Türschwellengeister und Yogameister

Ein "Haus-Buch" für Jugendliche will gleich das ganze "Wissen der Welt" vorstellen

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie kommt man in ein Haus? Natürlich durch die Tür. Oder auch nicht. Denn: Türen sind einteilbar nach "Widerstandsklassen": Klasse 1 kann man einfach eintreten oder aus den Angeln heben. Klasse 2 ist mit einfachem Werkzeug zu öffnen. Für "Türen der Widerstandsklassen 5 und 6 muss der Täter schweres und besonders schweres Werkzeug, also zum Beispiel eine Schlagbohrmaschine, einsetzen. Wer solche Türen hat, ist sogar vor den Panzerknackern ziemlich sicher".

So beginnt ein neues Sachbuch für Jugendliche, das durch ein Haus führt: "Hier wohnt das Wissen der Welt", behauptet es. Tatsächlich versammelt das "Haus-Buch" eine Menge Fakten. Über den Eingang weiß es zu berichten, dass es einen "Extremsport für Panzerknacker" gibt: "Lockpicking", das Schlösserknacken. Dass die Türschwellengeister in Thailand nicht möchten, dass man auf die Schwelle tritt, und sie auch in Deutschland ihre Klauen nach der Braut ausstrecken - deswegen wird sie noch heute über die Schwelle getragen. Man erfährt, wie man sich beim Eintreten in der Türkei zu verhalten hat. Und wie die Türen in China und bei den Navajo-Indianern aussehen.

In mehreren Kapiteln führt das "Haus-Buch" durch alle Zimmer, vom Erdgeschoss bis zum Dachboden, selbst der Garten mit Schuppen und Baumhaus sowie die Garage werden nicht ausgelassen. In jedem Raum drinnen und draußen wird anderes Wissen erzählt. Im Frauenzimmer geht es um Mode, Schönheitsideale, berühmte Frauen, Make-up und die Einführung des Frauenwahlrechts, im Männerzimmer um das Tagebuch, Heldengeschichten und Filmlegenden - und der dickste Mann der Welt wird vorgestellt. Im verbotenen Raum auf dem Dachboden spuken Vampire, Geister und lebendig Begrabene, in der Waschküche werden die Waschmaschine erklärt, die Symbolik der Kleidung und die Kinderarbeit in Bangladesch. Politik wird ebenso gestreift wie Abstruses, Kulturgeschichte, Naturwissenschaft und Handwerk.

Es ist ein vielfältiges, sehr schön gestaltetes Buch, das eine große Menge an Wissen ausbreitet, eine kleine Fundgrube an Abseitigem und Halbvergessenem, mit Sprachspielereien und lexikonartigen Kurzartikeln. Dennoch bleibt ein etwas schaler Eindruck zurück. Denn fast nichts davon geht in die Tiefe. Es ist ein Häppchenwissen, mit dem man oft genug nicht viel mehr anfangen kann als es abzuspeichern, um später einmal damit anzugeben. Das Buch reiht sich in die Vielzahl der auf Dauer ziemlich öden Bücher ein, die immer wieder irgendwelche Listen aufstellen, und es zählt seltsame Spiele wie Bierfassrollen, Baumstamm- und Handyweitwurf auf, Abkürzungen für Instrumente, die "gefragtesten Maler", andere "Wörtchen fürs Örtchen" oder anderssprachige Ausdrücke für "Schlaf". Was man damit anfangen soll, ist durchaus unklar. Es ist ein Partywissen, etwas, das in der Zeitschrift "Focus" immer wieder ausgebreitet wird. Aber richtig brauchen kann man es nicht. Wirkliches Wissen ist denn doch etwas anderes. Da geht es nicht um etwas, das man irgendwo nachschlagen kann, dass man auf dem Nachttischchen liegen hat, um sich kurz vor dem Einschlafen noch einmal zu amüsieren über das "ABC der Musikinstrumente" mit Basing-Bugisi, Inzad, Jaltarang und Kabak-Kemane, die größten Parkhäuser oder das "Alphabet" von Afrikaans bis Ungarisch ("alfabet" bzw. "irás").

Noch dazu wimmelt es im Buch von seltsamen Vergleichen (Walther von der Vogelweide und Robbie Williams), manchen Fehlern - was ist und wieso ist Johann Georg Tinius (1764 - 1846) ein preußisch-deutscher Geistlicher? - und ungenauen Formulierungen: "Wer etwas auf sich hält, hat seinen eigenen Yogameister." Zum Herumstöbern ist das Buch vielleicht ganz nett, doch es erschöpft sich und den Leser bald in Kuriositäten-Aufzählerei.


Titelbild

Stephanie Busch: Das Haus-Buch. Hier wohnt das Wissen der Welt.
Berlin Verlag, Berlin 2007.
312 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783827052360

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