"No wheel to my wagon. Still I'm rowling along." - Joachim Kersten, Bernd Rauschenbach und Jan Philipp Reemtsma lesen aus Arno Schmidts "Zettel's Traum" vor

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nein, die Redaktion hat im Englisch-Unterricht nicht gepennt. Ja, der in der Überschrift zitierte Vers steht genau so da. Der Autor dieses Hinweises hat sich also nicht vertippt. Die Wörter stammen bloß aus einem Roman von Arno Schmidt: "Zettel's Traum" (1970).

Es sind fast die letzten Wörter, die auf der 50-minütigen CD gesprochen werden. Joachim Kersten, Bernd Rauschenbach und Jan Philipp Reemtsma haben sie bei Hoffmann und Campe veröffentlicht, unter der Regie von Charlotte Drews-Bernstein. Man schlägt die Stelle in der Textvorlage unwillkürlich nach - weil das doch glatt so klingt wie ein Songtitel, der von Bob Dylan stammen könnte: "...'n Rad ab, aber trotzdem immer noch on Tour!"

Der Blick schweift über die Seite - und hier, das konnte man dann wohl doch nicht mehr rezitieren: Ganz rechts unten, am Ende des herunterzählenden Countdowns von 20 bis Null, der da am Rand als vertikale Zahlenkolumne steht, staunt man bei der Gelegenheit noch einmal ganz neu über die gewissermaßen allerletzten Satzzeichen des 1330-seitigen Typoskript-Buchs im Format DIN A 3, die wie eine prophetische Vorwegnahme der heutigen E-Mailkommunikation anmuten: ": 0 !"

Ein Schrei, den man auf der CD nicht mehr hört. Überhaupt: Wenn es einen deutschsprachigen Roman gibt, den man nun wirklich nicht vorlesen kann, dann ist es wohl dieses dreispaltige Text-Monstrum. Sollte man zumindest meinen. Kersten, Rauschenbach und Reemtsma haben das tatsächlich auch gar nicht getan, denn eine Komplettlesung würde etwa 80 CDs füllen, wie Rauschenbach in seinem kurzen Geleitwort betont. Aber: Die "drei Tenöre", wie Eingeweihte die Vorleser von der Bargfelder Arno Schmidt Stiftung seit ihrem ersten "Zettel's Traum"-Simultan-Rezitierexperiment im November 1989 im Literarischen Colloquium Berlin nennen, haben dazu auf der vorliegenden Hörbuchedition zumindest ein erstes Exposé abgeliefert - knapp zwanzig Jahre und 45 weitere Versuche später.

Die Schwierigkeit: Drei Textspalten, die in diesem modernen Roman nebeneinander stehen, müssen teilweise gleichzeitig vorgelesen werden. Drews-Bernstein hat sich für eine dezente Lautstärke-Hierarchisierung der drei Stimmen entschieden. Dadurch versteht man zwar auch nicht immer alles, was da synchron geredet und gerufen wird - aber es entstehen zumindest einige überaschende Effekte. Bald klingen einem die Ohren nur noch so und man möchte glatt schon wieder selbst weiterlesen, sich weiter mit diesen Figuren über ihre Gesprächsthemen unterhalten: " - 'Deutsche Kunst': wenn die Bürger ahntn, wie=dünn das Haar ist, an dem speziell dieses Aushängeschild schwankt!"

Georg D. Henn.


Kein Bild

Arno Schmidt: Zettel´s Traum. Lesung. 1 CD.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008.
17,95 EUR.
ISBN-13: 9783455306040

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