Originelle Stories mit Irrwitz

Über Jakob Heins Kurzgeschichtensammlung "Der Alltag der Superhelden"

Von Thomas BlumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Blum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Angesichts der von Bedeutungshuberei und lauwarmer Gefühligkeit gekennzeichneten deutschen Gegenwartsliteratur, wo vom Feuilleton noch immer eifrig so genannte Jungschriftstellerinnen hofiert werden, die mit einem bedenklichen Stilempfinden, einer Rechtschreibschwäche und einem eklatanten Mangel an Humor ausgestattet sind (Juli Zeh, Julia Franck, Tanja Dückers, Verena Carl et cetera), freut man sich freilich über jemanden, der einigermaßen originelle und komische Geschichten zu Papier bringen kann.

So einer ist Jakob Hein. Und er beweist in seinen "Märchen für anders begabte Erwachsene", wie er seine neueste Kurzgeschichtensammlung nennt, dass es ihm wenigstens an zwei Qualitäten nicht mangelt: an Einfallsreichtum und einem Gespür für Pointen. Turbulent geht es zumeist in den Stories zu, in denen der Irrwitz ("Plötzlich muss ich niesen und mein Gehirn fällt mir aus dem Kopf") das Geschehen beherrscht. Wenn etwa die Tiere auf der Welt etwas zu sagen hätten, könnte der Mensch von ihnen noch etwas über sich lernen: "Die Tiere waren sich einig: Der Mensch eignete sich zum Saubermachen und Erdnüsseholen, aber sonst zu nichts."

Oder man denke an die Geschichte, in der Superman einen wenig hilfreichen Lehrling namens Sven einstellt ("Not-so-Superman"), dem es naturgemäß an Superkräften fehlt und dem außer Kaffeekochen nichts so recht gelingen will: "Das Schönste war für Superman der Feierabend geworden, weil er Sven wegschicken konnte und endlich seine Ruhe hatte. Er konnte dann entspannt eine Runde fliegen oder einfach in seinem Sessel sitzen und Bier trinken."

In einer anderen, nicht weniger skurrilen Episode bekommt der Erzähler überraschend Besuch von der Hollywood-Schauspielerin Sandra Bullock und beschreibt ihr und uns dankenswerterweise den Geschmack des fragwürdigen Getränks "Fanta Melon": "Ich hatte gedacht, das schmeckt lecker dezent nach Wassermelone, schmeckt in Wirklichkeit aber so, als ob ein Zug mit Restmüll aus Bitterfeld einen Zuckerlaster gerammt hat."

Dass der Autor ein genauer Beobachter sein kann, sei hiermit zu Genüge bewiesen. Und auch der Umstand, dass die Phrasendrescher des Feuilletons zwischenzeitlich Besitz von ihm ergriffen haben ("Diesem Autor sitzt der Schalk im Nacken", so die "Freie Presse Chemnitz"), sollte uns sein Werk nicht madig machen.

Zuweilen fällt zwar auf, dass nicht wenige seiner neuen Erzählungen nachlässig und rasch heruntergefetzt wurden, ganz so, als hätte die Fähigkeit des Autors zu sprachlicher Präzision mit der enormen Geschwindigkeit, mit der ihm seine Einfälle kommen, nicht mithalten können. (So liest man hie und da Abgegriffenes oder Zwangsoriginelles, etwa von einer Frau, die "wie Espenlaub zittert", oder einem Flugzeug, das ohne Not als "trudelnder Metallvogel" bezeichnet wird.) Doch der Schriftsteller und hauptberufliche Psychiater Jakob Hein, "schreibender Arzt" und "schreibender Sohn" (Mitteldeutscher Rundfunk), ist in der Tat nicht nur der Sohn des bekannten Schriftstellers Christoph Hein, als der er auf den Klappentexten seiner Bücher wohlweislich nicht bezeichnet werden will.


Titelbild

Jakob Hein: Der Alltag der Superhelden. Märchen für anders begabte Erwachsene.
edition TIAMAT, Berlin 2008.
201 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783893201235

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