Speakeasy Society

John O'Hara porträtiert die amerikanische hangover-generation

Von Lars ClaßenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lars Claßen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1931. Die Leiche eines Mädchens wird an den Strand von Long Island gespült. Die Umstände, die zu seinem Tod führten, sind und bleiben unbekannt. Wochenlang schmückt der Fall die Titelseiten der New Yorker Nachrichtenblätter. Engagierte Reporter liefern im Schlagzeilentakt immer tiefere Einblicke in das Lotterleben der verstorbenen Starr Faithfull. Die Reizwörter Missbrauch, Eifersucht und Exzess setzen sich in den Köpfen fest. So auch im Kopf des Autors John O'Hara, der in der Folge fleißig in den Tagebucheinträgen der Toten stöbert und aus den Ereignissen vor ihrem unschönen Ableben den Stoff für seinen zweiten Roman gewinnt. Dieser liegt nun bei C. H. Beck in der Neuübersetzung von Klaus Modick vor.

Es ist die Welt der amerikanischen hangover-society zur Zeit der Wirtschaftskrise, in die O'Hara uns in "BUtterfield 8" hineinzieht, und deren Panorama er gleichzeitig aus feinen Ausschnitten - wenn auch nicht ganz so überzeugend wie in seinem Debütroman - collagenartig zusammensetzt.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Ms. Faithfulls literarisches Abbild Gloria Wandrous (man beachte die ironische Namensgebung), die sich im zarten Alter von 20 Jahren bereits gekonnt durch die speakeasies der Upper Eastside säuft, raucht und hurt. Während ihrer Eskapaden kommen ihr zwei Männer näher als ihre sonstigen Liebhaber: Zunächst der Cartoonist Eddie Brunner, der als einziger die Chance, eine Nacht mit Gloria zu verbringen, ausschlägt. Was anfangs jedoch eine gewisse Romantik suggerieren mag, verliert sich später in selbsttrügerischem Liebesgeplänkel, das jeder Relevanz entbehrt. Ihm gegenüber steht der verheiratete Weston Liggett, Yale-Absolvent und Manager einer Werkzeugfabrik, in dessen Wohnung die Erzählung beginnt. Er wird zugleich der letzte sein, der Gloria lebend zu Gesicht bekommt. Ihr Wunsch nach Besserung wird zu spät kommen.

Neben den bereits aus "Begegnung in Samarra" bekannten Abfälligkeiten über den "Oberschichtkäse, die Schickeria" ist es nicht zuletzt O'Haras provokant-freizügliche Darstellung von Sexualität, aufgrund welcher das enfant terrible bei einigen seiner Zeitgenossen in Missgunst geriet. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb verkauften sich die ersten 15.000 Exemplare in gerade mal zwei Tagen, insgesamt folgten über 30 weitere Auflagen.

Eine Kleinigkeit sei zum Schluss jedoch bemängelt: So stellt sich bei der Lektüre die Frage, weshalb O'Hara - der ansonsten über eine ausgezeichnete Erzählökonomie verfügt - einigen Randfiguren derart viel Platz einräumt. Diese Schwäche ist jedoch schnell vergessen. Vom satirischen Ton O'Haras geradezu berauscht, lauschen wir weiter dem unerhörten Revolutionsgeflüster der Bigotten und Frivolen. Zu brillant ist die Dialogführung, die dieses Porträt des Großen im Kleinen so lebensecht gestaltet und die Unsicherheit der Betäubten in spürbare Nähe bringt.


Titelbild

John O´Hara: BUtterfield 8. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Modick.
Verlag C.H.Beck, München 2008.
322 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783406570339

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