Familiengeschichte(n)

Joachim Käppners Geschichte einer "Familie der Generäle" bleibt an der Oberfläche

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Autor des vorliegenden Bandes ist Historiker und Journalist. Für die Süddeutsche Zeitung schrieb er einen Artikel im Vorfeld des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr: "Soldat sein in verschiedenster Verfassung". Am Beispiel der Offiziersfamilie von Butler beschrieb der Artikel den Wandel soldatischen Selbstverständnisses von der Reichswehr über die Wehrmacht bis zur Bundeswehr. Welche Traditionen bestimmen die Bundeswehr? Wie wirkt sich die Geschichte der Wehrmacht, aus deren Reihen viele der beim Aufbau der Bundeswehr Mitwirkenden kamen, aus?

So entstand das Anliegen dieses Bandes: "Es will der Geschichte einer Soldatenfamilie nachgehen, deren Ursprünge im 12. Jahrhundert liegen und die heute noch Offiziere für die Bundeswehr stellt. Es will versuchen zu verstehen, wie ihr Selbstverständnis in ihrer jeweiligen Zeit aussah und was sie zu ihrem Handeln bewegte." Objekt der Betrachtung ist die aus den thüringischen Landen stammende Familie von Butler, deren mittelalterliche Vorfahren als adlige Ritter bereits mit dem soldatischen Handwerk vertraut waren. Doch gibt es nicht mehr viel "aus der Zeit der Ritter" mitzuteilen, da das Archiv der Familie nach 1945 verloren ging. So bleiben dem Autor nur einige allgemein gehaltene Hinweise auf einzelne Personen der Familiengeschichte wie Wolfgang von Butlar, der 1521 zur Gefolgschaft der Edelleute Hans von Berlepsch und Burkhart Hunt von Wenckheim gehört habe soll, die Martin Luther zu seiner Rettung auf die Wartburg ,entführten'. Kaum mehr zu berichten gibt es über zwei weitere Vorfahren: Heinrich Tobias Freiherr von Haslingen, der als kaiserlicher Offizier 1683 vor Wien gegen die Türken kämpfte, sowie den 1714 zum Fürstabt in Fulda gewählten Constantin von Butlar.

Im Zentrum der Darstellung steht folglich die Generation derer, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts das Kriegshandwerk ausüben. Da ist zunächst Carl von Butler, der als Offizier der kaiserlichen Reichswehr am Ersten Weltkrieg teilnahm, mit wenig Begeisterung die neue Demokratie begrüßte, aber später auch vergleichsweise zurückhaltend den Nazis begegnete. Seine vier Söhne aber waren Teilnehmer des nächsten Krieges, und zwei von ihnen verloren in diesem Krieg ihr Leben. Dagegen nahm Peter von Butler, der noch in die Reichswehr der Weimarer Republik eingetreten war, nunmehr als Offizier der Wehrmacht an den zunächst erfolgreichen ,Feldzügen' gegen Polen und im Westen teil, erlebte an der Ostfront den stetigen Niedergang der deutschen Armeen und kapitulierte schließlich mit den letzten Resten der "Armee Wenck" in der Trümmerlandschaft Deutschland. Der jüngste Bruder Ruprecht von Butler überlebte gleichsam den Krieg. Spät eingezogen geriet er kurz in russische Gefangenschaft konnte aber schon bald nach Hause in den bayrischen Teil der Familienbesitzungen entkommen.

Einige Jahre später tragen beide von Butlers wieder eine Uniform, die der neugegründeten Bundeswehr. Peter von Butler übernimmt im Rahmen der NATO-Integration der jungen Armee Führungsaufgaben. Von der Bundesrepublik hoch geehrt für seine Verdienste, verlässt er die Bundeswehr 1974. Ruprecht von Butler kam Ende der 1950er-Jahre zur Bundeswehr. Sein "tiefstes und innerstes Motiv", so erläutert er dem Autor, war die so nahe deutsch-deutsche Grenze. "Der Kommunismus und die Unfreiheit sind bis hierher gekommen - weiter darf es nicht gehen." Eine andere "Herzensangelegenheit" ist ihm das Prinzip der Inneren Führung, das die Bundeswehr gegen das widerständige Misstrauen vieler ehemaliger Wehrmachtsangehöriger zu einer ,demokratischen Armee' machen soll.

