Tod eines Auftragskillers

Arimasa Osawa lässt ganz groß abrechnen

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Spätestens seit "Kill Bill" sind Yakuza auch einem breiteren Publikum als Schwerter schwingende Killermaschinen bekannt, die stets in Horden auftauchen, angreifen und vom Helden des jeweiligen Films entsprechend massenweise niedergemacht werden. Da wird viel gebrüllt, Gliedmaßen werden abgehackt, Köpfe gespalten, Blut verspritzt, und am Ende liegen eine Menge Leute herum. (Das gabs auch schon vor "Kill Bill", aber Tarantino schauen sich auch die Kulturleute an, während Japan-Yakuza-Splatter sonst nicht deren Fall ist). Mischt man das mit lauten, bunten Städten, in denen sich Japaner, Festland- und Taiwan-Chinesen gegenseitig auf die Füße treten, dazu ein bisschen Nachtclub-Kultur, Geishas hier, Animiermädchen dort, dann wird ein hübsches, krimitaugliches Milieu daraus, in das uns nun auch Arimasa Osawa entführen darf.

Die Welt des organisierten Verbrechens hat ihre eigenen Gesetze und Regeln, auch und gerade im Krimi. Hier herrschen klare Hierarchien und die ehrwürdigen Ehrenkodexe haben noch immer ihre Gültigkeit (selbst wenn auch hier die haltlose Moderne ihren Einzug hält und junge, unbeherrschte Yakuza schnell zu Macht und Geld kommen wollen und dabei die alten Regeln außer Kraft setzen). Wenn man so will, ist das der Rückzugsraum der guten alten Welt: Wer einen Fehler macht, bezahlt dafür, mal mit einem Finger, mal mit seinem Leben. Treue und Ehre gelten noch. Wer sich einmal diesem Leben und seiner Familie verschrieben hat, wird sein Leben lang daran festhalten. Alles andere wäre Selbstmord.

So auch bei Osawa. Oberkommissar Samejima, so eine Art Kurt Wallander von Tokyo, mischt die Unterwelt beinahe nach Belieben auf. Das macht ihn zwar weder bei den Kollegen noch bei den Kriminellen besonders beliebt, aber seine Vorgesetzten wissen, was sie an ihm haben: unprätentiös und unbestechlich, ein Einzelgänger, dem nur Recht und Gesetz am Herzen liegen, und der trotzdem gelernt hat, dass jemand, der seine Haare grell färbt, nicht unbedingt ein Drogenabhängiger sein muss: kann sein, dass er einfach nur Spaß daran hat. Welch ein Erkenntnisgewinn und welche Weisheit, die uns hier entgegenströmt.

Samejima nun stößt bei seinen diversen Aktivitäten auf einen merkwürdigen Taiwanesen, der sich als Kollege von drüben entpuppt und der hinter einem "Giftaffe" genannten Profikiller her ist, der einen seiner Auftraggeber ums Eck bringen will. Der hat den Giftaffen nämlich gerade an die Gang verraten, auf die er ihn angesetzt hat, und die Jungs, deren Zahl schon ziemlich dezimiert ist, haben nicht Besseres zu tun, als die Putzfrau des Killers mit Drogen vollzupumpen, mehrfach zu vergewaltigen, zu foltern und schließlich endgültig zu entsorgen. Nachdem "Duyuan" die Gang endlich völlig beseitigt hat, macht er sich auf die Suche nach seinem Auftraggeber, und in diese Gemengelage gerät Samejina. Ein erfahrener Killer auf dem Rachezug? Ein taiwanesischer Unterweltkönig, der sich bei den japanischen Freunden und Kollegen versteckt? Das kann nur zu einem furchtbaren Blutbad führen, eine Eskalation von Gewalt, bei der oben genannte Schwerter schwingende Yakuza-Horden aufeinander stoßen. Natürlich sind Schwerter auch unter japanischen Unterweltlern mittlerweile etwas aus der Mode gekommen: Pistolen sind einfach effektiver. Aber Blutbad ist Blutbad. Und Samejima will es einfach verhindern.

Dabei hilft ihm sein taiwanesischer Kollege, der seit Jahren auf der Spur des Profikillers ist (ein ehemaliger Kamerad in einer Spezialeinheit, na bitte). Beide ziehen durch Tokyo, während auf einer anderen Seite des Dreiecks sich die Yakuza auf der Flucht oder Jagd befinden und auf der dritten der Giftaffe seine Züge ausführt. Osawa bildet so eine immer komplexer und immer blutiger werdende soziale Spirale, deren Kreise immer enger werden, um am Ende in einem großen Showdown zu enden.

Wie sich früh andeutet, gerät Osawas Killer jedoch nach und nach zu einer einigermaßen freundlichen Figur. Zwar bringt er in Ninja-Manier jeden ums Leben, der ihm auf seiner Verfolgungsjagd im Weg steht. Aber er beginnt seine Karriere in diesem Roman in einer Nachtbar, wo er - klar, inkognito - als Kellner arbeitet und von seinem Chef gequält wird. Mit der notwendigen Gegenwehr fängt alles an, eine Kollegin gibt ihm Unterschlupf, die Jagd auf den untreuen taiwanesischen Mafia-Chef kann beginnen. Und sie wird nicht enden, bevor am Ende all jene tot sind, die tot sein müssen. Dass dabei der taiwanesische Kollege sein Leben für Osawa opfert, ist schade. Aber wenigstens sind schließlich alle Bösen auch dahin verfrachtet, wo sie ihre Sünden büßen können. Was wohl einige Ewigkeiten dauern wird.

Das Ganze ist eine schnell erzählte, mit einigen Erklärungen ergänzte Geschichte, die rasant auf ihren Showdown zusteuert, der von Beginn an unvermeidlich ist. Das kann man mögen, auch hat die Hauptfigur, Hauptkommissar Samejima, noch eine längere Karriere vor Augen, hat Osawa doch bislang neun Krimis um den Tokyoter Hauptkommissar herum gebaut, und dieser, der "Hai von Shinjuku", ist erst der zweite Band. Kein Anlass also, sich um den Lesestoff der kommenden Jahre Sorgen zu machen.


Titelbild

Arimasa Osawa: Der Hai von Shinjuku. Rache auf chinesisch.
Übersetzt aus dem Japanischen von Katja Busson.
Cass Verlag, Löhne 2008.
321 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783980902236

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