Dieser Krieg ist "unerhört groß und wunderbar"
Max Webers Briefe während des Ersten Weltkriegs sind nun in der Gesamtausgabe erschienen
Von Dirk Kaesler
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDass Gesamtausgaben als klassisch definierte Texte, die dem hohen Anspruch genügen wollen, "historisch-kritisch" zu sein, selbst wiederum Objekt historisch-kritischer Prüfung werden müssen, zeigte sich im Herbst des Jahres 2008 in eindrücklicher Art und Weise. Die fundierten Diskussionen über die wissenschaftliche Solidität des ersten Bandes der Briefe von Leopold von Ranke im Rahmen der Gesamtausgabe, die von der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften verantwortet wird, führten relativ schnell und beeindruckend mutig dazu, dass dieser Band eingestampft wird und eine völlige Neubearbeitung angekündigt wurde. Das ehrwürdige Ranke'sche Motto - zu zeigen "wie es eigentlich gewesen" ist - fordert absolute Genauigkeit und eine jahrelange Erfahrung im Umgang mit dem jeweiligen Material, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen standhalten muss. Wer das als übertriebenen Positivismus denunziert, weiß nicht, worum es geht und wie viel bei einem Versagen auf dem Spiel steht.
Solche Maßstäbe zugrunde legend kann nun auch über Fortschritte der "Max Weber-Gesamtausgabe" (MWG) berichtet werden, in der soeben ein weiterer Band erschienen ist. Seit Publikation der ersten Bände vor mehr als zwanzig Jahren gliedert sich die MWG in drei Abteilungen: Schriften und Reden (Abteilung I), Briefe (Abteilung II) und Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften (Abteilung III). Mit dem vorliegenden Band erscheint der fünfte von insgesamt elf angekündigten Bänden der Briefe. Damit ist die Zeitspanne 1906 bis 1917 abgedeckt, soweit die zahlreichen von Weber verfassten Briefe Aufnahme in die bisherigen Bände gefunden haben; es fehlen noch die ganz frühen Briefe und die der Wiener und Münchner Jahre 1918 bis 1920. Unstrittig ist, dass gerade die Briefbände derjenige Bestandteil der MWG sind, auf den am meisten gewartet wird, gehen sie doch über das bislang Gedruckte des eigentlichen wissenschaftlichen Werkes hinaus. Umso größer sind die Erwartungen, die sich gerade auf diese Bände richten. Auch der neue Band erfüllt diese Erwartungen weitgehend, gerade auch dann, wenn man berechtigterweise höchste Ansprüche an die Zuverlässigkeit des Veröffentlichten in historisch-kritischer Manier stellt.
Autor der insgesamt 430 Briefe, die hier gesammelt, publiziert und kommentiert werden, ist der zu dieser Zeit "inaktive ordentliche und ordentliche Honorarprofessor" an der Universität Heidelberg, Dr. Max Weber, ein deutscher gentleman scholar und "Rentier", der von den - zunehmend kleiner werdenden - Zinserträgen des Erbes seiner Frau und den unregelmäßigen Zuwendungen seiner Mutter in Charlottenburg auch in Kriegszeiten immer noch recht komfortabel leben kann, der Hauptherausgeber des einflussreichen "Archivs für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik" und der "Schriftführer" des in fünf Büchern und neun Abteilungen geplanten "Grundrisses der Sozialökonomik".