Ebenfalls Offizier der Bundeswehr ist Carl-Hubertus von Butler. Der Sohn Ruprecht von Butlers ist ein Vertreter der ,nächsten Generation'. Im Führungsstab des Heeres arbeitet er in den 1980er-Jahren an neuen Verteidigungskonzepten, die hinfällig werden, als 1989 der Gegner verloren geht. 1989/90 ist er mit der Auflösung der DDR-Volksarmee beschäftigt. Als in den 1990er-Jahren die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen akut wird, arbeitet von Butler im Verteidigungsministerium an der Konzeption einer künftigen Struktur für die neue Armee mit. 2002 war er der erste Kommandeur des deutschen Kontingents der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan. Einer größeren Öffentlichkeit wird von Butler bekannt, als ihm der damalige Verteidigungsminister Peter Struck zum Kommandeur des Kommandos Spezialstreitkräfte (KSK) ernennt. Der Posten war vakant geworden, weil der Vorgänger, Brigadegeneral Reinhard Günzel, Sympathien für antisemitische Äußerungen des CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann gezeigt hatte. Dessen Ausführungen über das jüdische "Tätervolk" würdigte Günzel als "Mut zur Wahrheit und Klarheit." Ohne Zögern entließ daraufhin der Verteidigungsminister den Kommandeur. Drohte hier der alte Geist wieder Oberhand zu gewinnen? Carl-Hubertus von Butler übernahm das Kommando des bei seinen Soldaten beliebten Günzel, und erläutert: "Man darf nicht den Schluss ziehen, dass die Truppe unter Günzel ins rechte Spektrum abgeglitten wäre. Die Äußerung, die zu seiner Entlassung führte, wurde klar abgelehnt und sogar als Verstoß gegen den Geist des KSK empfunden. Aber sie haben nun einmal drei Jahre unter ihm gedient, er hatte sich für das KSK eingesetzt, und sie mussten sich von dem Schock also erst einmal erholen."

Käppners flüssig geschriebene Darstellung der "Familie der Generäle" kommt leider über die Nacherzählung der militärisch-soldatischen Familiengeschichte(n) kaum hinaus. Deutung erfährt diese Geschichte allein aus der Sicht der drei noch lebenden von Butlers, die dem Autor bereitwillig Auskunft gaben. Im Falle des noch aktiven Offiziers Carl-Hubertus von Butler ergeben sich dabei teilweise aufschlussreiche Hinweise auf die zukünftigen Herausforderungen für die Bundeswehr im internationalen Einsatz. Glaubhaft sind auch die persönlichen Hinweise der beiden älteren von Butlers zur Erläuterung ihres soldatischen Einsatzes. Wenig sagen diese Äußerungen aber aus darüber, was insbesondere ihre Wehrmachtserfahrungen tatsächlich beigetragen haben zur Ausgestaltung ihrer Tätigkeit in der Bundeswehr. Gerne hätte man beispielsweise auch etwas darüber erfahren, wie die von Butlers die Diskussion um die Wehrmachtsausstellung während der 1990er-Jahre beurteilen. Käppners Buch bleibt hier doch sehr an der Oberfläche. Etwas überspitzt ausgedrückt: ein gutes Interview im Rahmen eines Artikels über Carl-Hubertus von Butler hätte es auch getan.


Titelbild

Joachim Käppner: Die Familie der Generäle. Eine deutsche Geschichte.
Berlin Verlag, Berlin 2007.
415 Seiten, 2200,00 EUR.
ISBN-13: 9783827007087

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