Ein Leben - auf mehrere Länder verteilt

"Roter Regen" - zum 75. Geburtstag des Schriftstellers Cees Nooteboom

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Zeiten des zusammenwachsenden Europas gewinnt das Werk des niederländischen Schriftstellers Cees Nooteboom noch mehr an Bedeutung. Der bekennende Kosmopolit mit Wohnsitzen in Amsterdam (nahe dem Zentralbahnhof) und auf Menorca (dort spielt sein schmaler Roman "Der Ritter ist gestorben") räumt zwar ein, dass es schwierig sei, "sein Leben auf mehrere Länder und damit auch auf mehrere Sprachen zu verteilen", doch künstlerisch ist ihm dies hervorragend gelungen. Für Nooteboom mischen sich beim Reisen und Erkunden fremder Schauplätze und Kulturen Passion und Profession.

In Deutschland erfreut sich Cees Nooteboom, der vor 75 Jahren am 31. Juli in Den Haag geboren wurde, ausgesprochen großer Beliebtheit. Vor rund 15 Jahren setzte - wohl nicht zuletzt ausgelöst durch Marcel Reich-Ranickis lobenden Stoßseufzer ("Dass die Niederländer so einen Schriftsteller haben.") - ein wahrer Nooteboom-Boom ein. In den Niederlanden hingegen steht man dem Autor äußerst distanziert gegenüber. Sein renommierter Schriftstellerkollege Harry Mulisch befand gar, dass er nur in Deutschland etwas gelte und in den Niederlanden mit seinen deutschen Verkaufszahlen geworben würde. Was so nicht stimmt, denn auch in den USA stoßen Nootebooms Werke auf ein durchweg positives Echo. Die "New York Times" stellte ihn beispielsweise auf eine Stufe mit Vladimir Nabokov und Italo Calvino.

Dass Nooteboom in seiner Heimat auf eine vergleichsweise geringe Resonanz stößt, liegt vermutlich darin begründet, dass der Autor am allerwenigsten ein typisch niederländischer Schriftsteller ist und durch seine schon in jungen Jahren ausgeprägte Reiselust eher als literarischer Kosmopolit gilt. Schon im Teenager-Alter trampte er nach Belgien. Was dann folgte, war eine unendliche Reise - bis in die entlegensten Winkel aller Kontinente.

Trotz seiner großen internationalen Erfolge leidet Nooteboom an der weitgehenden Ignoranz seiner Landsleute: "Ich bin und bleibe ein niederländischer Schriftsteller, der auch im eigenen Sprachraum gewürdigt werden will."

Dabei dürfen die niederländischen Leser für sich in Anspruch nehmen, dem Romancier Nooteboom (zumindest indirekt) in den literarischen Sattel geholfen zu haben. Viele Jahre lebte der Autor von seinen exzellenten Reiseberichten und betrieb die literarische Arbeit nur nebenher. Der Redakteur einer Zeitschrift, der Nooteboom immer wieder zu neuen Reisen animierte und die daraus entstandenen Artikel gut honorierte, dürfte aus heutiger Sicht großen Anteil an der "Geburt" des großen Romanciers haben, der durch seine Reiseberichte die notwendige finanzielle Unabhängigkeit erlangte.

Jene ausgedehnten Reisen inspirierten schon seinen ersten Roman "Philip en de anderen" (1955; deutsch: "Das Paradies ist nebenan", 1958); der mit dem Anne-Frank-Preis (1957) ausgezeichnet und in den Schulkanon aufgenommen wurde. "Während jener Reise erlebte ich eine erste Konfrontation mit dem anderen, eine Konfrontation, die ich für den Rest meines Lebens unaufhörlich weiter suchen sollte. Auf dieser Reise muss sie begonnen haben, die Sucht, die mich nie mehr loslassen sollte", schreibt Nooteboom in seinem jüngsten Buch "Roter Regen" (wie alle übrigen Werke bei Suhrkamp erschienen). Erinnerungen mit märchenhaftem Anstrich ("Irgendwann, aber jedenfalls schon vor langer Zeit.") und ausdrucksstarke Reiseskizzen (er erzählt anschaulich vom roten Regen, der auf Menorca fällt) stehen in diesem poetischen Band nebeneinander.

Etwas melancholisch klingt es, wenn Nooteboom über eine Begebenheit berichtet, die sich vor einigen Monaten ereignete: "Ich bin jetzt 74. Das erste Mal, als mir das schlagartig bewusst wurde, war der Moment, als ein attraktives Mädchen vor mir in der Straßenbahn aufstand. Ich verstand nicht, was sie wollte und als ich es verstanden hatte, setzte ich mich, um ihr den Gefallen zu tun, aber glücklich war ich nicht."

Dennoch steckt der Verfasser der bedeutenden Romane "Allerseelen", "Rituale" "Der Ritter ist gestorben" und "Paradies verloren" noch voller Tatendrang: "Ich muss nach Menorca und ein Buch mit Kurzgeschichten zu Ende schreiben."


Titelbild

Cees Nooteboom: Roter Regen. Roman.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
239 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783518419267

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