Wider die Natur!

Maria Schule zeigt, wieso Hund und Kater doch zusammenpassen

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Hund und ein Kater leben zusammen, bis zu dem Tag, als sie in der Zeitung lesen, dass Hunde und Katzen ,eigentlich' nicht miteinander auskommen. Plötzlich fällt ihnen alles ein, was sie am anderen immer schon gestört hat, und sie beschimpfen und trennen sich.

Beide ziehen nach und nach zu mehreren verschiedenen Freunden, welche mit Artgleichen zusammen leben, weswegen Hund und Kater davon ausgehen, dass diese besonders gut miteinander auskommen sollten. Aber überrascht müssen sie feststellen, dass sie sich nicht nur darin getäuscht haben, sondern dass sie selber auch nicht mit ihren eigenen Artgleichen harmonieren.

Sie lernen also (und wir mit ihnen): (1) Wenn Gleich & Gleich zusammenleben, ist dies noch keine Garantie dafür, dass man glücklich wird. (2) Es gibt keine heile Zweisamkeit. Streit gehört dazu. Man kann sich nur durch die Unterschiede finden, nicht indem man diese unterdrückt oder von vornherein ausschaltet. (3) Die Freundes- und Partnerwahl sollte man von der eigenen Neigung abhängig machen, nicht von un- oder überindividuellen kollektiven Eigenschaften, an denen sich andere orientieren und als seligmachende Orientierung empfehlen. Weil sie schnell lernen, kommen sie am Ende wieder zusammen.

Die Bilder des Buches sind sorgfältig, detailreich und in kräftigen, ein wenig gedeckten Farben gehalten. Der Vermenschlichung der Tiere zum Trotz sind sie erstaunlich naturalistisch geraten. Das Setting und die Agierenden sind urban dargestellt, was eine Seltenheit bei Kinderbüchern ist, in denen der Kosmos meist ein einziger Quasi-Bauernhof zu sein scheint. Tiere sind dort keine Fabelwesen, sondern eine Einladung zur Möglichkeit der Regression, weil sie ausschließlich für eine - durch und durch künstliche - ersehnte ,Natürlichkeit' stehen, oder, schlimmer noch, einfach nur Niedlichkeit und Naivität verkörpern. Hier aber sind die Tiere Menschen in Tiergestalt. Indem Schule auf die verschiedenen Tierarten für die Personnage zurückgreift, erscheint die Segregation entlang ,natürlicher' Unterscheidungsmerkmale zunächt umso einleuchtender. Die individuelle Entscheidung über die Artgrenzen hinweg scheint der natürlichen Ordnung entgegengesetzt, ist dann aber, in zweiter Reflexion, als Wahl, die der Neigung folgt, gleichzeitig eine vernünftige, die das unmittelbare, natürliche Bedürfnis in sich trägt.

Darüber hinaus sollte man der Abwandlung der Redensart "wie Hund und Katze" in "wie Hund und Kater" ein wenig Aufmerksamkeit schenken, denn diese wurde vermutlich nicht nur um der sprachlichen Auffälligkeit willen vorgenommen. Sie eröffnet noch eine weitere Perspektive. Denn Hund und Kater sind, anders als Hund und Katze, ein explizit gleichgeschlechtliches Paar. Nachdem Schule die Pseudo-Natürlichkeit der Kategorisierung nach Arten aufgeknackt hat, ist in einer dritten Reflexion der Weg offen, auch die starren, ebenso natürlich scheinenden, Geschlechtergrenzen einzureißen. Eine der schönen Abbildungen gibt auch zumindest die Andeutung einer kulturell sublimierten Homoerotik. Schon alleine deswegen gehört dieses Buch in jedes Kinderzimmer: damit Offenheit und Aufgeklärtheit früh als selbstverständlich gelten.


Titelbild

Maria Schule: Wie Hund und Kater.
atlantis - orrell füssli verlag, Zürich 2008.
32 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783715205779

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