Engel, die verzaubern und Raben, die sich schminken

Zwei neue Bücher von Helga Bansch

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eines Morgens wacht der Junge namens Montag auf, und in seinem Zimmer fliegt ein Engelchen umher. Als sie sich die Hand reichen, wird es größer, und zusammen fliegen sie durch die Stadt. Engelchen ermöglicht Montag die Erfüllung von Wünschen, rettet Montag und zusammen tun sie Gutes. Wieder zuhause, essen sie zusammen einen Schokoladenkuchen und schlafen zusammen ein. Als Montag wieder erwacht, ist Engelchen weg, nur eine Feder von ihren Flügeln liegt noch neben ihm im Bett. Draußen hat es geschneit. Er hört Engelchens Stimme: "Engel hinterlassen Spuren und Menschen auch", und meint, sie in einem Auto davonfahren zu sehen. Er malt einen Engel in den Schnee und kehrt "froh ins warme Haus zurück."

Helga Bansch kombiniert für die Illustrationen wieder sehr schön verschiedene Materialien. Manche Flächen der gemalten Bilder sind collagenartig eingepasst. Die Bettdecke ist hellbraunes Papier, Montags Teppich ist ein Stück ausgefranster Stoff, die Engelsflügel sind echte Federn, die - dank eines hervorragenden Druckverfahrens - aussehen wie auf die Buchseiten aufgeklebt. Durch die Kanten sowie durch die Dreidimensionalität der Materialien wird die Räumlichkeit der Illustrationen gefördert.

Erfreulicherweise ist Antonie Schneiders Geschichte eine Geschichte sowohl ohne klassischen Clou wie ohne typischen Plot. Man weiß nicht so richtig, wo sie hinführt, welchen Bogen sie beschreibt, was ihre Aussage ist. Sie lässt viel Raum und hinterlässt einen Eindruck in dem Zauber, den sie selbst fein gestäubt hat.

Konkreter ist die Geschichte vom schrägen Vogel. In der Welt der Raben gibt es einen, Robert, der anders ist. Er fiel schon immer auf, durch ausgefallene Ideen, durch Schabernack, vor allem aber durch seine extravagante, bunte und schrille Kleidung. Robert verletzt Gender- und Arten-Grenzen, seine Auftritte mag aber keiner der anderen Raben. Er tut, was er tut und ist, wie er ist. Er hat nicht die Absicht, bei seinen Menschen anzuecken und ist gänzlich unbekümmert ob der Ablehnung, mit der man ihm begegnet. Er lebt zufrieden, bis er weggeschickt wird. Er muss wegziehen und gelangt in eine unbekannte Gegend. Traurig singt er für sich alleine - und zieht damit allerlei bunte Vögel in mannigfaltigen Farben und Formen an, die seine Auftritte lieben.

Während Robert ein neues Zuhause findet, wird es den Raben langweilig. Als ein neuer schräger Vogel auftaucht, finden sie nach und nach Gefallen an ihm. Nicht nur akzeptieren und schätzen die Raben nun einzelne schräge Vogel, immer mehr von ihnen werden selbst einer, so dass Robert wieder zu Besuch kommen kann.

Bansch wirbt also für Akzeptanz für Individualisten und Andersartige und führt vor Augen, dass das, was als ,Normalität' gilt, von der Mehrheit bestimmt wird und deswegen relativ ist. Dies ist nicht nur gut, weil Kindern die Grundlagen eines erträglichen sozialen Lebens immer wieder beigebracht werden müssen, sondern dies ist gerade gut für kleine Kinder, die unter der Wucht des Realitätsprinzips zu schrecklichen kleinlichen Konformisten werden können. Mit solch einem Buch kann man dem etwas entgegensetzen und sie von dem Druck entlasten, den sie weitergeben. Nebenbei ist es ein kleines Lehrstück in Dialektik: sind alle Individualisten, ist es keiner mehr.


Titelbild

Helga Bansch: Ein schräger Vogel.
Beltz Verlagsgruppe, Weinheim 2007.
32 Seiten, 12,50 EUR.
ISBN-13: 9783407793560

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Helga Bansch / Antonie Schneider: Montags Engelchen.
Berlin Verlag, Berlin 2007.
32 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783827052551

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