Pilgerschaft und Lebensreise

Drago Jancars historischer Roman führt in die Zeit des Siebenjährigen Kriegs

Von Daniel HenselerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Henseler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Wege dreier Figuren kreuzen sich in diesem Roman aus der Zeit des Siebenjährigen Kriegs (1756-63). Katharina ist die Tochter des slowenischen Gutsverwalters Poljanec. Mehr aus einer unbestimmten Sehnsucht heraus, aber wohl auch aus Langeweile schließt sie sich einer Gruppe von Pilgern an, die in "Kelmorajn" (Köln am Rhein) den Schrein mit den Gebeinen der Heiligen drei Könige aufsuchen wollen. In Mitteleuropa herrscht Krieg, der Aberglauben ist weit verbreitet, in Slowenien treiben seltsame Teufel ihr Unwesen.

Windisch ist ein Offizier der Österreichischen Armee, der eine Zeitlang auf dem slowenischen Gut einquartiert ist. Wie ein Pfau stolziert er über den Hofplatz und weckt Katharinas Interesse, wobei ihre Gefühle durchaus widersprüchlich bleiben. Windischs Einheit kreuzt auf ihrem Weg an die Front später Katharinas Pilgerzug; auf verhängnisvolle Weise tritt er erneut in Katharinas Leben ein.

Die dritte Gestalt des Romans ist ein ehemaliger Jesuit mit slowenischen Wurzeln. In Paraguay hatte Simon beim Aufbau eines Jesuitenstaates tatkräftig mitgewirkt. Als aber der Papst aus Gründen des politischen Machtausgleichs in Südamerika das "Experiment" stoppen ließ und die Jesuitenkolonie nicht mehr gegen die vorrückenden Brasilianer schützen wollte, begann Simon an der göttlichen Vorsehung - besonders aber an der Unfehlbarkeit der Ordensführung - zu zweifeln. Er kehrte daraufhin in seine Heimat zurück, wandte sich vom Orden ab und fand sich bald darauf im Pilgerzug nach Köln wieder. Simon bleibt ein Suchender, und in dieser Verfassung begegnet er schließlich Katharina.

Schicksalhaft verweben sich im Roman die Geschichten der drei Menschen. Die Pilgerschaft und das Unterwegssein werden zu einer Reise zu sich selbst, aber auch zum anderen. Katharina, die zunächst eher - wenn auch kaum bewusst - das erotische Abenteuer und die Liebe sucht, wird auf der Pilgerfahrt durch eine Reihe von Begegnungen und "Prüfungen" zu einer reiferen Frau. Nach der herrschenden religiösen Moral jener Zeit mag man sie zwar verurteilen, aber letztendlich bewahrt sie in einem tieferen und menschlichen Sinn ihre Reinheit. Simon hingegen, der nach wie vor mit Gott hadert, findet schließlich so etwas wie Ruhe. Bei alldem fällt Windisch - vielleicht die tragischste Gestalt von den dreien - bisweilen die Rolle eines Katalysators zu.

Was vermag Religion, was ist der Sinn und der Zweck des Glaubens? Das scheint eine Leitfrage des Romans zu sein, die unterschwellig das Geschehen mitbestimmt. Es wird dabei beileibe kein einseitiges Bild gezeichnet. Aber dem Laibacher Bischof in seinem Palast mit seinen kleinen Alltagssorgen, dem nach heutigen Maßstäben fragwürdigen Projekt der Jesuiten in Südamerika und dem düsteren Aberglauben der slowenischen Landbevölkerung wird letztendlich doch eine innere Religiosität positiv gegenüber gestellt. Bisweilen erweist sich der "offizielle" Glaube nur noch als ein starres System von Regeln, das in bestimmten Momenten des Lebens versagt. Manchmal bedeutet Religion auch bloß den Glauben an die Autorität der Vorgesetzten.

Der Roman zeigt, wie die Nähe zum Glauben mitunter eine Ferne von Gott beinhaltet. Katharina und Simon übertreten die Regeln der Religion mehrfach, und doch wird man als Leser die beiden nicht verdammen. Man wird im Gegenteil Zeuge dessen, wie sich die beiden einen inneren Glauben erkämpfen, der auf Überzeugungen gründet, um die gerungen werden muss.

Weder die Suche nach dem Glauben, noch das Motiv des Reisens und der Selbstfindung sind besonders neu. Hier scheint auch nicht der Anspruch des Romans zu liegen. Drago Jancar verbindet diese Themen jedoch auf intelligente Weise, er handelt sie an drei Figuren zugleich ab und zeigt damit eindrücklich, was diese Mischung im Innern des Menschen auslösen kann. Und über all dies zeichnet Jancar schließlich ein farbiges (und europäisches) Epochengemälde jener Zeit.

Zu bedauern ist übrigens, dass dieser Roman beim deutschsprachigen Feuilleton kaum auf Resonanz gestoßen ist. Dabei ist Drago Jancar (geboren 1948) gewiss kein Unbekannter; es dürfte in den letzten Jahren auch zu uns vorgedrungen sein, dass wir es hier mit einem herausragenden slowenischen Schriftsteller zu tun haben. Man kann wohl nicht ganz zu Unrecht unterstellen, dass zeitgenössische Literatur aus Südosteuropa hierzulande nur selten auf Aufmerksamkeit hoffen darf.


Titelbild

Drago Jancar: Katharina, der Pfau und der Jesuit. Roman.
Übersetzt aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof.
Folio Verlag, Wien 2007.
472 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783852563749

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