Punk in der DDR
Ein Ausstellungskatalog und eine Materialsammlung über eine ignorierte Kultur
Von Thomas Neumann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseVor zwei Jahren ist die erste Auflage des vorliegenden Katalogs anlässlich einer Ausstellung unter dem Titel "too much future" (2005) in Berlin erschienen. Wollte man ein Exemplar, war es nur noch schwer zu bekommen. Daher war eine Neuauflage durchaus sinnvoll. In der vorliegenden zweiten Auflage haben sich die Herausgeber die Mühe einer Überarbeitung gemacht und den Katalog um einiges Material ergänzt. Aktueller Anlass war das Gastspiel der Ausstellung in Dresden, wo man das Berliner Konzept übertragen und an die regionalen Verhältnisse anpassen konnte - unter anderem durch Einbezug der Lokalgeschichte regionaler Ausformungen des Punks in Dresden und Umland. Hinzu kommen weitere Äußerungen der Punkbewegung der 1980er-Jahre, etwa in Weimar oder Erfurt. Das heterogene Material zu einem gängigen Konzept zusammenzustellen war eine schwierige Aufgabe.
Der Band ist wie ein Typoscript gestaltet, meistens links der deutsche, rechts der englische Text. Hinzu kommen umfangreiche Abbildungen, die in Kombination mit den flugblattähnlichen Texten versuchen, einen Eindruck von der Spontaneität, Kreativität und den Schwierigkeiten zu vermittelt, die die Punkszene in der DDR geprägt haben. Das typografisch anspruchsvolle Layout darf als gelungen bezeichnet werden. Inhaltlich wird die Beziehung zwischen Punk und Kirche eher aus den Augen verloren, die Staatssicherheit spielt dafür auf fast jeder Seite eine Rolle. Sehr erfreulich für die weitere Beschäftigung mit der Thematik ist ein sich am Ende des Bands befindendes Register, das einen eindrucksvollen Überblick über die Szene gibt, inklusive der Besetzung der jeweiligen "Musikkapelle".
Zu der Ausstellung "too much future" gibt es außerdem eine DVD und eine Webseite. Dort findet man weiterführende Hinweise, aktuelle Daten zur Ausstellung und weitergehende Literaturhinweise. Zusammen mit der DVD und den einschlägigen Zeitschriften - etwa das OX - kann sich der Leser auch aus historischer Perspektive über das kulturelle Phänomen von "Punk in der DDR" informieren. Dass es sich hierbei um ein wesentliches, kreatives und kulturgeschichtlich relevantes Zeugnis im Kontext eines totalitären Regimes handelt, wird bei der Lektüre des Buchs deutlich. Damit wird der mit seinen Interviews und persönlichen Zeugnissen gefüllte Band unversehens zu einem Lesebuch, das den Einstieg in die Problematik des Themas kurzweilig gestaltet. Eine gut gemachte Publikation in einer ansprechenden Verpackung - und daher ebenso sehr zu empfehlen.