Der Playboy und die Emanzipation
James Hollis untersucht Rollenerwartungen des Mannes
Von Felix Respondek
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseHat nicht alles auf dieser Welt zwei Seiten? Zum Guten gehört das Böse, zum Land gehört das Meer, zur Frau gehört der Mann. Denn ohne das Eine würde das Andere nicht existieren. Die meisten unserer Denkkategorien sind von dieser Dualität bestimmt. Einseitigkeit hingegen würde Verzerrung, Perversion und Neurosen erzeugen. Und so verhält es sich schließlich auch mit dem vielzitierten Ausspruch Simone de Beauvoirs, "eine Frau wird nicht als Frau geboren, sondern sie wird es". Auch dieser ließe sich verwandeln in "ein Mann wird nicht als Mann geboren, sondern er wird es". Denn schließlich sind Männer genauso von Rollenerwartungen geprägt und leben in der Vorstellung, diesen Rollen genügen zu müssen.
Welchen Rollenerwartungen sind Männer ausgesetzt und wie gehen sie damit um? Dies sind die Fragen, die James Hollis stellt und "Im Schatten des Saturn" anhand vieler Fälle, die er im Laufe seiner Analytiker-Laufbahn gesammelt hat, anschaulich beantwortet. Saturn wurde einerseits als Schöpfer der frühen römischen Zivilisation angesehen. Auf der anderen Seite brachte man ihn mit vielen düsteren und blutigen Geschichten in Verbindung. Sein griechisches Pendant Kronos soll seinen Vater Uranus getötet und seine Stelle eingenommen haben. Kronos wurde zu einem Tyrann, der seine eigenen Kinder, bis auf Zeus, der entkommen konnte, auffraß. Die Schlüsselmotive dieses Mythos - Machtstreben, Eifersucht, Unsicherheit - macht Hollis für die Misere der Männer verantwortlich.
Wer sind wir? Das ist die Frage, die sich auch Männer heutzutage stellen müssen. Männlichkeit wird heute noch immer mit alten Bildern verknüpft, mit denen die wenigsten Männer Schritt halten können. Man erwartet, dass sie sich in einer Zeit zurecht finden, die von Veränderung geprägt ist, aber dennoch wird immer noch mit alten Rollenbildern operiert, die in einer anderen Zeit vielleicht Wirkung trugen. Die Männer sind vom Zug der Zeit überrollt worden. Ohne dass sie es wirklich bemerkten sind sie zum schwachen Geschlecht geworden. Die Frauen haben alte Vorstellungen über den Haufen geworfen. Aber es fehlt bei den Männern noch an Vorbildern und Idolen, nach denen man sich richten könnte. Es fehlt an solchen, die einen Jungen zu einem Mann machen können, der sich im 21. Jahrhundert zurecht finden kann.
Die Männer von heute sind immer noch in ihrer Infantilität gefangen. Männermagazine sind dafür das beste Beispiel, denn in ihnen ist das gesamte Blendwerk konstruierter Männlichkeit zu finden.
Männer mögen zwar äußerlich wie "richtige" Männer erscheinen. Doch seien wir mal ehrlich. Wer entspricht schon dem Mann, den uns die Medien zeigen? Sicherlich wird es jetzt, einen Aufschrei unter den männlichsten der Männer geben, aber sind gerade sie so, wie sie uns erscheinen?
Der Mann muss sich - ähnlich wie die Frauen, schon Jahrzehnte vor ihm - von den alten Rollenbildern befreien. Er muss sich emanzipieren, wenn er in der Geschichte der Menschheit nicht sang- und klanglos untergehen will. Er muss sich von seiner Angst befreien, er muss seinen Ödipus-Komplex überwinden, sich gänzlich von der Mutter lösen, eine Vaterfigur finden, mit der er sich identifizieren kann. Und vor allem, muss er endlich damit anfangen. Jeder von uns ist ein Teil des Problems - oder einzeln betrachtet - Teil der Lösung. Wenn die Emanzipation gelingt, kann sich der konstruierte Mann endlich von alten Rollenbildern lösen, um den "neuen Mann" zu erfinden. Die soziale Gerechtigkeit, auch unter den Geschlechtern wird erst dann herrschen, wenn auch der Mann sich emanzipieren konnte.
James Hollis, Absolvent des C.-G.-Jung-Instituts in Zürich und praktizierender Psychoanalytiker mit eigener Praxis in Philadelphia und Linwood (N.J.), versucht "Im Schatten des Saturn" die acht Geheimnisse - wie etwa die Rollenerwartungen der Gesellschaft, die Angst vor der Weiblichkeit, oder das Fehlen einer Vaterfigur, um nur einige zu nennen - der Männer aufzudecken und zeigt diese an vielen Fällen aus der Praxis auf. Die Männer befinden sich in ihrer Heilung noch am Anfang. Und J. Hollis stellt sieben Konzeptionen auf, die eine Heilung begünstigen, oder den Männern wenigstens eine Richtung weisen können.
Doch ist diese angestrebte Befreiung, oder auch Heilung des Mannes nicht blanker Hohn, wird sich Mancher und vor allem Manche fragen. Ist das hier ein weiteres Kapitel im Kampf der Geschlechter untereinander? Soll der Mann wieder die perfekte Ausgabe des Menschen werden, und die Frauen wieder in ihre unperfekte Passivität verdrängen?
Nein, denn gerade in der Bewältigung der Geheimnisse des Mannes und dem "Schatten des Saturn" kann die Menschheit - ich spreche hier bewußt von Menschheit als Ganzem - eine Chance bekommen. Vielleicht werden wir erkennen, dass Mann und Frau - ähnlich dem Kugelmenschen bei Aristophanes - lediglich zwei Teile von einem Ganzen sind, und daß das Eine nicht ohne das Andere leben kann.
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