Die Körper freuen sich und die Köpfe laufen Sturm

Iris Hanika erzählt in ihrem neuen Roman "Treffen sich zwei" von der Liebe

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Zufall bringt Senta und Thomas in die gleiche Kneipe in Berlin-Kreuzberg, das "O-Paradies", eine Schwulen- und Lesbenbar. Beide wollen in Ruhe etwas trinken. Sie sind über 40, glauben nicht so recht an Liebe und all das, haben da so ihre Erfahrungen. Und dann passiert es doch. Auf den ersten Blick. Senta versinkt in Thomas' grünen, etwas querstehenden Augen und weiß: Der ist es. Endlich. Und Thomas? Der sagt gar nichts und guckt nur, weil er hingerissen ist.

Obwohl beide sehr erschrocken sind, gehen sie das Risiko ein. Und landen geringe Zeit später in Sentas Bett, denn die Körper wissen bereits mit dem ersten Blick, was sie wollen. Die Köpfe, vor allem Sentas, arbeiten sich derweil an Zweifeln ab, alten Geschichten und Idealvorstellungen vom bürgerlichen Leben, die Senta sich im Lauf der Jahre so zurechtgelegt hat. Thomas hingegen, lösungsorientierter Systemberater, sieht die ganze Sache klar: Senta ist die schönste Frau der Welt, an ihr stimmt einfach alles. Doch sie pflegt ein leicht nervendes Hobby: Sie weint oft, wenn auch nicht immer gern, und neigt zur Zickerei, was Thomas ständig verunsichert und zwischendurch aggressiv und wütend macht.

Iris Hanika erzählt die ersten Wochen dieser zarten Liebesgeschichte. Das Auf und Ab, die Überlegungen der beiden, die Zweifel, die Freude, den Übermut, die Trauer, die Wut, die Lust, die Ängste. So richtig reden können die beiden nicht miteinander, aber ihre Körper finden sich immer wieder, auch gegen die Widerstände in den Köpfen. Die Autorin begleitet die Suchenden auf ihrem verschlungenen Weg und weiß von den Details witzig, ironisch und zugleich in einer poetischen Sprache zu berichten. Zum Lesevergnügen tragen die Einsprengsel ein, Fragmente aus Songs, Informationen über den Landwehrkanal oder das Berufsbild des Systemberaters. Das Weinen wird ausführlich und anhand verschiedener Textsorten nahe gebracht (wobei der "Anstich in Jelinek'scher Manier" der Rezensentin sehr gefallen hat), mal wird ein Abschnitt in einen Dramentext verwandelt. Diese Stilbrüche stören nicht, im Gegenteil: Sie passen zum komisch-tragischen Unterton des Romans und unterstreichen die sprachliche Leichtigkeit, mit der diese anrührende, weil oft so realistisch daherkommende Geschichte berichtet wird. Was vor allem betört an diesem Liebesroman, ist das leise Ende: Senta und Thomas sehen sich nach Wochen des Schweigens wieder und erneut sind es die Körper, die miteinander sprechen, die Augen, die Hände. "Wir kriegen das schon hin."

Nach einem solchen Lesevergnügen, durchsetzt mit überraschenden Momenten, freut es einen schon, dass der Roman auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis steht.


Titelbild

Iris Hanika: Treffen sich zwei. Roman.
Literaturverlag Droschl, Graz 2008.
240 Seiten, 19,00 EUR.
ISBN-13: 9783854207375

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