Rainer Moritz' "FrauenMännerUnterscheidungsBuch"
Rainer Moritz' Zwischenbilanzen über die Krise der Männlichkeit
Von Christine Kanz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer arme Mann! Wenn es um den Begriff "Feminismus" geht, fehlen ihm die Worte: "Ohne Eintrag" heißt es lapidar unter diesem Stichwort. Dabei ist er doch sonst so geschwätzig - oder sollte man lieber sagen: sprachbegabt? Vom "Abschleppen" bis zum "Züngeln" gibt er 259 Mal seine Ansichten über Männlein und Weiblein zum Besten. Vor allem auf die ersteren hat er es abgesehen: "Männer sind Egoisten. Sie nehmen am anderen wenig Anteil und erfreuen sich bevorzugt am eigenen Ich", heißt es unter "Egozentrik". Wovon darf man also unter "Redefluß" lesen? Richtig, von "der weiblichen Sucht nach Aussprache". Doch weit gefehlt, wenn man daraus den Schluss ziehen möchte, dass man sich die Lektüre der anderen FrauenMännerUnterscheidungsmerkmale nun (er)sparen könne. Nicht immer stößt man nur auf Klischees. Gelegentlich hat es ihm das andere Geschlecht so sehr angetan, dass er z. B. wünscht, es gäbe mehr Autofahrerinnen auf der Welt. Denn dann gäbe es auch weniger blutrünstige "Autobahngaffer". So nennt er die Männer, die sich an den "gekeilten Blechteilen, zersplitterten Knochen" bei Unfällen ergötzen. Überhaupt scheint das weibliche Geschlecht nach Ansicht des Autors viel menschlicher und moralischer zu sein. Denn "Frauen bestehen auf Ehrlichkeit". Emphatisch formuliert: Sie leben sie. "Männer versprechen sie". Ja, Moritz kennt die Frauen. Das betont er immer wieder. Ganz Frauenkenner weiß er z. B., dass "jede vierundzwanzigste Frau" Baileys, den "Eierlikör der Nachgeborenen", ablehnt. Oder was "hair flip" zu bedeuten hat: Das ist "ein Trick aus dem weiblichen Anbahnungsrepertoire". Sein reichhaltiges kommunikationstheoretisches Grundwissen bietet dem gebildeten Mann besonders progressive Möglichkeiten der Kontaktanbahnung. Der moderne Papagallo nämlich baut diese "Erkenntnis" in seine "Eroberungsstrategie" mit ein und kommentiert den "hair flip" der selbstverständlich langhaarigen Frau so: "'Die Bewegung, die du gerade gemacht hast, mit deinem Haar, das bezeichnen Münchner Kommunikationswissenschaftlerinnen als Signal der Annäherung.'" "Danach", so weiß unser Herzensbrecher, "ist das Eis gebrochen, der Präsentation von Nacken u. a. steht nichts mehr im Wege." Zwischendurch macht er dann ganz und gar auf Macho und resümiert über seinesgleichen: Während sie früher "alles" abschleppten, "was sich frei bewegte", sind "heute viele Männer qualitätsbewusster geworden". Dann wieder gibt er sich political correct und spricht etwa von der "unerschöpflichen sozialen Kompetenz" der Frauen. Das kann er nicht ironisch meinen. Oder doch? Selbstironie jedenfalls ist ihm nicht fremd. Im Gegenteil. Über männliche Bindungsängste heißt es: "Für immer. Sagt er. Aber jetzt noch nicht. Ich will dir doch auch ganz nah sein ... so geht das ein Leben lang."
Fazit: Es ist garantiert für jeden und für jede etwas dabei. Es kommt nur darauf an, welche Seite man gerade aufschlägt. Und: Zu gerne belässt Moritz alles im Bereich des Doppeldeutigen. So zitiert er einmal Bertrand Russells vielsagenden Spruch, dass "Frauen im Durchschnitt dümmer sind als Männer". Anstatt ihn zu widerlegen, platziert der Autor ihn kommentarlos unter das Stichwort "Dummheit". Frauen und Männer können das dann so lesen, wie es ihnen gerade gut tut.