Für den Beginn der Sammlung ist der Briefschreiber jedoch vor allem Weber, der Hauptmann der Landwehr (Beförderung zum 27. Januar 1915), der Disziplinaroffizier in der Reserve-Lazarett-Kommission beim Bezirks- und Garnisonskommando Heidelberg, der in dieser Eigenschaft für 42 ihm unterstellte Lazarette die militärische und wirtschaftliche Verantwortung trägt. Bereits einen Tag nach der Kriegserklärung des Deutschen Kaiserreichs am 1. August 1914 hatte sich der "Premier-Lieutenant der Reserve" Weber beim Garnisonskommando Heidelberg zum Dienst gemeldet: Zu seiner herben Enttäuschung wurde der 50jährige nicht als felddiensttauglich eingestuft und deswegen zum Lazarettdienst abkommandiert. Zahlreiche Briefe sowohl an Familienmitglieder als auch an Bekannte und Kollegen belegen, wie tief ihn diese Verweigerung der Kämpferrolle kränkte, hielt er sich doch, wie er seiner Mutter schreibt, von allen vier Brüdern für denjenigen, der "die stärksten angeborenen ,kriegerischen' Instinkte" in sich verspürte. Max Webers jüngster Bruder Arthur diente als Berufsoffizier bei den Garde-Pionieren in Berlin und war daher von Kriegsbeginn an im Einsatz. Seine beiden anderen Brüder, Alfred und Karl, sowie sein Schwager Hermann Schäfer, hatten sich sofort als Reserveoffiziere gemeldet und wurden umgehend an den Fronten eingesetzt. Alles das schmerzte den kriegerisch gestimmten Erstgeborenen - selbst dann noch, als sowohl sein Bruder Karl (August 1915) als auch Hermann Schäfer (August 1914) ums Leben gekommen waren. Schon im Oktober 1914 hatte Weber geschrieben: "Dieser Krieg ist bei aller Scheußlichkeit doch groß und wunderbar, es lohnt sich, ihn zu erleben - noch mehr würde es sich lohnen, dabei zu sein, aber leider kann man mich im Feld nicht brauchen, wie es gewesen wäre, wenn er rechtzeitig - vor 25 Jahren - geführt worden wäre". Dieser Tenor zu Kriegsbeginn bleibt durchgehend wörtlich erhalten, wie viele der Briefe belegen, so etwa der an Frieda Gross vom 14. März 1915, in dem es heißt: "Nachdem dieser Krieg nicht, wie er gesollt hätte, vor 17-20 Jahren - wo ich als Hauptmann die Kompagnie an den Feind geführt hätte - geführt ist, sondern jetzt, so daß ich statt dessen Heimatgebiet von 8-8 täglich, auch Sonntags, Lazarette regiere, - es ist das ein widriges Schicksal, welches ich ,zum Übrigen' lege".
Ungeachtet seiner strapaziösen Militärtätigkeit, die den seit 1898 schwerkranken und seit 1902 kränkelnden Mann geradezu gesund werden ließ - so dass Marianne Weber triumphierend berichtet: "Er ist genesen" - findet Weber Zeit für sein unermüdliches Briefeschreiben, wie das bereits die früher erschienenen Briefbände bewiesen. Die eigentliche Briefflut setzt jedoch erst nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst am 30. September 1915 wieder richtig ein, bis zu vier Briefe an einem Tage. Es ist kein Wunder, dass sich bei einigen der Briefe ganze Passagen wiederholen, eine frühe Form von copy and paste, auch bei diesem eifrigen Schreiber, - lange vor der Zeit der Emails und SMS-Nachrichten, an die viele der Briefe und Postkarten erinnern.
Wiederum zeichnet M. Rainer Lepsius - mit sehr wesentlicher Zuarbeit von Birgit Rudhard und Sybille Oßwald-Bargende (obwohl nicht im Titelblatt genannt) - verantwortlich für die Briefe an die Familienangehörigen und die sonstigen eher "privaten" Briefe. Für die eher wissenschaftliche und politische Korrespondenz verantwortlich ist der Düsseldorfer Lehrstuhlnachfolger des 2004 verstorbenen Wolfgang J. Mommsen, Gerd Krumeich, in Zusammenarbeit mit Manfred Schön, mit dem sich wohl niemand aus der Weber-Forschung wird messen können, was dessen jahrzehntelange Vertrautheit mit dem Material angeht.
Schon aus dieser Aufgabenverteilung wird erkennbar, dass es sich um recht unterschiedliche Typen von Briefen handelt, die hier größtenteils erstmals allgemein zugänglich gemacht werden, auch deswegen, weil eine Vielzahl der Briefe - vor allem jene aus der Korrespondenz mit Edgar Jaffé - als im "Privatbesitz" befindlich ausgewiesen ist. Da deren Reihenfolge allein durch das jeweilige Absendedatum bestimmt ist, erlebt die Leserschaft ein permanentes Wechselbad der Stimmungen, von sowohl formellen als auch privat klingenden Briefen an den Verleger Siebeck, einigermaßen bevormundenden Belehrungen des ehemaligen Freundes Robert Michels ("Sie aber sind Ihrem Heimatland in der Zeit schwerster Todesnot in den Rücken gefallen"), freundschaftlichen Tagesberichten an die Ehefrau Marianne Weber bis zu zärtlich-besorgten Beschwörungsbriefen an seine beiden Geliebten, Mina Tobler und Else Jaffé. Gerade durch das Hintereinanderlesen dieser Briefe fällt auf, dass bestimmte Wendungen, teilweise ganze Sätze, in Briefen aus dem gleichen Zeitraum auftauchen, vollkommen unabhängig davon, an wen sie gerichtet sind.
