Handreichung zur Rückkehr der Religionen

Der "Verlag der Weltreligionen" stellt sein Eröffnungsprogramm vor

Von Josef BordatRSS-Newsfeed neuer Artikel von Josef Bordat

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als ob es noch eines Nachweises der überragenden Bedeutung einer theologischen, philosophischen und soziologischen Auseinandersetzung mit der (neuen) Religiosität bedurft hätte, begründet der Insel-Verlag Frankfurt den "Verlag der Weltreligionen" für die "Edition der grundlegenden Schriften der Religionen der Welt und als Publikationsforum für die Darstellung und Diskussion religiöser Phänomene und Entwicklungen in Geschichte und Gegenwart" - ein ebenso notwendiges wie ambitioniertes Projekt.

Zur Eröffnung legt der Verlag einen Almanach auf, der neben einer Vorstellung des aktuellen Verlagsprogramms ("Das erste Programm: Editionen, Einführungen, Essays" umfasst 17 Titel, von neu übersetzten Quellen über neu herausgegebene "Klassiker" wie Émile Durkheims "Elementare Formen des religiösen Lebens" bis zu neuen Abhandlungen von Peter Sloterdijk und Ulrich Beck) sowie einigen Aufsätzen mit Darstellungen zu einzelnen Religionen und zum Kultur- und Gesellschaftsphänomen Religion (Beck: "Weltreligionen, Weltkonflikte") vor allem einleitendes Informations- und Quellenmaterial aus den heiligen Schriften unterschiedlicher Religionsgemeinschaften bietet.

Hier zeigt sich, dass der Begriff "Weltreligion" weiter gefasst wird als üblich, denn neben den drei abrahamitischen Monotheismen Judentum, Christentum und Islam sowie den beiden fernöstlichen Religionen Hinduismus und Buddhismus haben hier auch die Werke vieler wenig bekannter religiöser und spiritueller Gemeinschaften Platz.

Die Auszüge im Almanach geben dem Leser eine leise Ahnung vom reichen Schatz religiöser und spiritueller Traditionen, dem Parsismus, Jainismus, Daoismus, Sikhismus und vielen anderen Richtungen. Die Texte dieser Religionen werden nun "in bisher nicht gekanntem Umfang in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht", "in zuverlässigen neuen Übersetzungseditionen", die "eine genaue Lektüre erlauben und ein tieferes Verständnis ermöglichen". Das ist ein wichtiges Vorhaben, denn "erst die Kenntnis der Schriften ermöglicht die angemessene Beurteilung religionsgeschichtlicher Entwicklung in Vergangenheit und Gegenwart und bietet Schutz vor allzu einfachen Pauschalantworten", die leider häufig den Diskurs beherrschen und damit den Dialog behindern.

Ohne Zweifel: Der Verlag und sein Programm passen in die Zeit. Denn damit werden nicht nur philologisch interessante Neueditionen möglich, die sonst einem Kreis von Fachleuten vorbehalten blieben, sondern dem notwendigen interreligiösen Dialog wird der Boden bereitet, sind doch Kenntnisse, gerade auch im Detail, wichtig für das Verständnis religiöser Menschen, ihrer Lebensform und ihrer Gefühlswelt. Dieses Verständnis ist Voraussetzung für jede einzelne Begegnung und das Miteinander in einer pluralistischen Gesellschaft, die sich als offen versteht, die aber zum Zerreißen gespannt ist zwischen den Polen eines aggressiven Atheismus, der manchmal Züge einer Ersatzreligion annimmt, einer Spiritualitätsindustrie mit grotesk verzerrten Vorstellungen von Religiosität, die in der Befriedigung der Sehnsucht des Menschen (besser: "Kunden") nach Transzendenz ihren Auftrag (besser: "Geschäftsbereich") sieht und fundamentalistischen Institutionen einer gewissen Art von politischer Theologie, bei der Religion als Grundlage zur Rechtfertigung einer vormodernen Parallelwelt missbraucht wird. Wo Weltreligionen Weltkonflikte heraufbeschwören, gehört es zu den Aufgaben lokal und regional Verantwortlicher, vor Ort den Dialog zu suchen und kompetent zu führen. Dabei dürfte künftig des öfteren vor- und nachbereitend auf Literatur aus dem "Verlag der Weltreligionen" zurückgegriffen werden.

Der namhafte Beirat bürgt für die Qualität dieses überfälligen Publikationsvorhabens (neben dem Soziologen Beck sind insbesondere Theologen wie der Neutestamentler Klaus Berger und Religionswissenschaftler/innen mit ausgewiesener Expertise für einzelne Religionen Mitglieder dieses Gremiums). Die zahlreichen Autoren, Herausgeber, Übersetzer und Mitarbeiter, die im Anhang aufgelistet sind, versprechen als Fachleute mit einschlägiger Publikationserfahrung, dass die Titel auch im wissenschaftlichen Bereich mit Gewinn genutzt werden können. Beeindruckend ist schließlich das umfangreiche Verzeichnis der "Editionen in Vorbereitung", insbesondere zur arabischen und asiatischen Tradition, aber auch zur Mystik (Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhart).

Kurz: Der "Verlag der Weltreligionen" hat Großes vor. Der Almanach zur Eröffnung stimmt dabei hoffnungsfroh.


Titelbild

Die Religionen der Welt. Ein Almanach zur Eröffnung des Verlags der Weltreligionen.
Verlag der Weltreligionen, Frankfurt a. M. 2007.
415 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783458720003

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