"Der Grenzgänger"

Matti Rönkä entwirft mit dem Privatdetektiv Viktor Kärppä eine glaubwürdige Figur

Von Monika StranakovaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Stranakova

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als der sechzigjährige Antiquar Aarne Larsson in seinem Büro auf dem Marktplatz von Hakaniemi auftaucht und ihn mit der Suche nach seiner Frau Sirje beauftragt, denkt der Privatdetektiv Viktor Kärppä noch, es handele sich um einen der gut bezahlten Routinefälle, wie er sie in den letzten Jahren zuhauf gelöst hat. Doch wie sich mit der Zeit herausstellt, ist die schöne, junge Estin nicht einfach ihres langweiligen, alten Mannes überdrüssig geworden und ihm weggelaufen. Zwar hat Kärppä den Charakter seines Auftraggebers gut eingeschätzt - er ist ein strenger, notorisch unzufriedener Mensch, dem früher auch mal die Hand ausrutschte, wie es seine erste Frau bestätigt -, aber die stille Sirje scheint seit sechs Jahren eine glückliche Ehe mit ihm geführt zu haben. Oder hat sie die Schroffheit ihres Mannes nur wegen der gesicherten Existenz in Kauf genommen?

Die spärlichen Anhaltspunkte zwingen Kärppä, zumal seine Klientin eine geborene Lillepuu, die Schwester des berüchtigten Gangsters Jaak Lillepuu ist, auch im Helsinkier Nachtleben zur Recherche. Er kann dabei auf ein großes Kontaktnetz unter den Emigranten aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zurückgreifen: Viele kennt er noch aus der Kindheit in Russisch-Karelien und bekommt von ihnen sogar gelegentlich Aufträge. Dass sie mit illegalen Gütern handeln, von Zigaretten über Drogen bis hin zu Kunstwerken, weiß er, und wenn er für sie als Kurier, Dolmetscher oder Fahrer arbeitet, bemüht er sich stets "nicht allzu sehr gegen die Gesetze zu verstoßen". Diesmal erhält er abwechselnd Drohungen oder Mahnungen von ihnen - kaum verwertbare Informationen. Und auch der finnische Kriminalbeamte Korhonen, der - solange Kärppä ihn "über den Russenbusiness" auf dem Laufenden hält - duldet, dass dieser mit Killern fraternisiert, scheint im Dunkeln zu tappen.

Matti Rönkä, Jahrgang 1959, Journalist und Nachrichtensprecher des finnischen Fernsehens, schuf mit der Figur Kärppäs einen Privatdetektiv mit nicht immer sauberen Methoden, aber "mangelnder Bereitschaft zu extremen Maßnahmen", der, obwohl "Zögling der sowjetischen Gesellschaft", flexibel genug ist, sich unter veränderten Umständen und in der zunehmend multikulturellen finnischen Gesellschaft zu behaupten. Er ist nicht einfach Grenzgänger im klassischen Sinne des Wortes - seine Aufträge führen ihn nach Russland, Estland und Schweden -, sondern wechselt seine Identität als Sohn eines Ingermanländers und einer Finnin, die mit ihren Eltern als Kind in die Sowjetunion gekommen ist und bis heute dort lebt, je nach Kontext. Durch seinen kritischen Blick wird der Leser am Rande auch mit den Integrationsproblemen der Ingermanländer in Finnland konfrontiert, die zwar über einen Rückwandererstatus verfügen, aber von der finnischen Gesellschaft noch nicht ganz akzeptiert werden. Die Sorge Rönkäs, der selbst aus der finnischen Provinz Karelien stammt, gilt gleichzeitig Russisch-Karelien, das wegen der Abwanderung der aktivsten Bevölkerungsteile, der Finnischstämmigen, endgültig verödet.

Doch Rönkä ist nicht nur Meister der Charakterzeichnung, sondern erzählt seine etwas schlicht konstruierte Geschichte in einer klaren und unspektakulären Sprache, die nach den Juroren des Finnischen Krimipreises 2006 dieses Jahr auch die des Deutschen Krimi Preises überzeugt hat. Erfrischend anders kommen zudem seine Kriminellen aus dem ehemaligen Ostblock daher, die nicht primär brutal sind, sondern nach ihrem eigenen - wenn auch verkehrten und von Rönkä ironisch gebrochenen - Moralkodex handeln. Dass Kärppä, an der Grenze der Legalität und Illegalität balancierend, nebenbei auch den Fall zur vollen Zufriedenheit des Lesers löst, versteht sich von selbst.


Titelbild

Matti Rönkä: Der Grenzgänger. Kriminalroman.
Übersetzt aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara.
Grafit Verlag, Dortmund 2008.
222 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783894255602

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