Aufgenommen in der Sammlung wurden wiederum ausschließlich Briefe von Max Weber, nicht aber die an ihn gerichteten, was unveränderlich bedauerlich ist. So manches Mal wüsste man nicht nur zu gerne, was genau in jenem Brief stand, auf den Weber antwortet, sondern auch, was in der Antwort gestanden haben mag: Was mag ihm der von ihm so massiv angegriffene Dekan der Philosophischen Fakultät der Heidelberger Universität, Friedrich von Duhn, geantwortet haben, nachdem Weber ihn am 5. Dezember 1917 brieflich beschuldigte, das Gerücht in die Welt gesetzt zu haben, Weber habe öffentlich gesagt, "die Feder mache wieder gut, was das Schwert verdorben habe"? Wir wissen jedenfalls, dass Weber sich öffentlich rasch zu wehren wusste, in diesem Fall mit einem "Eingesandt" im "Heidelberger Tageblatt" vom 10. Dezember 1917, und einer ähnlichen Erklärung ("Schwert und Parteikampf") in der "Frankfurter Zeitung" vom 13. Dezember 1917. Der "sterbende Löwe", den nicht nur Marianne Weber so manches Mal in ihrem Ehemann sah, war einer, der sich schnell und rabiat zu verteidigen wusste - und das zuweilen weit über das nötige Augenmaß hinaus.
Vor allem für jene Leserschaft, die mit den jeweiligen Briefen und ihrem Verfasser nicht so intim vertraut ist, erläutern die Herausgeber in erläuternden Kommentaren, worum es bei der jeweiligen Korrespondenz geht. Weiterhin sehr hilfreich für das Verständnis sind die "Editorischen Vorbemerkungen", das überaus sorgfältige Personenverzeichnis und mehrere Verwandtschaftstafeln, die bei der Verortung der weit verzweigten Familiensysteme Weber und Fallenstein nützlich sind. Gleich bleibend bedauerlich ist die Tatsache, dass gerade durch die Lektüre der hier gesammelten Briefe deutlich wird, wie viele Briefe von Weber, auf die er sich selbst in seiner Korrespondenz bezieht, als "nicht nachgewiesen" vermerkt werden müssen; ob es demnach bei nur einem Nachtragsband bleiben wird, in dem die nachträglich aufgefundenen Briefe abgedruckt werden sollen - vom Verlag als Band 11 angekündigt - wird sich weisen. Erst dann wird die Behauptung der Herausgeber geprüft werden können, dass der hier vorgelegte Band, trotz seiner Unvollständigkeit, als "repräsentativ" angesehen werden könne.
Der unermüdliche Fädenspinner
Quantitativ umfasst der größte Teil der Briefsammlung in diesem Band die eher "private" Korrespondenz Webers, vor allem mit seiner Ehefrau Marianne Weber und mit seinen beiden Geliebten Mina Tobler und Else Jaffé sowie diversen Verwandten - vor allem mit seiner Lieblingsschwester Lili Schäfer, geborene Weber. Dominierte noch im Band der Briefe der Jahre 1909 bis 1910 (MWG II/6) der Briefwechsel mit seinem Tübinger Verleger Paul Siebeck, und dem sich daraus ergebenden Briefwechsel mit seinen Kollegen, so ebbt dieser fast tägliche Strom nun ab. Der Krieg unterbricht das publizistische Großunternehmen "Grundriß der Sozialökonomik", sehr erkennbar zum großen Unwillen des Verlegers Siebeck, den Weber daher darum bittet, "für die Lage der Schriftsteller Augenmaß zu haben", dass diese neben ihrem Kriegseinsatz nicht zum Schreiben wissenschaftlicher Abhandlungen kommen.
