Ich hasse es, ein Ding zu sein

Ein Bildband mit Schauspielerinnen lässt Männer in Fantasien schwelgen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Frauen, die wir liebten" - bereits der Titel des Buches signalisiert, was man da in Händen hält: ein Buch von Männern für Männer über Frauen. Soweit ist das nicht sonderlich originell. Doch worum handelt es sich genau? Sein Herausgeber Freddy Langer hat einer Reihe von Personen des öffentlichen Lebens, unter ihnen Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler, Fotografen sowie einen "prominenten Küchenchef" nach einer Schauspielerin gefragt, "in die sie sich vielleicht bloß einer Szene oder sogar einer einzigen Geste wegen, irgendwann einmal verliebt hatten." Und so ist tatsächlich ein Buch über Männer entstanden, und nicht über Frauen. Denn die gut sechzig - wie Langer im Vorwort schreibt - "kleinen, stets sehr persönlichen Bekenntnisse" verraten natürlich viel mehr über ihre Verfasser und ihre (Männer-)Fantasien, als über die vergötterten "Filmdiven", deren Fotos die Texte illustrieren. Die Beiträge umfassen meist eine gute oder eine knappe Seite, manchmal auch drei oder vier oder auch nur einen einzigen Satz. Bruno Ganz ist es, der sich so bedeckt hält und nur verrät: "Es war Jeanne Moreau."

Oft sind es aber die ausgewachsenen Fantasien pubertierender Jungs, die die inzwischen reiferen Herren ausplaudern. Am deutlichsten spricht Thomas Virnich die seine aus, auch wenn er sie nicht als Fantasie bezeichnet, sondern lieber von einer "Vision" spricht: Er stellte sich vor, der Lehrer im Tatort-Krimi "Reifezeugnis" zu sein, der von Nastassia Kinski "umgarnt" wurde. Adolf Muschg hat sich hingegen in das "kleine Lächeln" um den "Schlangenmund" von Martine Carol verliebt und Hellmuth Karasek schwärmt von Kim Novaks "explosive[r], mühsam gebändigte[r] Figur". Ludwig Harig hat sich als pubertierender Knabe in das "anmutige Gesicht" von Kristina Söderbaum "verguckt" und konnte die cineastische "Niedertracht ihrer Vergewaltigung" durch einen "aufdringlichen Vetter" nicht ertragen. So habe der Film "Die goldene Stadt" "etwas Lebensentscheidendes in mir geweckt". Nie sei er "einem Mädchen, einer Frau gegenüber aufdringlich gewesen", versichert er und glaubt sogleich, sich für dieses "Bekenntnis wie das Lamento eines Betbruders" rechtfertigen zu müssen.

Der Herausgeber selbst verrät bereits einige seiner eigenen Männerfantasien im Vorwort. Sie erblühen an der von Brigitte Helm in Fritz Langs "Metropolis" verkörperten "hexenhafte[n] Roboterhure" mit ihren "zusammengekniffenen Augen", die "so kalt und so tief wie die Enden einer doppelläufigen Flinte" seien. Dass es Frauen und so auch Schauspielerinnen im Allgemeinen nicht sonderlich schätzen, auf ein Objekt männlicher Begierde reduziert zu werden, weiß Langer sehr wohl. "Das Elend ist", zitiert er Marilyn Monroe, "dass ein Sexsymbol zu einem Ding wird. Und ich hasse es, ein Ding zu sein." Das hinderte ihn allerdings nicht daran, die oft unterschätzte Schauspielerin als lockende 'Sexbombe' auf den Umschlag zu platzieren.

Doch nicht alle Autoren ergehen sich in ihren Fantasien. Regisseure und Schauspielkollegen neigen eher dazu, Schauspielerinnen vorzustellen, denen sie beruflich oder anderweitig begegnet sind und mit denen sie vielleicht sogar Freundschaften schlossen. Es sind eben dies die interessantesten Beiträge. Allerdings können sie auch schon mal allzu intim ausfallen. Nicht so derjenige des Fotographen Jim Rakete, der ausführlich darlegt, wofür er Julie Christie so sehr schätzt.

Bei alldem, und obwohl der eine oder andere Text allzu angestrengt um Originalität bemüht ist, lässt sich in dem Buch doch gut blättern, schmökern und Bilder anschauen. Und Mann kann es sogar zu Weihnachten verschenken. An andere Männer natürlich. Vermutlich hat sich der Verlag das auch so gedacht.

In einige Schauspielerinnen habe sich offenbar gleich mehrere der Autoren 'verliebt'. Jedenfalls widmen sich Elizabeth Taylor und Jean Seberg gleich zwei Texte. Eine weitere hat es sogar - sicherlich ganz unbeabsichtigt - geschafft, gleich vier Autoren den Kopf zu verdrehen: Romy Schneider. Ihr ist zudem ein eigener Bildband gewidmet, der ebenfalls kürzlich auf den Markt kam. Es handelt sich um den von Beate Kemfert herausgegebenen Katalog einer Ausstellung in der "Stiftung Opelvillen" zu Rüsselsheim. "Die Erinnerung ist oft das Schönste", verspricht sein Titel. Und eben die Erinnerung an Romy Schneider, die im Herbst dieses Jahres 70 Jahre alt geworden wäre, soll mit mehr als 130 bislang überwiegend unveröffentlichten "fotografischen Porträts" von Herbert List, Max Scheler, Helga Kneidel und anderen gepflegt werden.

Auch an diesem Buch ist Freddy Langer beteiligt, diesmal allerdings nicht als Editor, sondern als Autor. Er hat den - neben dem Vorwort der Herausgeberin Beate Kemfert einzig längeren Text des Bandes verfasst und ihn unter den Titel "Das Mädchen und der Photograph" gestellt. "Traumfrauen müssen schön sein und jung", meint er hier. "Perfekt" seien sie aber erst, "wenn sie darüber hinaus traurig aussehen." Und das klingt doch schon ein wenig zynisch. Dennoch wird auch dieser Band wohl unter so manchem Gabenbaum seinen Platz finden. Dann dürften aber nicht nur Männer die Beschenkten sein.


Titelbild

Renate Kemfert (Hg.): Die Erinnerung ist oft das Schönste. Fotografische Porträts von Romy Schneider.
Mit einem Text von Freddy Langer.
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2008.
176 Seiten, 29,80 EUR.
ISBN-13: 9783775722568

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Freddy Langer (Hg.): Frauen, die wir liebten. Filmdiven und ihre heimlichen Verehrer.
Elisabeth Sandmann Verlag, München 2008.
150 Seiten, 24,80 EUR.
ISBN-13: 9783938045329

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