Der Krieg der Sinnesorgane

Davide Cali erzählt ein kleines Lehrstück über Intoleranz

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Volk der Roten Ohren lebt zufrieden in seinem Land, bis es eines Tages das Volk der Roten Nasen entdeckt. Weil dieses anders aussieht, scheint eine Freundschaft unmöglich, und deswegen beginnen die Roten Ohren einen Krieg gegen die Roten Nasen. Der Krieg dauert an. Die Kinder der Völker werden angestachelt, einander zu hassen, treffen sich aber heimlich zum Spielen. Ein Mädchen der Roten Nasen und ein Junge der Roten Ohren verlieben sich ineinander, laufen weg und bekommen ein Kind.

So stellt man sich das vor: Rassismus und Krieg haben ihre Wurzeln in 'Intoleranz'. Die einen wollen einfach nicht in Frieden leben, und weil die einen sich von den anderen unterscheiden, scheint es ja auch plausibel zu sein, sich voneinander abzugrenzen. Natürlich muss man politische Inhalte für Kinder vereinfachen. Aber können Kinder etwas besser verstehen, nachdem man es dermaßen auf den Alltagsverstand gebracht hat, so dass die Gründe für das Handeln vollends irrational geworden sind? Zur Einfachheit der Aussage komplementär sind die Illustrationen: flächig und zweidimensional, mit einem eingeschränkten Farbenspektrum, dessen Töne vielleicht nicht jedermanns Sache sind.

Nicht nur soll Kindern mit diesem Buch ein Lehrstück in Sachen Toleranz mit auf den Weg gegeben werden, es wird ihnen - wie üblich - die Aufgabe zugewiesen, die entstandenen Probleme auch noch wieder zu richten. Dem zugrunde liegt der naive Glaube, dass Kinder die besseren Menschen seien - dabei sind gerade sie erschreckend konventionell bis reaktionär und neigen zu einem rigiden Identitätsdenken. Identität muss man erst mal ausbilden, und dies geschieht unter gegenwärtigen Bedingungen mit Angst; dann aber muss man lernen, wieder aus sich herausgehen zu können. Es passt zu diesem Weltbild, dass die Frauen angesichts des gemischten Nachwuchses als erste einlenken und die Männer dazu bewegen, den Krieg einzustellen, denn nach den Kindern gelten natürlich Frauen als die zweitbesten Menschen. Kinderbücher mit sozialem Engagement sollten auch mal über ihren eigenen Sexismus - und sei er auch nett gemeint - reflektieren.

Von nun an vermischen sich die beiden Völker. Und obwohl sie nun doch auf Grund ihrer eigenen Geschichte um die Relativität, Heterogenität und Künstlichkeit von volklicher Identität wissen sollten, zeigen sie, als sie ein Volk mit grünen Haaren entdecken, zornig auf diese wie einst die Roten Ohren auf die Roten Nasen, bevor jene sich gegenseitig mit Krieg überzogen. Wie es weitergeht, das erfährt man nicht, aber die Geschichte droht sich zu wiederholen. Offenheit ist eine Aufgabe.


Titelbild

Davide Cali: Die Geschichte der Roten Nasen und der Roten Ohren.
Illustriert von Aurélie Guillerey.
Übersetzt aus dem Italienischen von Simone Atteneder.
Carl Ueberreuter Verlag, Wien 2007.
32 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783219112931

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