Die Tücken der Sprachbarriere - Ursula K. LeGuins Science Fiction-Klassiker "The Dispossessed" in der nunmehr dritten Übersetzung

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es war das Jahr 1974, als Ursula K. LeGuins utopischer Sci-Fi-Roman "The Dispossessed" erschien und schnell Furore machte. Nach "The Left Hand of Darkness" (1969) gewann sie zum zweiten Mal den begehrten Hugo, die höchste in der Science Fiction zu vergebende Auszeichnung. In dem Science Fiction- und Utopie-seligen Jahrzehnt konnte es denn auch nicht lange dauern, bis der Erfolgsroman in deutscher Übersetzung vorlag. Gisela Stege hatte sie geliefert. Der Roman erreichte mehrere Auflagen und verschwand dann irgendwann vom Buchmarkt - bis Hiltrud Bontrup 1999 eine auf Steges Arbeit fußende Neuübersetzung schrieb. Nun liegt eine weitere Übertragung ins Deutsche vor, umgesetzt von Joachim Körber, basierend auf Bontrups Arbeit.

Zunächst einmal sticht ins Auge, dass der Roman im Unterschied zu seinen Vorläufern nicht nur einen neuen, das Original adäquater übertragenden Titel besitzt - statt wie die älteren Ausgaben "Planet der Habenichtse" heißt er nunmehr "Die Enteigneten" - sondern auch, dass er im Untertitel zudem treffend als "ambivalente Utopie" ausgewiesen wird.

Beides ist ebenso wie die Angabe des Klappentextes - es handele sich um die "erste ungekürzte deutsche Ausgabe" - dazu angetan, die Erwartungen der Neuübersetzung gegenüber recht hoch zu schrauben. Doch schnell stellt man fest, dass Körbers Übersetzung kaum gravierende Unterschiede zu derjenigen Bontrups aufweist. Zudem fällt die Neuübersetzung nicht einmal immer zum Besseren aus. So ist etwa Bontrups Satz "Ebenso wie die Vorarbeiterin keine Erfahrung im Umgang mit aufgebrachten Demonstranten hatte, hatten diese Leute auch keine Erfahrung darin, sich wie solche zu verhalten." nicht nur klarer als die entsprechende Stelle bei Körber ("Die Vorarbeiterin hatte keine Erfahrung im Umgang mit einem Mob, und sie keine darin, einer zu sein."), sondern besitzt zudem noch den Vorteil, grammatisch korrekt zu sein.

Was nun die Vollständigkeit der Übersetzung betrifft, so wäre es hilfreich gewesen, die Lesenden in einem kurzen Nachwort auf die erstmals übersetzte(n) Passagen aufmerksam zu machen. So überliest man sie auch bei näherer Kenntnis der früheren Übersetzungen allzu leicht.

Lesenswert allerdings ist der Roman in jeder seiner Übersetzungen auch heute noch.

R.L.


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Ursula K. Le Guin: Die Enteigneten. Eine ambivalente Utopie.
Vorw. von Denis Scheck.
Übersetzt aus dem Englischen von Hiltrud Bontrup und Joachim Körber.
Edition Phantasia, Bellheim 2006.
350 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3937897208
ISBN-13: 9783937897202

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