Privatisierung in Kriegszeiten

Jeremy Scahill über den Krieg der Söldnerfirmen

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das erste Mal, das der mediale Fokus sich auf Blackwater richtete, war am 16. September 2007, "Bagdads blutigem Sonntag". Ein Konvoi des amerikanischen Außenministeriums, der von der Firma Blackwater bewacht wurde, fuhr beim Nisour-Platz im Viertel Mansour auf der falschen Straßenseite. Die irakische Polizei, die bemüht war, den Verkehr zu stoppen und die Straße für den Konvoi freizuhalten, konnte nicht verhindern, dass ein irakischer Wagen auf den Platz fuhr, dessen Fahrer die Situation falsch eingeschätzt hatte. Aus Angst in eine Falle geraten zu sein, eröffneten die zum Schutz abgestellten Blackwater-Mitarbeiter unverzüglich das Feuer und erschossen neben dem Fahrer des Wagens 16 Zivilisten. Mindestens 24 weitere wurden verwundet.

Mit der Darstellung dieser Geschehnisse beginnt Jeremy Scahills Buch. Die Brisanz dieses Zwischenfalls sorgte nicht nur in der irakischen Bevölkerung für Wut und Empörung. Als sich herausstellte, dass die Beteiligten einem privaten Sicherheitsunternehmen unterstellt sind, war das Problem der Söldnerarmeen vom einen auf den anderen Tag in aller Munde. Genauso schnell, wie sich die Berichterstattung auf das Ereignis stürzte, wurden die Hintergründe beleuchtet: zu oberflächlich und unzureichend.

Scahills Buch möchte Abhilfe schaffen. Bereits der Untertitel "Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt" verweist auf die Intention des Autors, die Entstehung und das stetige Heranwachsen Blackwaters zu beschreiben und zu erklären. Scahill schildert die Biografie von Erik Prince, dem Gründer von Blackwater, und gibt nähere Beschreibungen zu dessen familiärem Hintergrund. Die kleineren Anfänge Blackwaters wurden in den Ausführungen ebenso sorgfältig recherchiert wie der steile Aufstieg, der zum größten Teil durch die Anschläge vom 11. September verursacht wurde. Das amerikanische Militär sah sich durch die darauffolgenden Kriege an den Rand der Leistungsfähigkeit gedrängt. Die entstandenen Engpässe wurden von privaten Sicherheitsunternehmen aufgefangen. Schritt für Schritt konnte Blackwater expandieren. Erhielt es im Sommer 2003 einen 27 Millionen teuren Vertrag bezüglich des Schutzes von Botschafter Paul Bremer, so konnte die Firma in der darauffolgenden Zeit allein vom Außenministerium den Wert ihrer Verträge auf 700 Millionen Dollar steigern. Wirtschaftlich geht es ihm wie den anderen Privatunternehmen gut. Dies wird in gewissem Grad auch an die Mitarbeiter weitergegeben, deren Löhne um ein Vielfaches die der amerikanischen Soldaten übertreffen. Schätzungen zufolge sind momentan rund 30.000 Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen im Irak stationiert, die sich vor allem aus ehemaligen Soldaten rekrutieren. Für sie gelten besondere Spielregeln: So wurde ihnen von der US-Regierung beispielsweise Straffreiheit zugesichert.

Scahills Buch beschreibt die Probleme und Gefahren, die in der privatisierten Kriegsführung liegen. Doch geht das Buch leider nicht viel darüber hinaus. Die Bedrohung des staatlichen Gewaltmonopols und damit der Demokratie wurden zwar erkannt, aber wirkliche Schlüsse werden nicht gezogen. Der Autor übt viel Kritik an der US-Regierung. Teilweise ist sie berechtigt, aber teilweise führen die polemischen Ausführungen ins Leere. In seiner ablehnenden Haltung benutzt der Autor dieses Problem, um wiederholt die amerikanische Außenpolitik zu kritisieren. Wirkliche Überlegungen dazu, einen Ausweg aus dieser Entwicklung zu finden, sind dagegen nicht zu lesen. Stattdessen breitet sich eine - für das Buch eigentlich untypische - Resignation aus. Leser, die eine objektiv-wissenschaftliche Abhandlung über dieses Thema suchen, sollten jedenfalls aufgrund der vorherrschenden Polemisierung sorgsam die Fakten heraussuchen, um sich anschließend eine eigene Meinung bilden zu können. Zwar versucht der Autor an vielen Stellen nur die recherchierten Tatsachen sprechen zu lassen, oftmals fällt dies aber wieder seinem polarisierenden Schreibstil zum Opfer. Einen ersten Denkanstoß über diese fragwürdige, gleichzeitig wenig beachtete Entwicklung bildet das Buch allemal. Allein aufgrund der Tatsache, dass es wenige Veröffentlichungen zu diesem Thema gibt, ist eine Lektüre dennoch zu empfehlen.


Titelbild

Jeremy Scahill: Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt.
Übersetzt aus dem Englsichen von Rita Seuss und Bernhard Jendricke.
Verlag Antje Kunstmann, München 2008.
351 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783888975127

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