Mit einem Punk on tour

Wegbeschreibungen des Flaneurs und Musikers Peter Hein

Von Stefan FüllemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Füllemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was macht ein Musiker in einer fremden Stadt vor seinem Auftritt? Im Tourbus abhängen, die Einrichtung des Hotelzimmers demolieren, sich den Groupies am Fenster zeigen oder auf der Playstation Spiele zocken?

Nichts von alledem tut Peter Hein, eine der zentralen Figuren der deutschen Punkbewegung der späten 70er-Jahre und bekannt geworden als Sänger und Texter der Bands Mittagspause, Fehlfarben und Family 5.

Er nutzt die freie Zeit, die ihm unbekannte Umgebung flanierend zu entdecken. Zu Fuß durchstreift er Metropolen wie Hamburg, Berlin und München aber auch kleinere Städte wie Augsburg, Tuttlingen oder Wetzlar. Dabei erlebt er Alltägliches, aber auch Außergewöhnliches.

Auffällig ist die unterschwellige Distanz Heins zu einem Großteil der von ihm besuchten Städte. Negatives wird eher in den Vordergrund gestellt als Positives. Ein Leben in Hamburg kann er sich nicht vorstellen. "Aber hier leben? Nein, danke! Nie verstanden, wie man hierhin übersiedeln kann, sich aus dem kollektiven Gedächtnis selber löschen. Sogar an schönen Tagen ist hier die Vergänglichkeit allgegenwärtig." Magdeburg entpuppt sich als "verschissenes Volldeppen-Scheißnazidrecksnest." Berlin handelt er auf einer Seite ab und schweigt sich über den Rest mit des "Sängers Höflichkeit" aus. Im Fall von München lässt er immerhin erkennen, dass seine Einschätzung, dass die Stadt "Dreck" sei, eine falsche war.

Wodurch diese latent negative Einstellung gegenüber den Städten resultiert, darüber wird der Leser oft im Unklaren gelassen. Vielleicht mag es daran liegen, dass Peter Hein auch als Sänger und Texter immer ein Freund klarer Worte war und Sozialkritik in gewissem Umfang ein Bestandteil seiner Liedtexte ist. Ursache hin, Ursache her, die negative Grundhaltung fällt unangenehm auf. Und dort, wo sie berechtigt ist - wie im Falle Magdeburgs - mündet sie in einem vulgären Wutausbruch.

Bei seinen Streifzügen stößt Peter Hein auch auf aktuelle gesellschaftspolitische und soziale Probleme, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit und Hartz IV. "Im resopalbeschichteten Ambiente, einer Bahnhofskneipe alten Zuschnitts nicht unähnlich, bietet sich ein köstliches Tableau. Bejogginganzugte Hartzer, frühverblühte Pluskassiererinnen, ein vom abrückenden Besatzer hinterlassener, mopsfideler Billy Mo, sie alle diskutieren ausgiebig frühverrentende Krankheiten, Weltreisen, Unterhaltungselektronik und Steuersparmodelle. Daneben bewacht stumm die Theke der diensthabende Schnapsvernichter. Durch Belauschen und wohlwollendes Beäugen dieser quasi heiligen Familie wieder erquickt, kann die Wanderung somit fortgesetzt werden."

Auf der einen Seite ist es die Sprache der Straße, auf der anderen die geschliffene Rhetorik eines Gebildeten. Manchmal witzig, manchmal poetisch und manchmal auch wütend beschreibt Peter Hein seine Erlebnisse beim Streifzug durch die urbanen Lande. Damit ist sein erstes Buch eine lesenswerte und kurzweilige Lektüre für alle, denen die Nörgeleien nicht zu sehr auf den Geist gehen. Die anderen werden von dem Buch nicht ganz so begeistert sein.


Titelbild

Peter Hein: Geht so. Wegbeschreibungen.
Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2007.
125 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783940357038

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