Zukunft wird aus Trends gemacht

Der Praxis-Guide "Zukunft machen" aus dem Kelkheimer Zukunftsinstitut soll helfen, das wirtschaftliche Potenzial der Mega-Trends zu bergen

Von Laslo ScholtzeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Laslo Scholtze

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Matthias Horx ist der Gründer des Kelkheimer Zukunftsinstituts und gilt als einer der renommiertesten Trend- und Zukunftsforscher in Deutschland. Seine Denkfabrik im Taunus will "Wissen für die Wirtschaft von morgen" bereitstellen. Zukunftsforschung lässt sich als Meta-Marktforschung charakterisieren, die sozio-kulturelle Tiefenströmungen auf ihr Potenzial zur Veränderung von Gesellschaft und Märkten abhorcht. Die Arbeit der Zukunftsforscher besteht im Prognostizieren zukünftiger Entwicklungen, basierend auf Analysen der Gegenwart. Die Autoren selbst beschreiben diese Arbeit als "Informationsverdichtung", wie sie auch zum Handwerk von Journalisten gehört.

Die Zukunft sieht alt aus in Europa. Noch vor nicht allzu langer Zeit traten die Medien das Thema "gesellschaftliche Vergreisung" breit - nicht selten als Schreckgespenst, das vom Niedergang kündet. Dabei werden wir, so Horx, in Wirklichkeit immer jünger! 2040 wird ein 40jähiger durchschnittlich 50 Jahre, also den Großteil seines Lebens, noch zu leben haben. Zudem kann er sich in einer insgesamt "gealterten" Gesellschaft logischerweise länger den Jungen zurechnen - aus persönlicher Sicht ein klarer Zugewinn von Jugend. Soweit der überraschende Befund, der soziografische Verschiebungen nahe legt: "Das wachsende Heer der Wissensarbeiter wird nicht von heute auf morgen aus dem Erwerbsleben verschwinden. Und wenn doch, so werden sie sich aktiv betätigen - sei es im Ehrenamt, als freie Berater oder als Power-Seller bei Ebay." Entsprechend wird die Kaufkraft der über 50jährigen zulegen und ihr Konsumverhalten zum Anstoß für Innovationen. Gefragt sind hier nicht die "Senioren-Versionen" von Produkten, sondern eher alterunabhängiges Design und einfache Nutzung, wie sie etwa der bei Alt und Jung erfolgreiche Porsche Cayenne vereint: komfortabel und dynamisch.

Mit Ableitungen dieser Art führt das Workbook aus dem Zukunftsinstitut vor, wie sich die Witterung von Trendfährten aufnehmen und weitere Schlussfolgerungen ziehen lassen: Schließlich werden die "Neuen Alten" auch beim Wohnen, Reisen und Shoppen ihre Vorlieben geltend machen. Gleiches gilt für den seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch befindlichen weiblichen Teil der Menschheit: Auch die "Neuen Frauen" sind ein Mega-Trend, so die Autoren, der zukünftig für eine Veränderung der Welt nach weiblichen Bedürfnissen, ja eine "Feminisierung der Kultur" sorgen wird.

"Zukunft machen" soll Unternehmern und an innovativen Prozessen Beteiligte in die Lage versetzen, Geschäftsmodelle und Produkte auf Zukunftschancen hin zu überprüfen und eine strategische Neu-Positionierung anzukurbeln. Tipps, Checklisten und Best-Practice Beispiele von "Nespresso" über Mikrokredite bis "audible.com" zeigen, wie Trendwissen für Business-Innovationen handhabbar wird. Auf einer beiliegenden CD-ROM sind alle Abbildungen sowie weitere Grafiken für den Einsatz bei Präsentationen versammelt.

Gleichzeitig soll der für Menschen mit straffem Terminkalender konzipierte und daher textlich erfreulich knappe Band auch einen grundlegenden Einblick in die Zukunftsforschung und ihre Methoden geben. Das sollte man nicht (nur) als Eigenwerbung verstehen, sondern als notwendigen und interessanten Bestandteil, um in der Fülle der Business- und Managementratgeber den spezifischen Ansatz der Trendforschung zu verdeutlichen. So kommt man dem näher, was Horx als Ziel seiner Arbeit versteht: "Trendforschung kann nicht von oben herab verordnen, wie eine Innovation auszusehen oder eine Strategie zu verlaufen hat." Horx und sein Team bieten vielmehr einen Perspektivenwechsel an, ein Umdenken darüber, was Innovationen notwendig macht, was sie beeinflusst und unter welchen Bedingungen sie erfolgreich sind.

"Das System und seinen Wandel verstehen - und dann die richtigen operativen Schlüsse ziehen, darum geht es. Nicht darum, das zu propagieren, was alle machen." Dabei ist durchaus eine gewisse Dialektik angezeigt: Der Trend zum Fast-Food birgt bereits seine Gegenreaktion in sich, den Bio-Trend. "Und nach dem Bio-Trend?", fragt der zukunftsinfizierte Leser und versucht sich selbst eine Antwort zu geben: Vielleicht die Synthese im McBio oder in Healthy-Snack-Bars, die 100 Prozent Bio schnell und unkompliziert auf den Teller oder in die Mitnehmtüte bringen? Und wirbt nicht bereits der Thai-Imbiss nebenan auf seiner Stelltafel mit der Beteuerung "Ohne Glutamat"?

Aber es geht den Autoren nicht um verwegene Spekulationen, sondern um das, was sich aus der Gegenwart heraus begründet und als wahrscheinliche Entwicklung abzeichnet. Dabei kann das Alltagsverständnis des Begriffs "Trend" leicht in die Irre führen. Denn Trends sind nicht in erster Linie neu, originell oder überraschend - sie sind wirksam und deshalb auch relevant.

Zukunftsforscher scheinen sich per se auf einer Gratwanderung zu befinden. Einerseits benötigen ihre Thesen ausreichend Prägnanz und, wie die Autoren schreiben, Erschütterungspotenzial, um ein Neu- und Umdenken anzustoßen. Andererseits ist es ihre Aufgabe, die Zukunftsschau nachvollziehbar mit den gegenwärtigen Märkten und deren Mechanismen zu verbinden. Sie müssen also Denkmuster aufbrechen, ohne die Vorstellungskraft zu überfordern, und das Bestehende umdeuten, ohne konkrete Anwendungen aus den Augen zu verlieren.

Dies gelingt den Autoren durchgängig gut und macht ihren Praxis-Guide zu einem viel versprechenden Richtungsweiser für alle, die ihre Analysen auf Zukunftsfähigkeit hin schärfen und zuspitzen wollen. Die Methoden der Zukunftsforscher sind dort am überzeugendsten, wo sie die Analyse der Mega-Trends mit der dichten Beschreibung von erfolgreichen Innovationen der jüngsten Zeit verbinden.


Titelbild

Matthias Horx / Jeanette Huber / Andreas Steinle / Eike Wenzel: Zukunft machen. Wie Sie von Trends zu Business-Innovationen kommen. Ein Praxis-Guide.
Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
200 Seiten, 49,90 EUR.
ISBN-13: 9783593384689

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