Nichts Großstädtisches
Eine von Katharina Bendixen herausgegebene Anthologie versammelt gescheiterte und gelungene Geschichten junger Autoren
Von Hans Peter Roentgen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAnthologien haben es schwer. Sie bieten neuen Autoren die erste Bühne, aber niemand will sie lesen. Schade, aber auch verständlich, denn die Qualität der versammelten Texte variiert meist sehr. Man sollte solche Bücher aber zur Kenntnis nehmen. Schließlich ist es lobenswert, dass neue Autoren vorgestellt werden und noch mehr ist es lebensnotwendig für die Autoren, für die Literatur und deshalb auch für die Leser.
Vieles liest sich allerdings zäh. Oft spürt man den Willen, "literarisch" schreiben zu wollen und die Folgen sind immer desaströs: Gewollte Bilder, überbordende Metaphern und leider immer noch häufig die gekonnte Vermeidung, eine Geschichte zu erzählen. Das Vorwort dieses Bändchens spricht es sogar explizit an: Demnach "wehren sich andere Texte heftig gegen das Erzählen und kreisen um sich selbst, um ihre Helden, um das Wort."
Die Folgen überraschen auch hier nicht. Einige der Geschichten grenzen an Körperverletzung. Nichts erzählen zu wollen, geht auch in dieser Anthologie schief - und man fragt sich, warum jemand, der nichts erzählen will, es dann nicht einfach bleiben lässt und eben keinen Text schreibt? Doch der Versuch wird immer wieder gemacht und misslingt erwartungsgemäß.
Auch Erzählungen in der zweiten Person werden immer wieder versucht und scheitern meistens. Katharina Schwanbeck gelingt es jedoch mit "Der Krebs in den Köpfen" und das ist einer der Texte, der dann wieder versöhnt. Ebenso Emma Braslavsky mit der Geschichte "Kein Sex, kein Marx", die sich liest, als habe sich Franz Kafka mit der Harry-Potter-Autorin zusammengetan, um einen draufzumachen. Handwerklich ist auch dieser Text nicht perfekt, vieles ließe sich bemäkeln, aber man verzeiht der Autorin alles, weil sie so eine absurde Geschichte entwirft.
"Pimp my Paris" von Gregor Guth ist ein Kurzporträt von Paris, bedrückend, unüblich, packend. Carola Grubers eindrückliche Hommage an Lion Feuchtwanger fällt ebenso auf wie Marie T. Martins Erzählung über eine Frau, die sich in fremden Wohnungen häuslich einrichtet.
Die Texte sind nach Begriffen geordnet wie "Begegnen", "Innehalten" oder "Kreisen". "Moderne Autoren leben in Großstädten, moderne Geschichten spielen in Großstädten", erläutert die Herausgeberin Katharina Bendixen im Vorwort. Weder das eine noch das andere ist nachvollziehbar. Spezifisch Großstädtisches findet man in diesem Band jedenfalls nicht.
"Gemeinsam ist allen Geschichten ein Gefühl des Abwartens, das dem Lebensgefühl einer jungen Generation entspricht, die sich nicht in Gewohnheiten einrichten darf, sondern sich immer auf dem Sprung nach etwas neuem befinden muss", verrät uns die Herausgeberin weiter. Hoffen wir, dass sie sich nicht in der Gewohnheit des Abwartens einrichtet und auf den Sprung wartet, den sie nie macht.
Dafür ist der Titel ihrer Anthologie genial. "Quietschblanke Tage" entschädigt für manches.
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