Frauenbild und Frauenbildnis
Zwei sehr unterschiedliche Bücher über die Darstellung von Frauen
Von Saskia Schulte
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseSo kennt man ihn, den Akt: dahingerekelt, weiblich, nackt. Wie männliche Künstler Frauen sahen und darstellten, ist in der Kunstgeschichte bei weitem erforschter als die Darstellung von Frauen durch Frauen. Noch weniger beachtet wurden Selbstbildnisse von Frauen. Frances Borzello geht in ihrem Band "Wie Frauen sich sehen" der Geschichte der Selbstbildnisse von Frauen auf den Grund, und zeigt dabei auch, dass sie sich von denen der Männer unterscheiden. Nicht nur die Umstände, die es Künstlerinnen ohnehin schon schwer machten, ihren Beruf erfolgreich auszuüben, sind Grund dafür. Auch gesellschaftliche Konventionen und Regeln sorgten für eine andere Form der Selbstdarstellung: So wurde etwa das Laster "Eitelkeit" Jahrhunderte lang als eine in den Spiegel blickende Frau gezeigt, was viele Frauen daran hinderte, sich als Künstlerin mit einem solchen darzustellen. Für einen Mann war dies kein Hindernis, er konnte zeigen, wie er von seinem Spiegelbild abmalt.
Fünf Jahrhunderte hindurch verfolgt Frances Borzello die Spur sich selbst darstellender Frauen, und immer wird verglichen: Welchen Stellenwert hat das weibliche Selbstportrait im Rahmen seiner Zeit - und welchen Stellenwert hat es im Gegensatz zum männlichen? In der Renaissance zum Beispiel gab es eine große Nachfrage nach Selbstportraits, und die von Frauen waren aufgrund ihrer Seltenheit so begehrt, dass manche Malerinnen ihre eigenen Bilder kopierten. Anderen Frauen wiederum verboten ihre Ehemänner, ihre Bilder außerhalb des Hauses zu zeigen.
Da eine Selbstdarstellung auch immer eine Darstellung des eigenen Geschlechts ist, unterscheidet sich die Attribuierung von vorneherein. Gemalt wird die Künstlerin als Mutter oder als Ehefrau, im Kreise der Familie oder in fraulich-häuslicher Umgebung, Schicklichkeit in der Haltung vorausgesetzt. Erst im 20. Jahrhundert haben Frauen die Möglichkeit, das Repertoire der Selbstdarstellung um eine offene und kritische Auseinandersetzung mit Weiblichkeit, Sexualität und gesellschaftlichen Themen zu erweitern und sich so von Konventionen zu lösen, die sie vorher im künstlerischen Ausdruck einschränkten.
Borzellos Geschichte weiblicher Selbstbildnisse ist spannend und einprägsam geschrieben und dennoch wissenschaftlich präzise: In den Anmerkungen wird auf fundierte wissenschaftliche Quellen verwiesen, Kurzbiografien der Künstlerinnen mit Literaturangaben sowie eine Auswahlbibliografie und ein Register ergänzen den optisch sehr ansprechend gestalteten Band. Im Ganzen ein Glanzstück, das auf Glanzstücke aufmerksam macht, die lange Zeit unbeachtet oder zu wenig beachtet wurden: die Selbstbildnisse von Frauen durch fünf Jahrhunderte.
"Femmes Totales" von Joan Smith dagegen behandelt die Entstehung von Frauenbildern in Medien und Gesellschaft. Ihr Versuch, heutige Frauenbilder aus der Geschichte abzuleiten, scheitert an nur schwer nachvollziehbaren und willkürlich wirkenden Vergleichen, an ihrem zu saloppen Stil und an Klischees, die die Autorin unreflektiert übernimmt. Wenig wissenschaftlich und wie zufällig wirkend leitet sie etwa die "tragische" Figur der Lady Diana von antiken Figuren ab und zitiert Charles Dickens, um die Darstellung eines Brautkleides in "Große Erwartungen" mit dem weißen Kleid Dianas auf einem Empfang zu vergleichen. Sollte ein tieferer Zusammenhang bestehen, so fehlt der Darstellung das Fundament. Ebenso im Kapitel über Modelle und Models, in der die Autorin Vergleiche zwischen den Musen im viktorianischen Zeitalter und den Models der Gegenwart zieht, ganz nach dem Motto: es ist ja alles schon mal dagewesen. Doch dann vergisst die Autorin leider, dass nicht nur im viktorianischen Zeitalter Frauen als Modell dienten und sie nicht erst heute plötzlich wieder die "leere Fläche" sind, die der Modeschöpfer mit seinen Schöpfungen auszustaffieren sucht.
Die Journalistin Smith erzählt so detailreich über die Frauen, die sie als Beispiele erwählt hat, dass sie darüber zu vergessen scheint, auch Schlussfolgerungen zu ziehen, die über das Bekannte hinausgehen: dass jemand Berühmtes wie Jackie Kennedy durch einen Schicksalsschlag wie das Attentat auf ihren Mann noch bekannter wird, bedarf weniger der Feststellung als der Frage, warum dies geschieht. Der Verweis auf antike Frauen mit tragischen Schicksalen befriedigt hier nicht.
"Femmes Totales" ist ein nettes Buch, das verschiedene Konstruktionen von Weiblichkeit analysiert und hinterfragt. Doch leider kommen die Kapitel selten über Beispielcharakter hinaus, wo Aufklärungscharakter gefragt wäre.