verständnisses der emblematischen pictura.

Scholz' zeichentheoretischer und medienhistorischer Zugriff auf eine spezifisch neuzeitliche, synmediale Gattung wird in der Forschung oft gegen die vergleichende Einzelfall-Forschung aus der Schule von Wolfgang Harms ausgespielt, obwohl die historische Kontextualisierung sich als Angebot zur Systematisierung der Ergebnisse von Spezialuntersuchungen anbietet. Dass hier vermittelnde Positionen möglich und fruchtbar sind, hat zum Beispiel Gerhard Strasser in den letzten Jahren gezeigt ("Emblematik und Mnemonik der Frühen Neuzeit im Zusammenspiel", 2000; "Die Domänen des Emblems", 2004). Scholz' Sammlung wesentlicher Texte aus seiner 30-jährigen Arbeit an der Emblematik hat sich in der Forschung als richtungweisendes Standardwerk etabliert.


Titelbild

Bernhard F. Scholz: Emblem und Emblempoetik. Historische und systematische Studien.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 2002.
421 Seiten, 39,80 EUR.
ISBN-10: 3503061398

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