Die Industrie der Langeweile und das Märchen vom Glück

Jim Avignon zeigt sich auch in seinem neuen Bildband als Universal-Konzept-Künstler

Von Nicole SchmidtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nicole Schmidt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer den Künstler Jim Avignon nicht kennt, dem lässt sich auch sein neues Buch schwerlich beschreiben. Es ist Jim Avignon pur, in bester Laune, in Hochform: Neben misstrauischen, überforderten, einsamen, verstörten, fliehenden, sich amüsierenden Menschen mit ausdrucksvollen Gesichtern sieht man auch Phantasiewesen, Maschinenwesen, Außerirdische oder Tiere auf seinen Bildern. Die Bilder tragen Titel wie: "Genpool", "Das perfekte Verbrechen", "Don't mess with the elements", "Die Industrie der Langeweile" oder "Das Märchen vom Glück" und wirken nur auf den ersten Blick einfach. Bei näherer Betrachtung springt gleich die Eigenart von Avignons Kunst ins Auge: die spielerische Vermischung von einfachen Linien und Mustern, leuchtenden Farben und Comic-Elementen mit ernsten Themen und existenziellen Fragen. Dazu eine gute Portion Beeinflussung durch Pop Art, Filmcartoons und Computerkunst - und das dann in einer unnachahmlichen Abwägung von Melancholie und satirischem Humor. Das alles soll beim Betrachten fröhlich machen? Doch, das tut es. Eingängige Melodien in unkonventioneller Kombination von Stilen würden seine Musik als Ein-Mann-Band "Neoangin" ausmachen, kann man im Internet lesen, und so ähnlich könnte man auch seine Bilder charakterisieren.

Durch die klugen, poetischen Untertitel zeichnet sich Avignon, der seine Bilder in großer Zahl und Geschwindigkeit "nebenbei" produziert und sie für Summen verkauft, die sich schon Schüler vom Taschengeld zusammensparen können, nicht nur als intelligenter, politisch aufgeklärter und subversiver Künstler aus, der auch mit Worten umgehen kann, sondern auch als konsequenter Konzeptkünstler.

Der Betrachter sieht austauschbare Sonderlinge in den (Fantasie-)Welten, die die postmoderne Gesellschaft bereitstellt, und findet in den - häufig lebhaft leblosen - Ausdrücken auf ihren Gesichtern die Mischung aus Gefühl, Langeweile, Normierung, Automatismus, Entschlossenheit, Unentschlossenheit und Resignation wieder, die viele Autoren in ihren Romanen als psychischen Zustand einer Generation einzufangen versuchen. Jim Avignon gelingt dies ganz nebenbei mit wenigen Strichen und viel Farbe.


Titelbild

Jim Avignon: Trouble with the Aardvark.
Übersetzt aus dem Englischen von Anja Tachler.
Ventil Verlag, Mainz 2008.
128 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783931555726

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