Fantasien schweben vorbei

Die Produktion von Märchenhaftigkeit in zwei Kinderbüchern

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man sieht ein Haus. Wir zoomen heran, ein kleiner Vogel sitzt im Fenster des Hauses. Im Haus sitzt ein Junge an einem Tisch, es ist der kleine König. Er wartet auf etwas, aber man weiß nicht, worauf. Er will das Haus verlassen, wird an der Tür aber vom kleinen Stuhl zurückgerufen, der den kleinen König auf ein Buch aufmerksam macht, das auf dem Tisch liegt. Das Buch ist leicht aufgeklappt und hat das gleiche Format wie die leicht geöffnete Tür eine Seite zuvor und ist gleich positioniert. Ein Buch ist eine Tür zu einer anderen Welt?

Man sieht: es wird nicht leicht. Auch der Text erklärt nichts, er ist Teil der Produktion eines modernen Märchens. Der kleine König öffnet das Buch, und in ihm findet er den kleinen Vogel vom Anfang. Mit ihm geht er auf eine Reise. Nun lesen wir ein Buch im Buch; die leicht aufgefächerten Seiten des Buchs im Buch sind am Rande aufgemalt. Zusammen mit einem Mädchen, das er auf seiner Reise getroffen hat, betreten König und Vogel schließlich das Haus vom Anfang, und damit verlassen sie das Buch im Buch. Ein Ei, das sie auf der Reise vom Osterhasen geschenkt bekommen hatten, nehmen sie mit heraus. Der kleine Vogel schaut noch zwischen den Seiten hervor in die Realität hinein, das Buch wird geschlossen, schnell schlüpft das Mädchen wieder zwischen die Seiten. Man sieht nun: es ist das Buch "Kleiner König, wer bist du?".

Die Kinderbücher des Aufbau-Verlags sind immer sehr schön gestaltet. Edel sogar ist der in Leinen eingefasste Rücken. Der Verdacht, dass diese Gediegenheit jedoch vor allem Erwachsene mit einem Faible für Kinderbücher anspricht, die sich gerne hin und wieder auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben, wird durch Geschichten wie diese, deren Erfolg bei Kindern fraglich ist, noch genährt.

Enthält "Kleiner König, wer bist du?" noch eine - wie auch immer verschachtelte und vielleicht zu enträtselnde - Geschichte, gelingt es hier noch, tatsächlich ein Märchen zu initiieren, so ist "Eine Wolke in meinem Bett" leider nur noch verstiegen, so wird hier nur noch Gestimmtheit produziert, die gerne viel von "Poesie" spricht und sich gerne "verzaubert" findet. Zwei Kinder treffen sich an einem Spielbaum. Das eine sagt einen Satz, der mit "Heute..." beginnt, das andere fragt nach und bekommt eine absurde Antwort. "Heute lag eine Wolke in meinem Bett. - Was hast Du gemacht? - Mich dazugelegt." und so fort. Die wie immer sehr schönen Illustrationen Isabel Pins (siehe literaturkritik.de 03/2007) versuchen, das Beste draus zu machen.

Am Ende sitzen die beiden Kinder auf ihrem Baum, rings um sie herum die Umrisse der Tiere, die in ihren kleinen Geschichten vorkamen. Die Gedanken, die Wünsche, die Fantasien als anwesend, wenn auch von anderer Materialität als die Realität, als durchsichtige Gestalten zu zeichnen, dieser gute Einfall Pins, der zeigt, wovon die Welt manchmal noch bevölkert ist, der kommt auch beim kleinen König zum Einsatz.


Titelbild

Antonie Schneider: Kleiner König, wer bist du?
Mit Illustrationen von Isabel Pin.
Aufbau Verlag, Berlin 2004.
32 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-10: 3351040601

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Titelbild

Isabel Pin / Heinz Janisch: Eine Wolke in meinem Bett.
Aufbau Verlag, Berlin 2007.
32 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783351040789

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