Hoch unten? Tief oben?

Joachim Kalka beleuchtet das Triviale in der Hochkultur

Von Susan MahmodyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susan Mahmody

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Joachim Kalka widmet sich in seinem Buch "Hoch unten" einem Thema, das innerhalb der Künste zwar überall anwesend ist, oft aber dennoch belächelt und ausgeklammert wird - dem Trivialen. Laut Duden bedeutet "trivial" übrigens so viel wie "oberflächlich", "phrasenhaft" und "unwichtig". Da sich die so genannte Trivialliteratur "den großen Themen" des menschlichen Lebens wie Liebe, Tod, Schicksal oder auch Hoffnung in meist extrem vereinfachter Form nähert, um ein großes Publikum ansprechen und leichte literarische Kost bieten zu können, wurde und wird sie vielfach als "Schund" abgetan.

Dass das Triviale innerhalb der Literatur eine bedeutendere Rolle spielt und größere Relevanz trägt, als durch diese Begriffsbestimmung angedeutet wird, beweist Kalkas Buch. Bereits in den Jahren 1997 bis 2008 hatte der Autor verschiedene Beiträge zum vorliegenden Thema in diversen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, die in "Hoch unten. Das Triviale in der Hochkultur" in teilweise überabeiteter Form gebündelt sind.

Bereits in seinem Vorwort spricht sich Kalka für eine Aufwertung des Trivialen aus, indem er dessen hohen Stellenwert innerhalb jeglicher Kunstform betont und in Bezug auf die Literatur sagt, dass diese sich durch hohe Komplexität auszeichne, was allerdings genauso gut auf die Trivialliteratur zuträfe. Dort nähme eine derartige Komplexität lediglich andere Formen an, nämlich die "eines Erzählens, das mit dominanten Grundformeln arbeitet - und mit deren ingeniöser Variation das faszinierend Prekäre von geliebter Formel und ersehnter Wiederholung demonstriert - sowie die unendlichen Möglichkeiten der Imagination". Als stärkstes Bindeglied zwischen der "anspruchsvollen" und der trivialen Literatur sieht der Autor den Umstand, dass beide vielfach "ganz und gar schlecht und langweilig" sind. Schon aus dieser - von mir als mit einem vom Autor versehenen Augenzwinkern gelesenen - Aussage wird ersichtlich, was im Folgenden zu erwarten ist: eine Sammlung von Texten, in denen kein Unterschied zwischen "hoher" und "trivialer" Literatur vorgenommen wird, sondern in denen diese beiden "Formen" als das betrachtet werden, was sie in erster Linie sind: schlicht und ergreifend Literatur.

Auf der Basis dieser Feststellung behandelt Kalka dann auch seine (hauptsächlich) aus den Bereichen des Comics, des phantastischen Romans, des Kriminalromans und der Science-Fiction-Erzählung zusammengetragenen Beispiele. Dabei spannt er den Bogen neben der Literatur auch über Film, Musik, Malerei und stellt ebenso religiöse und geschichtliche Bezüge zwischen den von ihm besprochenen Elementen her. Diese Zusammenhänge sind teilweise äußerst kurios. Und darum ist der Autor auch für seinen Scharfsinn zu loben, mit dem er die präsentierten Verbindungen aufgespürt hat.

Beinahe grotesk mutet seine im ersten Beitrag hergestellte Beziehung zwischen Jesus (wie er von Léon Bloy abgebildet wurde) und Dagobert Duck an. Was sollten der Begründer des Christentums (im vorliegenden Falle allerdings im Sinne einer Romanfigur) und eine fiktive Comicfigur in Gestalt einer Ente, die im Sinne der Fabel sprechen kann und auch sonst menschliche Eigenschaften besitzt, gemeinsam haben? Den Äußerungen Kalkas zufolge ganz einfach, dass sie beide unter dem Titel "Sinnlichkeit des Geldes im Augenblick ihres Verschwindens" zusammengefasst werden können. Schließlich sei Dagobert Duck der Inbegriff des Geizes, während das Geld an sich "nichts anderes als der gekreuzigte Christus" sei, denn "[d]er Geldverkehr ist die Fortsetzung der Kreuzigung Christi in perpetuo. Es erscheint auf dem Grunde jeder Münze des geschändeten Geldes [...] stets das Antlitz Jesu unter den Schlägen und Bespuckungen des Pöbels. [...] Jedes Hinreichen von ein paar Geldmünzen in einem Ladengeschäft hat etwas Abgründiges; es rührt an das Herz des Universums. Denn das stets dem Armen abgepreßte und vorenthaltene Geld ist wahrhaftig 'das Leiden Christi': unendlicher Greuel und mysteriöse Verheißung von Erlösung". Erscheint Ihnen dieser Zusammenhang unverständlich und nicht nachvollziehbar? Beinahe etwas absurd und auf rein subjektivem Empfinden gegründet? Dann dürften Sie auch die folgenden Beiträge in "Hoch unten" nicht begeistern, folgen diese doch dem gleichen Schema.

In diesen sieht Kalka unter anderem Comics mit ihrer Aufhebung der Zeit, ihrer auf ein Minimum reduzierten Handlung, ihrem Interesse an "sprachspielerischen Deformationen" und einem "ostentative[n] Irrealismus" auch mit gewissen Formen der literarischen Avantgarde verwandt und meint, dass Science fiction der gothic novel ähnelte, denn "Bewegungen im Raumschiff werden genauso inszeniert wie Fluchten durch die Katakomben eines Spukschlosses".

Vergleichbare Ansichten vertritt auch Kalkas Beitrag über das Alter als Motiv in literarischen Texten. Im Märchen werde ebenso wie in der Trivialliteratur extrem hohes Alter als Zeichen von Weisheit und Macht eingesetzt. Einige literarische Protagonisten, denen gerade aufgrund ihres Alters ein gehöriges Maß an Respekt entgegengebracht wird, seien der als Gegenspieler Sherlock Holmes' bekannte Professor Moriarty, aus dem Genre der Horrorerzählungen Graf Dracula und "the Mummy" sowie Dr. Mabuse und Dr. Caligari. Auch komische Manifestationen des Alters wie das Beispiel Dagobert Ducks werden angeführt. Überhaupt scheint der Autor eine besondere Affinität zu Entenhausens Bewohnern zu haben, beschäftigen sich doch die ersten drei Beiträge des Buches mit Disneys Figuren aus Entenhausen.

Joachim Kalka legt mit "Hoch unten. Das Triviale in der Hochkultur" einen amüsanten Sammelband vor, der einen etwas skurrilen Blick auf die Literatur wirft. Die oftmals seltsam anmutenden Assoziationen rund um die präsentierten Beispiele untermauert der Autor allerdings derart, dass sie plötzlich plausibel werden können. Obwohl Kalka streckenweise einen etwas anstrengenden Stil - charakterisiert durch den übermäßigen Gebrauch von Metaphern und den nur schwer nachvollziehbaren Gedankensprüngen - hantiert, lädt sein lockerer Erzählton, der sehr oft mit Ironie unterlegt ist, zum Lesen ein.


Titelbild

Joachim Kalka: Hoch unten. Das Triviale in der Hochkultur.
Berenberg Verlag, Berlin 2008.
152 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783937834306

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