Vom Glück - Friedhelm Rathjens "Prosa 1983-1989"

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bevor Friedhelm Rathjen sich vor rund zwanzig Jahren weitgehend darauf konzentrierte, über die Texte anderer Autoren zu schreiben, hat er selbst literarische Texte geschrieben. Einige davon erschienen in Literaturzeitschriften und Anthologien oder wurden als Kurzhörspiele gesendet. Die meisten aber blieben ungedruckt und wurden dem einen Leser oder der anderen Leserin privat vorgelegt. Manche der so Beglückten vergalten das immerhin mit freundlichen Worten; Hans Wollschläger meinte nach Lektüre eines der Texte: "Ihren WART habe ich mit ausschweifender Phantasie gelesen: ein schönes, hintersinniges Stück Prosa." Der Band "Vom Glück" präsentiert nun erstmals öffentlich eine größere Auswahl jener Arbeiten.

Worum geht es? Vielleicht um das, was gleich zu Beginn der Text "Sand" beschreibt: "Hier in dem Buch steht etwas vom Wind, der feinen Sand durch die Gassen bläst. Der Blick aus dem Fenster will sich vergewissern. Es ist wahr, ein frischer Wind geht. Und doch sind da keine Gassen, in die er Sand treiben könnte. Gefasst kehrt der Blick zurück zum Buch, liest sie erneut, die letzte Zeile der letzten Seite."

Bevor die letzte Zeile erreicht ist, gehen letzte Sicherheiten verloren. "Du ahnst nichts oder das Falsche", heißt es in "Starre"; in Indizien fragt sich das redende Ich: "Der Regen. Leise und gleichmäßig. Gibt es einen Grund für ihn?" Gründe gibt es wenige; Böden werden unter Füßen weggezogen, etwa in "Winternachts": "Wer spricht? Ich verliere Zusammenhänge, die es nie gegeben hat. Jemand spricht zu dir, du wirst es nicht hören können, wirst nur etwas lesen. Ich schreibe nicht, ich spreche nur und warte, daß jemand das Gesprochene niederschreibt. Er wird es getan haben, wenn du es liest. Wer spricht?"

Worüber herrscht dann in diesen Texten überhaupt Gewissheit? Über Kleinigkeiten vielleicht. Geradezu selbstgewiss fängt "Zettel" an: "An meinem Fuß fand ich einen kleinen Zettel, am linken, zwischen der großen Zehe und der nächsten. Ich vermag weniges, aber mit den Unregelmäßigkeiten meines Körpers weiß ich trefflich umzugehen, erstaunlich. Trotzdem konnte ich nicht viel anfangen mit dem Zettel, genauer gesagt gar nichts. Drei, vier kurze Zeilen standen drauf, schlechte Handschrift, untrüglich die meine. Unverständlichen Inhalts. Was man doch alles so treibt im Laufe des Lebens, ohne hinterher davon zu wissen. Den Zettel warf ich fort, wozu viele Umstände, er stank unerträglich nach altem Käse, ab ins Klo damit, zu dem Anderen." Was aber dieses Andere ist, das ist keineswegs ausgemacht.

F. R.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter / innen der Zeitschrift sowie Angehörigen der Universität Marburg. Deren Publikationen können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.


Titelbild

Friedhelm Rathjen: Vom Glück. Vom Glück. Prosa 1983-1989.
Edition ReJOYCE, Scheeßel 2007.
128 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-13: 9783000220852

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