Positive Ausstrahlung
Luise F. Puschs Glossen sind immer eine Lektüre wert
Von Rolf Löchel
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer Bundesadler ist in Wirklichkeit eine Adlerin. Was, das wussten Sie nicht? Na, dann lesen Sie mal die Glossen von Luise F. Pusch. Da werden Sie noch manch andere Überraschung erleben. Es ist zwar nur ein schmales Bändchen, aber das hat es in sich. Es, das sind annähernd fünfzig von Puschs Glossen aus den letzten zehn Jahren. Die Autorin hat sie unter Stichworte wie Beruf, Familie, Liebe, Geld, Merkel, Mode oder Musik rubriziert. Entsprechend weitgefächert ist ihr Themenspektrum. Sie handeln von vergesslichen Urenkeln, fahrenden Mordinstrumenten, Tieren mit Rechts- und Linksdrall, von Ollen, die nicht stören, oder von der positiven Ausstrahlung der "Kulturzeit"-Moderatorin Andrea Meier.
Geistreich, scharfsinnig, sprachgewandt und natürlich stets feministisch setzt Pusch ihr Anliegen, "Denkgewohnheiten zu irritieren", Glosse für Glosse in die Tat um. Schon der Titel des Bandes "Die Eier des Staatsoberhaupts" macht eingefahrene Denkschemata und Assoziationsketten bewusst. Darüber, was mit ihm wirklich gemeint ist, klärt die gleichnamige Glosse auf. Sicher nicht das, woran Sie denken. Kaum einmal, dass Puschs feministischer Scharfblick einen blinden Fleck aufweist. Das unterläuft der bekennenden Nicht-Führschein-Inhaberin höchstens mal im Schilderwald des Straßenverkehrs. "Schon vor Jahrzehnten wurde in Deutschland das Fußgänger-Schild durch ein Fußgängerinnen-Schild ersetzt" freut sie sich. "Es zeigt neben dem Kind nicht mehr einen fragwürdigen 'guten Onkel', sondern eine Frau".
Dass damit zugleich die Geschlechterrolle zementiert wird, der zufolge die Frau für das Kind zuständig ist, scheint ihr im Eifer der Freude entgangen zu sein, und das, obwohl sie selbst bemerkt, dass es sich um "das einzige deutsche Verkehrsschild" handelt, "auf dem eine Frau zu sehen ist".
Dass sie in jedem einzelnen Punkt ungeteilte Zustimmung erfährt, wird Pusch sich vermutlich selbst kaum wünschen. Denn wo bliebe dann das Selberdenken? Und tatsächlich ist es nicht möglich, in allem mit ihr d'accord zu sein, so etwa wenn es um den Begriff Gender oder die Geschwister Nietzsche geht. Doch auch dann bleiben die Glossen stets anregend und dazu angetan, die von ihrer Autorin erhofften Debatten anzuregen. Dabei sind gelegentlich selbst schon die aufgeworfenen Fragen augenöffnend: "Warum gibt es eigentlich keine Ärztinhelfer?" Außerdem macht es einfach auch Spaß, die Glossen zu lesen. Und wenn nicht immer ganz deutlich wird, ob etwas nun (selbst-)ironisch oder vollkommen ernst gemeint ist, so können diese Zweifel nur produktiv sein.
Es gibt zahlreiche Gründe, das Büchlein zu kaufen. Zu zahlreich, um sie hier alle nennen zu können. Daher nur einige der wichtigsten: Es kann mit einigen neuen, oft gleichermaßen innovativen wie lustigen Bezeichnungen aufwarten. Etwa für die Leute an der Staatsspitze je nach Geschlechtszugehörigkeit "Kanzle" und "Kanzlerich"; es stellt stets kluge und gelegentlich sogar so umstürzlerische Forderungen auf, wie die, das "Haus- und Nutztier Hausfrau wieder aus[zu]wildern und dafür den Mann [zu] domestizieren"; es stellt fünf Thesen über "Herrkömmliche und feministische Dissidenz" zur Diskussion; es erteilt Nachhilfe für den Geschichtsunterricht, in dem etwa zu erfahren ist, dass amerikanische Feministinnen anno 1840 zu einer Antisklaverei-Konferenz nach London reisten, nur um dort sofort wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen zu werden. Und es hat sogar den einen oder anderen handfesten Tipp parat: "Eine kräftige Dosis Hedwig Dohm hilft immer". Genau so ist es! Und oft auch schon ein Schlückchen Luise F. Pusch.
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