"Ach, was waren das für Zeiten …"

Rainer Langhans und Christa Ritters Bilderbuch der Kommune I

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf dem Titel ist natürlich die schöne Uschi Obermaier abgebildet, die dem schönen Rainer Langhans in die Augen schaut. Ein verschwommenes Foto, möglicherweise aus dem Stern-Shooting, das das Ende der Kommune I beschleunigte und zur überhasteten Flucht des Traumpaars des Spontaneismus aus dem Berliner Norden ins schöne München führte. Langhans, mittlerweile heftig ergraut, lebt dort bis heute, unter anderem mit seiner Mitherausgeberin Christa Ritter, mit der er - neben anderen - ein "soziales Experiment" namens "Harem" durchführt (als Kommune I auf Level 3? Und wer ist der Versuchsleiter?). Das wissen wir, denn periodisch taucht der Kommune-Rentner Langhans mit diesem "sozialen Experiment" in den Medien wieder auf.

Die Kommune I (samt ihren Mitgliedern) war von Anfang an ein sich schnell professionalisierender Partner des Medienbetriebs, und Fotos spielen dabei eine zentrale Rolle (natürlich neben den Aktionen, neben den berühmt-berüchtigten Flugblättern und den Buchproduktionen). Hatten die Flugblätter (die ja mehrheitlich in die Frühzeit der Kommune bis zum Sommer 1967 gehören) und die Aktionen vor allem die Aufgabe, die Öffentlichkeit zu provozieren und die selbstgefällige bundesdeutsche Wohlstandsgesellschaft vorzuführen, der es endlich so gut ging, dass sie sich auch ein paar Krisen leisten konnte, so sind es die Fotos, die aus den vergänglichen Aktivitäten eine Geschichte machen. Die Kommune I wird zum Medienevent, ihre Mitglieder werden zu Popstars, was bereits im Sommer 1967 dazu führt, dass sie aus dem engeren politischen Umfeld der Studentenbewegung ausscheren. Der Tod Benno Ohnesorgs und die Notwendigkeit, sich gegen die Attacken der Berliner Justiz zu wehren, haben - neben dem sozialrevolutionären Experiment der Kommuneerfahrung - die Aufmerksamkeit der Kommune I absorbiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie jedoch den größeren Teil ihrer Geschichte noch vor sich: Gegründet im Januar, Februar 1967 bestand die Kommune I bis zum November 1969. Und der Medienhype, der nicht zuletzt mit der Liaison zwischen Langhans und Obermaier seinen finalen Schub hatte, begann erst Ende 1968, als Obermaier nach Berlin zog. Es würde dann schließlich auch ein Foto-Shooting für den Stern sein, das der Kommune I den finalen Stoß gab.

Die Geschichte der Kommune I in Fotos? Das ist der Band wohl nicht, obwohl er sie alle zeigt: Natürlich Rainer Langhans, Dieter Kunzelmann, Fritz Teufel, Uschi Obermaier (die ein eigenes kleines Kapitel erhält: Uschi vor Einsatzpolizisten, Uschi dreht einen Joint, Uschi und Langhans eng umschlungen, Uschi im Bett im verträumten gelben Kunstlicht und so weiter). Auch Rudi Dutschke (dem Gretchen angeblich die Kommune verboten hat) und Andreas Baader tauchen auf, der zumindest einmal auf einer Kommune I-Aktion mitgetanzt hat.

Wir dürfen dabei zusehen, wie Günter Grass die Kommune I aus Uwe Johnsons Wohnung wirft. Es gibt Fotos vom berühmten Kommunen-Tisch (der wohl heute Konferenztisch der TAZ ist), das Pudding-Humphrey-Attentat wird fürs Fernsehen nachgestellt, die Wohnung am Stuttgarter Platz (das Haus sieht immer noch so aus) wird gezeigt, Kommune-Szenen folgen, die Kommunarden nackt von hinten (ein Foto, mit dem die "Gesammelten Werke gegen uns" geschmückt wurden), die Kommune spielt Fußball, Aktionen und Aktivitäten: die Löbe-Aktion, die Versuche, die Verfahren gegen KI-Mitglieder ad absurdum zu führen (was aus heutiger Sicht kaum noch nötig war). Weiterhin sieht man sie beim Platten auflegen (angeblich im damaligen Germanistikgebäude in der Boltzmannstraße), Fritz Teufel mit Eltern, Fotos aus der Spätzeit mit Amon Düül und Frank Zappa (ja, all die jugendlichen Helden in ihrer wilden Zeit). Hinzu kommen wenige Flugblätter (schade, das wäre eine Möglichkeit gewesen, sie alle zu versammeln), Auszüge aus den Publikationen der Kommune I ("Quellen zur Kommuneforschung", 1967, "Klau mich", der Bestseller zur Buchmesse 1968) und ein paar witzige Gimmicks aus dem Umfeld (etwa Michael Mathias Prechtls "Die Polizei prügelt die Jünger des Sokrates" mit Langhans und Teufel als Jünger oder das wunderbare Studentenbewegungs-Abendmahl aus "Pardon"). Man kann dabei zusehen, wie aus den etwas aufsässigen Jungbürgern binnen weniger Jahre jene informellen und provokanten Gestalten werden, die nicht mehr die Studentenbewegung repräsentieren, sondern den Formenwandel der bundesdeutschen Gesellschaft am Ende der 1960er-Jahre. Befreiung von den Zwängen der Gesellschaft, Entformalisierung, Selbststilisierung als Selbstbefreiung, bewusstseinserweiternde Drogen, freie Liebe, offene Paarbeziehungen, Popmusik als Katalysator - all das zeigt dieses Bilderbuch, und es zeigt die Kommune I als einen der wichtigen Motoren in dieser Entwicklung. Das ist interessant und vielleicht sogar aufschlussreich, gerade in den neokonventionellen Zeiten, die mehr die negativen Auswirkungen dieses gesellschaftlichen Paradigmenwechsels vor Augen hat als die positiven (die freilich selbstverständlich genutzt werden).

Man mag daran herummäkeln (eigentlich muss man sogar), dass sich dabei die ganze Geschichte der Kommune I als Märchenerzählung präsentiert. Erzählt wird von längst vergangenen Zeiten, als sie alle jung und schön waren, das Leben aufregend und alles auf Anfang stand. Da es derzeit anscheinend derzeit vor allem darum geht, klarzustellen, wer der eigentliche Erbe von '68 ist, darf auch das sein, quasi als Beitrag vor allem von Rainer Langhans (seine Autobiografie hat er gleichzeitig herausgebracht). Trotzdem - und trotz der hilfreichen Zeittafel am Schluss des Bandes und der Kommentare, die zu Lasten Langhans gehen - ein bisschen mehr Information und diese noch präziser wäre hilfreich gewesen. So bleibt am Ende ein Kommunemärchenbilderbuch, und ein versonnenes: "Ach, was waren das für Zeiten..." (Ton Steine Scherben).


Titelbild

Christa Ritter / Rainer Langhans: K1. Das Bilderbuch der Kommune.
Blumenbar Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
192 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-13: 9783936738391

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