Die Dichte der Klöster - Der von Inos Biffi herausgegebene "Atlas des Mittelalters" illustriert eine vergessene Epoche

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Tübingen, Freiburg, Heidelberg, Mainz waren schon im 15. Jahrhundert Universitätsstädte. Es gab sogar noch ältere: Cambridge wurde schon 1209 gegründet, Orléans 1235, Sevilla 1254. Viele Unis gab es damals nicht in Europa, vor allem im Norden waren sie eher spärlich gesät. Nur in Norditalien, Südfrankreich und Spanien wimmelte es davon, in Spanien gab es 13, in Italien über 20. Sie waren eine neue Wirklichkeit, ein Bruch mit der katholischen Interpretation der Welt. Die Städte wurden durch sie berühmt, zu Symbolen von Freiheit und Eigenständigkeit, und die "heilige Lehre" der Kirche bröckelte langsam. Vor allem die Wiederentdeckung der aristotelischen Lehren gefährdete die "Königin der Künste", die Theologie: Es war der Aufbruch in die Moderne.

Ein neuer "Atlas des Mittelalters" gibt einen kurzen Überblick über alle Themen dieser Epoche: Wo lagen die Machtzentren? Wo wurden die wichtigsten Schlachten geschlagen? Wie mühsam, wie häufig und auf welchen Wegen reisten Troubadoure, Pilger und Händler? Welche Klöster gründeten die Zisterzienser? Natürlich ist das Buch reich bebildert, mit Ansichten und Schätzen, Gemälden und reichen Illustrationen. Aber das schönste an diesem Buch ist, dass nicht nur aufgezählt wird. Das Wort "Atlas" wird wörtlich genommen: Zu jedem Kapitel gibt es mindestens eine Karte, auf der man die Streuung der Universitäten in Europa genau vor Augen hat, die Dichte der Klöster von Taruca (Portugal) bis Oliva (Polen), von S. Spirito (Sizilien) bis Kinloss (Schottland), so dass man die Reisewege mit dem Finger nachfahren kann und viele neue Orte entdeckt, von denen man noch nie gehört hat. Gerade an der Peripherie kann man sich das damalige Leben als sehr spannend vorstellen, in Nidaros oder Cádiz, Kasan oder Schwäbisch Hall, wo 1248 auch Waldenser lebten, eine der vielen Sekten des Mittelalters. Mit diesem Bild-Text-Band entsteht endlich einmal ein richtiges Bild.

G. P.


Titelbild

Inos Biffi: Atlas des Mittelalters.
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2007.
280 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-13: 9783806221022

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