Die Kritik hat es schwer mit diesem Gender-Chamäleon, zumal Moritz sämtlichen ernst gemeinten Vorwürfen gleich im Vorwort entgegenhält: "Dieses Buch zieht eine Zwischenbilanz, schonungslos, keinen Irrweg scheuend und immer bereit, wissenschaftliche Forschungen und subjektive Alltagsbeobachtungen ungebührlich miteinander zu vermengen." Ein schönes Beispiel dafür findet sich leicht. Weil Sigmund Freud als misogyner Beispielgeber immer taugt und weil er das Weibliche, in vorgeblicher oder tatsächlicher Unwissenheit, einmal "a dark continent" nannte, macht Moritz gleich "the dark continent" daraus. Nur um "hellsichtig" zu bemerken, dass Freud die Frau also mit Afrika gleichgesetzt habe. Logisch, dass auch der Mann einen Erdteil sein eigen nennen möchte. Was liegt da näher als Amerika, das Land der Eroberer und Erneuerer, zum Land der Männer zu küren? Männliche Allmachtsfantasien, das alles?
Sie seien ihm zugestanden, dem armen Mann in der Ära des Postfeminismus. Denn was Moritz als Resultat des "Desasters" Emanzipation konstatiert, klingt wahrlich mitleidserregend: "Der Mann ist nun allenthalben von Ängsten umstellt, als da sind: Konkurrenz-, Bindungs-, Leistungs-, Identitäts-, Benzinpreiserhöhungs-, Sexual-, Kastrations-, Existenz-, Versagens-, Todes-, Einsamkeits- und - ganz neu - Angstängste." Der Mann in der Krise!
Männersache
Rainer Moritz hat ein FrauenMännerUnterscheidungsBuch zusammengestellt
Von Geret Luhr
Schon das gemeinsame flüchtige Durchblättern des schmalen Bandes zeigt bald, dass ein wichtiges, ja vielleicht zentrales Stichwort fehlt: der "Humor". Denn der scheint bei Frauen und bei Männern - wie gerade das "FrauenMännerUnterscheidungsBuch" belegt - doch recht verschieden zu sein. Während man(n) (ich) das Ganze auf Anhieb recht komisch findet, findet frau (sie) das Ganze gar nicht komisch, ja albern und eher überflüssig. Doch wie repräsentativ ist diese Beobachtung? Und warum lacht sie dennoch beim Lesen der einzelnen Stichworte? Die Differenz scheint also woanders zu liegen: Frauen finden Rainer Moritz' Auslassungen zum Geschlechterverhältnis auch irgendwie lustig, wollen sich das jedoch nicht ein-, oder es uns (Männern) nicht zugestehen.
Natürlich ist auch Rainer Moritz vor solchen Essentialismen nicht gefeit, im Gegenteil, das Spiel mit ihnen, das souveräne und ironische Arbeiten mit den zwischen den Geschlechtern seit Menschengedenken herrschenden Vorurteilen ist das Stilmittel, mit dem er die meiste Komik innerhalb des alphabetisch geordneten Bandes erzeugt. Und Komik erzeugen, das scheint das Hauptziel von Moritz' Buch zu sein, wenn nicht gar sein einziges.
Grundsätzlich ist dagegen ja nichts einzuwenden, und doch wünschte man sich in der langen und bisweilen ermüdenden Reihe von Stichwörtern, zwischen "Abschleppen" und "Züngeln", zwischen "Alkoholkonsum" und "Zigarette danach" ein wenig mehr ernsthaftes, sprich: kulturhistorisches und theoretisches Bemühen um das in der Tat noch immer intrikate Verhältnis der Geschlechter. Fraglos wäre der tiefgelehrte und schwerbelesene Rainer Moritz mit der ihm eigenen süffisanten Leichtigkeit des intellektuellen Stils dazu fähig gewesen.
Ob die planmäßig gepflegte Oberflächlichkeit (die zumeist nur rhetorisch Abgründe eröffnet) sich der Kundenrücksicht des in Rainer Moritz wohl oder übel mitdenkenden Buchverlegers verdankt, bleibe dahingestellt. Denn vielleicht passt der Spaß-Gestus auch einfach in unsere Zeit, die sich vom Geschlechterkampf, der das 20. Jahrhundert von seinem Beginn an maßgeblich prägte, weit entfernt zu haben scheint. Und so präsentiert Rainer Moritz uns in den meisten Eintragungen letztlich einen Mann, der sich bei aller geschlechtspolitischen Korrektheit froh darüber zeigt, der drohenden, radikalfeministischen Emanzipation noch einmal davon gekommen zu sein, sich mit einer humoristischen Geste den Schweiß von der Stirn wischend. Auch wenn Moritz die Frage, ob es ein weibliches Schreiben gibt, für nach wie vor ungeklärt hält: Dieses Buch konnte nur von einem Mann geschrieben werden. Seinen festen Platz an gewissen Örtchen wird es gleichwohl finden und dort natürlich auch von Frauen gern gelesen werden.
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