Die "Hermannsschlacht" als Gründungstext einer deutschen "Volksgemeinschaft"? - Zur NS-Rezeption Heinrich von Kleists
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseIm Jahre 2009 wird es ein Jubiläum geben, dessen Kommentatoren man geschichtspolitisch genauer unter die Lupe nehmen sollte: 2.000 Jahre ist dann die so genannte Varus-Schlacht her, bei der die Germanen ihre römischen Besatzer im Teutoburger Wald vernichtend schlugen. Es dürfte erhellend sein, wer so alles im kommenden Jahr darüber schreiben wird - beziehungsweise was und mit welchem Impetus. Ist die Varus-Schlacht doch ein Mythos, der bereits in ideologischen Zusammenhängen instrumentalisiert wurde, die eher weniger feiernswerte Erinnerungen aufkommen lassen. Zur kritischen Vorbereitung auf zu befürchtende publizistische Unsäglichkeiten im Jahr 2009 empfiehlt es sich also, bereits jetzt mit der wappnenden Lektüre zu beginnen.
Da bietet sich etwa Niels Werbers bereits im "Kleist Jahrbuch 2006" erschienener Beitrag über "Kleists 'Sendung des Dritten Reichs'. Zur Rezeption von Heinrich von Kleists 'Hermannsschlacht' im Nationalsozialismus" an. Er ruft in Erinnerung, dass Kleists dramatische Adaptierung des germanischen Schlachten-Mythos von den Nationalsozialisten geradezu begeistert aufgegriffen wurde, und zwar als "Gründungstext eines geopolitisch verstandenen Reichs eines biopolitisch definierten Volks, dessen soziale Ordnung auf dem Schema Führung und Gefolgschaft basiert." Kein Wunder - geht Kleist doch am Ende seines Stücks sogar so weit, den Verteidigungscharakter des Partisanenkriegskonzepts aufzulösen und in die Forderung eines "Eroberungs- und Vernichtungskriegs" gegen Rom münden zu lassen, wie Werber interpretiert.
Die Folgen solcher militärischer Denkmodelle, die Kleist preußischen Befreiungskriegskonzepten gegen Napoleon entnahm, waren in ihrer nationalsozialistischen Ausdeutung im 20. Jahrhundert verheerend. Vielleicht erinnert sich 2009 doch auch noch der eine oder andere daran - und bezieht diese Rezeptionsgeschichte des historischen 'Jubiläumsereignisses' in die 'Feierlichkeiten' mit ein.
J.S.