Schön und gut und klar und wahr

Robert Gernhardts "Gesammelte Gedichte 1954-2006"

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mehr als 40 Bücher veröffentlichte der 2006 verstorbene Dichter und Zeichner Robert Gernhardt zu Lebzeiten, einige davon zusammen mit seinen Kollegen von der "Neuen Frankfurter Schule". Posthum erschienen der Gedichtband "Später Spagat" (2006) und die Erzählungen "Denken wir uns" (2007) (siehe literaturkritik.de 7/2007). In den letzten Bänden trat die Komik etwas in den Hintergrund, um zunehmend ernsten Tönen Platz zu machen, Gernhardt verarbeitete seinen zuletzt vergeblichen Kampf gegen den Krebs in Gedichtform: "Undenkbar, daß solch einem / blitzklugen Mann / noch irgendein Tod / etwas anhaben kann" hieß es zuerst noch hoffnungsvoll in "Die K-Gedichte", um dann ein trauriges Resumee zu ziehen: "War einst viel Glück. / Ist jetzt viel Not. / Bist jetzt viel schwach. / Wirst bald viel tot".

Bekannt war Gernhardt aber als Fachmann für literarische Hochkomik und sicherer Stilist. Seine Gedichtbände, etwa "Körper in Cafés", "Reim und Zeit" oder "Im Glück und anderswo" vereinen Humor virtuos mit einer ungewöhnlichen stilistischen Bandbreite. Im Ton von Wilhelm Busch schrieb er über das so genannte "Busen-Attentat" auf Theodor W. Adorno "Eben strebt in sanfter Ruh / Adorno seinem Hörsaal zu / Und mit Buch und Lesungsheften / Zu gewohnten Denkgeschäften / Lenkt er freudig seine Schritte / In der jungen Menschen Mitte", um zu schließen: "Fest steht nur: 's kann auch der größte / Denker nicht in Frieden leben, / Wenn Mädchen ihre Hemden heben." Aus zwei Gedichtzeilen von Joseph von Eichendorff machte er flugs mit ein paar Gernhardt-Zeilen ein "Classic Sandwich", seine "Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs" entpuppen sich trotz rüder Worte als formvollendetes Sonett. Unvergessen ist auch seine beißende Kritik an der "BILD"-Kultur, die forderte, der deutsche Dichter solle reimen und die flugs sein eigens geschriebenes Gedicht unbedarft abdruckte: "Was immer deutsche Dichter schreim, / davon stürzt das Gedicht nicht ein. / Lieb Vaterland magst ruhig bleim - / fest steht und treu die Wacht am Reim."

Das Œuvre Gernhardts in komprimierter Form findet sich nun in dem Buch "Gesammelte Gedichte 1954-2006", das der S. Fischer Verlag nachgeliefert hat, nachdem 2005 bereits ein Band mit allen bis dato erschienenen Gedichten erschienen war, der die längst vergriffene Sammlung bei Zweitausendeins ersetzte. Auch "Später Spagat" ist bereits enthalten, und so hat der geneigte Leser die Gelegenheit, für einen kleinen Preis das gesamte lyrische Werk in einem ansprechenden Band zu erwerben und so einen großen Dichter in all seiner Varietät zu erleben.


Titelbild

Robert Gernhardt: Gesammelte Gedichte 1954-2006.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
1154 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783100255112

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch