Linguistik als Poetik

Roman Jakobsons "Sämtliche Gedichtanalysen" in einer deutschsprachigen Neuausgabe

Von Felix Philipp IngoldRSS-Newsfeed neuer Artikel von Felix Philipp Ingold

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwar gibt es von Roman Jakobson - er wurde 1896 in Moskau geboren und starb 1982 in Boston - kein einziges poetologisches Werk in Buchform; es gibt aber eine Vielzahl von einschlägigen Aufsätzen, Abhandlungen und Vortragstexten, die unter diversen Gesichtspunkten zu Sammelbänden vereint wurden, und es gibt darüber hinaus zwei autobiografische Gesprächsbücher ("Poesie und Grammatik", deutsch 1982; "Meine futuristischen Jahre", deutsch 1999), in denen Jakobson selbst - im Dialog mit Krystyna Pomorska und Bengt Jangfeldt - ebenso detailliert wie instruktiv über die Genealogie und Ausformung seines sprach- beziehungsweise dichtungstheoretischen Denkens berichtet. Seit kurzem liegen nun, erstmals in deutscher Sprache und ergänzt durch aufschlussreiche Kommentare, Jakobsons poetologische Schriften als Sammelwerk vor. In zwei umfangreichen Textbänden sind unterm Titel "Poesie der Grammatik und Grammatik der Poesie" auf rund 1.600 Druckseiten insgesamt 53 Einzelstudien und Abhandlungen zu einem in sich kohärenten Kompendium von weltliterarischer Reichweite und hohem wissenschaftlichem Rang vereinigt.

Wird die Dichtersprache gemeinhin als Hochsprache von der Gebrauchssprache abgehoben und mit einem künstlerischen Mehrwert dotiert, so kehrt Jakobson diese Hierarchie um, indem er der Dichtersprache den Status der Sprache schlechthin zuerkennt, der gegenüber die Gebrauchssprache einen Minderwert aufweist, also gewissermaßen defizitär ist. "Die Sprache der Poesie ist Sprache in höchster Potenz und Aktion, sie umfasst virtuell die komplette linguistische Armatur, in der alle Register zwischen Alltagsrede und Fachsprache vereint sind." Von daher erstaunt es nicht, dass Jakobsons zentrale sprachwissenschaftliche Interessen - Phonologie, Grammatik, Semantik - in seiner Dichtungstheorie ihre exakte Entsprechung finden konnten.

Der dichterische Text gilt hier nicht als eine individuelle auktoriale Hervorbringung; er ist vielmehr das Ergebnis eigengesetzlicher sprachinterner Prozesse, die vom Autor teils intuitiv, teils bewusst gelenkt und verschränkt werden. "Das poetische Material, das in der morphologischen und syntaktischen Struktur der Sprache verborgen liegt, - kurz, die Poesie der Grammatik und ihr literarisches Produkt, die Grammatik der Poesie -, ist von Kritikern nur selten erkannt und von den Linguisten meist nicht beachtet worden", stellte Jakobson noch 1960 in seinem Schlusswort zur MIT-Konferenz über "Stil in der Sprache" bedauernd fest, "aber die Schriftsteller haben es in ihren Schöpfungen geschickt gemeistert."

Der Absicht, dem Willen, der Arbeit des Autors kommt also keine höhere Autorität zu als der autopoietischen Energie des Sprachmaterials - beides wirkt im Gedicht zusammen, bewirkt eine Fusion, deren Anteile im Ergebnis nicht mehr auseinander zu halten sind. Wenn Jakobson mithin die "Funktion Autor" als Subjektfunktion relativiert, sie als eine unter andern - gleichwertigen - poetologischen Funktionen ausweist, bezeugt dies seine wissenschaftliche Mittäterschaft an der einst viel diskutierten Entmächtigung, Verabschiedung, sogar Totsagung des Autors, die vorab dem französischen Strukturalismus der 1960er- und 1970er-Jahre zuzuschreiben ist.

Trotz - und wegen - der zahlreichen Übereinstimmungen im Theoriebereich fällt im Vergleich mit der damaligen französischen Literaturtheorie die Besonderheit auf, dass Jakobson ausschließlich verskünstlerische (lyrische, epische) Werke zum Gegenstand seiner Studien und Reflexionen gemacht hat, während die Franzosen - unter ihnen Roland Barthes, Claude Bremond, Tzvetan Todorov - vorzugsweise mit Prosa (Roman, Erzählung; Narratologie) befasst waren. Dazu kommt, ebenfalls als Besonderheit, Jakobsons ausgeprägtes Forschungsinteresse an der dichterischen Folklore, deren "autorlose" Texte (Volksepen, Volkslieder, Kinder- und Abzählverse, Totenklagen et cetera) besonders dazu geeignet waren, die von ihm behauptete sprachliche Eigengesetzlichkeit und Eigendynamik bei der Gedichtentstehung zu belegen.

Die nun vorliegende Edition von Roman Jakobsons "sämtlichen Gedichtanalysen" - weltweit die umfangreichste ihrer Art - wurde von den Herausgebern durch eine Reihe grundlegender Arbeiten zur sprachwissenschaftlichen Dichtungstheorie ergänzt; dazu gehören nebst einem großen Forschungs- und Erfahrungsbericht über "Linguistik und Poetik" (1958/1960) die frühe Abhandlung über "Die neueste russische Poesie" (1919) sowie je ein Aufsatz zur "Poesie der Grammatik" (1961) und zur Funktion des Parallelismus in der Dichtung (1966); der instruktive, in tschechischer Sprache verfasste Essay zur elementaren Frage "Was ist Poesie?" von 1934 blieb leider ebenso unberücksichtigt wie die poetologisch relevanten Exkurse aus Jakobsons New Yorker Vorlesungen über "Klang und Sinn" (1942) und seiner Monografie über "Die Lautgestalt der Sprache" (1979).

Demgegenüber bilden die disparaten, aus rund einem Dutzend Sprachen meist neu übersetzten Gedichtanalysen ein in sich erstaunlich stimmiges Ensemble von Texten, die anhand ständig wechselnder Vorlagen die immer gleichen Grundfragen konkretisieren und klären sollen. Dies geschieht bei Roman Jakobson ohne jeden hermeneutischen Anspruch. Die Gedichte werden nicht ausgedeutet und sinnfällig gemacht, sie werden lediglich - dies aber bis ins letzte Detail - auf ihre Lautgestalt, ihre grammatische und prosodische Struktur hin untersucht und erst hinterher nach ihrer allfälligen Bedeutung befragt. Die Bedeutung, hier stets "Sinn" genannt, gilt dabei nicht als Motor der poetischen Formbildung, sondern umgekehrt als deren Produkt - einem späten Statement Jakobsons gemäß, wonach "der Inhalt ein Teil der Gedichtstruktur" ist.

Dieses Statement gehört zu den poetologischen Kernaussagen Jakobsons und lässt sich einerseits auf seine frühe Beschäftigung mit der Dichtung und Dichtungstheorie von Stéphane Mallarmé, namentlich auf dessen oft kolportiertes Diktum, wonach - "mon cher Degas!" - Gedichte "nicht aus Ideen, vielmehr als Wörtern gemacht" werden, die dann ihrerseits, zum Gedicht gefügt, neue, eigensinnige, vom Autor womöglich gar nicht beabsichtigte "Ideen" oder sonstige "Inhalte" generieren. Anderseits hat Jakobson schon um 1913 von seinen Jugendfreunden Welimir Chlebnikow und Aleksej Krutschonych, zwei herausragenden Vertretern des literarischen Futurismus, das autopoietische Konzept der "selbstwertigen", der "eigenmächtigen" Dichtersprache übernommen, durch das die Autorität des Autors weitgehend auf die Autorität der Sprache verlagert wird und gleichzeitig, als Folge davon, die Ausdrucksebene in Bezug auf die Aussageebene Vorrang gewinnt.

Die Art und Weise dieses Arrangements - man könnte auch vom Aufbau, von der Machart, von der Form- oder Strukturbildung des Gedichts sprechen - ist für Jakobson stets das zentrale poetologische Interesse gewesen, ein niemals nachlassendes Faszinosum, das durch seine theoretischen Arbeiten und seine Textanalysen gleichermaßen belegt ist. Mit den für ihn zentralen Konzepten der "Dominante" und des "Parallelismus" hat er gleichsam dem Urgedicht sich anzunähern versucht, indem er dessen Entstehungs- und Funktionsweise anhand von immer wieder andern Beispieltexten aus unterschiedlichsten Sprachen vergleichend rekonstruierte. Solche Rekonstruktion war für ihn gleichbedeutend mit dem Verstehen der jeweils vorliegenden Texte, einem Verstehen, das auch dann möglich sein sollte, wenn ein Gedicht von seiner Aussage her "dunkel", also unerschließbar war.

Damit eröffnete Jakobson gleichsam auf der Textoberfläche einen Zugang zu hermetischer Dichtung, die nun nicht mehr nach einer vermeintlich "dahinter" liegenden Bedeutung abgefragt, sondern durch exakte Lektüre - Buchstabe für Buchstabe, Laut für Laut - als "auf sich selbst zentrierte Botschaft" verständlich gemacht werden sollte: "[...] diese Verdinglichung der poetischen Botschaft und ihrer Bestandteile, diese Umwandlung der Botschaft in ein dauerhaftes Ding - all dies ist in der Tat eine inhärente und wirkungsvolle Eigenschaft der Dichtung." Hermetische Dichtung ist demzufolge nichts anderes als hochgradig intensivierte, bis zur Opazität verdunkelte Rede, unterscheidet sich also nur graduell, nicht essentiell von sonstiger Lyrik und ist, der Sprachform nach, nicht anders gebaut als diese.

Je "schwieriger" ein Text bezüglich seiner Aussage ist, desto "poetischer" wird seine Wirkung sein, was aber nicht heißt, dass der Schwierigkeitsgrad des Verstehens die Poetizität des Texts auch garantiert; poetische Texte erschweren oder verunmöglichen ihr Verständnis durch Mehrdeutigkeit (auch Dunkelheit, Widersprüchlichkeit, Nonsens, Paradox, kühne Metaphorik und so fort) und lenken gerade dadurch die Aufmerksamkeit des Lesers auf ihre Sprachlichkeit. Das Gedicht hält demnach in jedem Fall eine uneindeutige, also variable Lesart bereit, bei der die ästhetische Funktion und der poetische Ausdruck dominant sind. Nach Jakobson braucht es diese Dominante notwendigerweise, um "eine gegebene Spielart der Sprache zu spezifizieren"; schon 1935 hielt er, mit Rückgriff auf entsprechende Vorüberlegungen der russischen Formalisten, klar fest: "Die Dominante kann als diejenige Komponente eines Kunstwerks definiert werden, an der sich alle andern orientieren: sie regiert, determiniert und transformiert die übrigen Komponenten. Die Dominante garantiert die Integrität der Struktur." Und sie garantiert auch, könnte man hinzufügen, die Hierarchie der in den Gedichttext eingelassenen Form- und Funktionselemente, welche einander zu-, unter- oder übergeordnet sein können.

Als textinterne Dominante könnte man auch das in vielen Dichtwerken leicht erkennbare "Schlüssel-" (oder "Thema-") oder "Leitwort" auffassen, das entweder durch mehrfache Wiederholung markiert wird, dessen lautliche Komponenten aber auch in wechselnden Konstellationen über den Text verteilt sein können, ihn also wie ein expandierendes Anagramm durchwirken. In mehreren seiner Gedichtanalysen verweist Jakobson auf die formbildende Funktion solcher Schlüsselwörter, zuletzt in Bezug auf Hölderlins "Winter"-Gedicht, das er als Lautentfaltung des Worts "Natur" zu erkennen glaubt: die Konsonantengruppe n-t-r wie auch die Phoneme -at- und -ur- bzw. -ta- und -ru- kehren wieder in "Winter", "Tale", "strahle", "herunter", "Ruhe". Das Schlüsselwort bestimmt demnach als lautliche Dominante die Klanggestalt des Gedichts insgesamt.

"Die Struktur der Dichtung ist die eines fortgesetzten Parallelismus", schreibt der englische Dichter und Dichtungstheoretiker Gerard Manley Hopkins in einer Notiz über "Poetische Diktion", die Roman Jakobson sich zu eigen gemacht und durch zahlreiche Fallstudien erhärtet hat: "Aber Parallelismus gibt es notwendigerweise in zwei Arten - einer, bei der die Gegenüberstellung klar markiert ist, und einer, bei der sie eher transitorisch oder chromatisch ist. Nur die erste Art, also die des markierten Parallelismus, betrifft die Struktur des Verses - im Rhythmus, in der Wiederkehr bestimmter Silbenfolgen, im Metrum, in der Wiederkehr bestimmter Rhythmusfolgen, in der Alliteration, der Assonanz und dem Reim."

Zur markierten Erscheinungsform des Parallelismus gehören nebst lautlichen und grammatischen Konstellationen (also beispielsweise dem Endreim, der Wiederholung bestimmter Wortarten oder Deklinationsformen) auch rhetorische Figuren wie die Metapher, der Vergleich, die Parabel und andere, deren Parallelführung die Ähnlichkeit der Signifikate unterstreicht, und es gehören antithetische Parallelismen dazu, welche um so deutlicher Unähnlichkeiten, Kontraste, Gegensätze hervortreten lassen. Jakobson erkennt im Prinzip des Parallelismus einen allgemein gültigen Kanon dichterischer Rede, "der die Äquivalenz zum Bauprinzip der Wortkombinationen macht. Die symmetrische Wiederkehr und der Kontrast der grammatischen Bedeutungen werden hier zu künstlerischen Verfahren."

Wie weit Roman Jakobson seine polyglotten Lektüren und Analysen vorangetrieben hat, ist durch seine letzten poetologischen Arbeiten über "Hölderlin, Klee, Brecht" belegt, die er 1976 zu einem kleinen Buch vereinigte und die nun als revidierter Nachdruck mit ausgiebigen Erläuterungen auch in die Gesamtausgabe der Gedichtanalysen eingegangen sind. Wenn Jakobson seine Studien als Beiträge "zur Wortkunst dreier Gedichte" - und nicht etwa dreier Autoren! - bezeichnet, unterstreicht er damit noch einmal eine Grundthese seiner Poetik, wonach dichterische Texte ihre Entstehung zur Hauptsache innersprachlichen Formalismen und Prozessen verdanken, an denen die Autoren lediglich als Nachhelfer, Koordinatoren oder Arrangeure beteiligt sind, dies freilich in (mehr oder minder) bewusster Übereinstimmung mit den Eigengesetzlichkeiten der Sprache.

Wenn Jakobson mit Friedrich Hölderlins "Aussicht" ein Gedicht aus dessen Umnachtungszeit als Untersuchungsgegenstand gewählt hat, so deshalb, weil er damit den Nachweis erbringen wollte, dass auch dort, wo der auktoriale Wille geschwächt oder gebrochen ist, die Sprache selbst dafür sorgt, im Gedicht zu ihrem authentischen Ausdruck zu kommen, das heißt ihre Eigengesetzlichkeit trotz fehlender Lenkung durch den Autor zu behaupten. Dabei ist Jakobson durchweg um strenge Wissenschaftlichkeit und konsistente Argumentation bemüht, gelangt jedoch mehrfach an jene äußerste Grenze, an der allseits abgesicherte Rationalität in delirierenden Furor umzuschlagen scheint. Erreicht wird die Grenze immer wieder an dem Punkt, wo sich auf Grund seines ingeniösen linguistischen Kalküls klar zu erweisen scheint, dass sich das Gedicht allein auf Grund sprachlicher Selbstorganisation und sogar gegen den (wie auch immer gerichteten) Willen des Autors aufbaut.

Mit seiner zunehmenden Neigung zur Semantisierung nicht nur rhetorischer und grammatischer Figuren, sondern auch einzelner Buchstaben oder Laute gerät der späte Jakobson in die Nähe eines sprachmystischen beziehungsweise sprachspielerischen Textverständnisses, das seinen wissenschaftlichen Intentionen eigentlich zuwiderläuft - man denkt an kabbalistische Lesarten und Auslegungstechniken, aber auch an das einflussreiche und oft imitierte Sprachdenken von Autoren wie Stéphane Mallarmé, Martin Heidegger, Maurice Blanchot, Edmond Jabès und Jacques Derrida. Dem "Philologen", der Jakobson voll und ganz sein wollte, war solches Denken - wie die Sprachphilosophie überhaupt - zutiefst suspekt, so wie umgekehrt das "rechnende Denken" (Heidegger) der quantitativ operierenden Linguistik für die Sprachphilosophie stets ein Ärgernis darstellte.

Im "Kratylos"-Dialog hat Platon eine Vielzahl sprachspielerischer Wort- und Sinnbildungsverfahren eingehend untersucht, um deren Tiefsinn und Unsinn zu ergründen; bei Georg Wilhelm Friedrich Hegel (in den "Vorlesungen über die Ästhetik", III) bleiben Sprachspiele - die rhythmischen wie die lautlichen - der Poesie vorbehalten, für die sie freilich konstitutiv und bezüglich der "Bedeutsamkeit" sogar dominant sind, weil sie deren "sinnliche" Qualität - "allein nur noch das Klingen der Silben" - garantieren. Es ist schon erstaunlich, dass sich Jakobson weder bei Hegel noch bei Platon jemals länger aufgehalten hat. Noch erstaunlicher ist seine Zurückhaltung gegenüber Sigmund Freud, der doch in den weithin bekannten Schriften zur Traumarbeit, zum Wortwitz und zur Psychopathologie des Alltagslebens eine Fülle von sprachlichem Anschauungsmaterial zusammengetragen und ausgewertet hat, um Parallelismen zwischen Klang und Bedeutung in diversen Erscheinungsformen zu dokumentieren. Am erstaunlichsten aber ist es, dass Jakobson offenkundig keinerlei Kenntnis von Martin Bubers und Franz Rosenzweigs Abhandlungen aus den 1920er-Jahren zum "Leitwortstil" der biblischen Erzählungen hatte, vorab des Pentateuchs, also Arbeiten, die aus der Praxis der von beiden gemeinsam unternommenen "Verdeutschung" der Bibel erwachsen sind und in denen zahlreiche sprachliche (lautliche wie semantische) Parallelismen aufgezeigt werden.

Der Vergleich von Dichtersprache und Alltagssprache einerseits, von unterschiedlichen künstlerischen Disziplinen andererseits macht - unter dem Aspekt der werkinternen Dominante und des Systems der Parallelismen - erkennbar, dass die Jakobson'sche Poetik, entsprechend weitergedacht und modifiziert, auch über ihren spezifischen Anwendungsbereich hinaus ihre Relevanz behalten würde. Solche Verallgemeinerung könnte sie allerdings dem Verdacht der Beliebigkeit aussetzen, einem Verdacht, der sich im Übrigen beinahe aufdrängt, wenn man bedenkt, dass selbst die Naturformen, in erster Linie die organischen, nach dem Prinzip des Parallelismus beziehungsweise der Symmetrizität strukturiert sind, und dies eben tatsächlich naturgemäß, das heißt ohne jede auktoriale - es sei denn göttliche - Nachhilfe, allein der autopoietischen ("selbstschöpferischen") Dynamik ihrer Entfaltung folgend. So könnte Roman Jakobsons spezifischer Beitrag zur sprachwissenschaftlichen Poetik virtuell auch als Grundlegung einer allgemein geltenden Formbildungslehre von Bedeutung sein.


Titelbild

Roman Jakobson: Poesie der Grammatik und Grammatik der Poesie. Sämtliche Gedichtanalysen. 2 Bände.
Kommentierte deutsche Ausgabe. Band 1: Poetologische Schriften und Analysen zur Lyrik vom Mittelalter bis zur Aufklärung. Band 2: Analysen zur Lyrik von der Romantik bis zur Moderne.
De Gruyter, Berlin 2007.
1568 Seiten, 298,00 EUR.
ISBN-13: 9783110183627

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