Dennoch erhob der stets streitlustige und schnell aufbrausende Weber seine Stimme und seine Feder in den unterschiedlichsten Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der akademischen Welt, und er leistete sich dies mit einer "vielleicht unbequeme[n] Gewohnheit, Das, was Andre - viele Andre - privatim sagen, offen auszusprechen", wie er das 1909 Wilhelm Windelband gegenüber bezeichnete. Wer in Max Weber immer noch einen unterkühlten, "werturteilsfreien" und "rein sachlichen" Gelehrten sehen möchte, sollte diese Briefe lesen, um sein Bild zu revidieren, und in ihm jenen "so leicht verstimmbaren Menschen" zu erkennen, als der er sich in einem Brief an seine Mutter charakterisiert hatte. Man muss sie lesen, diese Briefe an Kollegen, Freunde und Lehrer, und die zornige Stimme hören, die gegen "ladenschwengelhafte Flegeleien" der professoralen Kollegen wütet und gegen deren "widerwärtige, ewige Gekränktheiten" tobt. Da spricht allerdings einer, dem solche Anwandlungen wahrlich nicht fremd waren, wie man an den Briefen in Sachen Robert Michels ablesen kann, sowohl an Michels selbst, als auch an andere, die sich mit der causa Michels befassen. Durch dessen entschiedene Parteinahme für seine politische Heimat Italien bricht Weber mit seinem Freund endgültig ("so besteht eine Beziehung zwischen uns fortan nicht mehr"). Und ebenso ergeht es Ernst Troeltsch, Freund und langjähriger Hausgenosse, mit dem er ebenfalls die Beziehung endgültig abbricht.
Ungeachtet seiner zuweilen beeindruckend brüskierenden Manier erkennt man zugleich, dass hier ein Mann spricht, der für sich mit dem universitären Intrigenspiel ein Ende gemacht hat, ein akademischer Außenseiter, der genau weiß, wovon er spricht, wenn er schrieb, dass "viele Professoren Canaillen sind, ist mir aus eigner Erfahrung und am eignen Leibe gründlich bekannt." Und gerade aus dieser Position heraus kann er umso selbstloser anderen helfen, vor allem bei Berufungsfragen (Heinrich Rickert) und Karriereplanungen (Georg von Lukács), noch dazu, dass er die jeweiligen Probleme sehr gut kennt: "Fakultäten sind eben vielköpfig und schwer berechenbar."
Aber nicht nur für andere setzt sich Weber umsichtig ein: Auch sein eigenes Fortkommen steht im Zentrum eines großen Teils der Briefe. Sie drehen sich um die konkurrierenden Angebote für die Wiederaufnahme seiner universitären Lehrtätigkeit entweder in Heidelberg (ihm wird ein Lehrauftrag für Soziologie ohne festes Lehrdeputat in Aussicht gestellt), oder in Göttingen (in der Nachfolge Gustav Cohns), oder in München (als Nachfolger Lujo Brentanos) oder in Wien (als Nachfolger Eugen von Philippovichs). Bei seinen Verhandlungen mit der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der k.k. Universität Wien und dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht erweist Weber sich als würdiger Spross einer westfälischen Kaufmannsfamilie und verhandelt überaus erfolgreich. Dass es dann, trotz aller Liebe zu Wien ("Nächst München die schönste Stadt deutscher Zunge!"), München und dessen LMU werden sollte, war auch durch das größte Entgegenkommen der Österreicher nicht mehr auszugleichen, auch nicht durch die herausgehandelte Erstattung der "Eisenbahnbilletkosten" für die Fahrten von Heidelberg nach Wien und zurück.
Auch wenn Weber immer wieder seine große Zuneigung zur Stadt München formuliert, (in einem Brief an Martha Riegel vom 27. Oktober 1916 heißt es: "Ich liebe München so unendlich, daß ich fest hoffe, in nicht zu später Zeit mal wieder dort zu sein"), so war es doch vor allem seiner späten Liebe zu Else Jaffé wegen, warum er so sehr in die Nähe des Isartals drängte. Wenn die Herausgeber in ihrer Einleitung über die Entscheidungsprozeduren, wohin Max Weber gehen solle, schreiben, nicht "ungern wäre er aber auch in Heidelberg geblieben, wohl auch wegen der Präferenz von Marianne Weber", so darf man schon ein wenig schmunzeln, nicht nur über diese leicht holprige Ausdrucksweise.
Der "politische Einspänner"
Die hier abgedruckten Briefe, unabhängig von ihren jeweiligen Adressaten, vermitteln ein genaues Bild der politischen Ansichten Webers im und zum Ersten Weltkrieg und sie dokumentieren sein unermüdliches Bemühen um politischen Einfluss. Schon die bereits skizzierte tiefe Betrübnis, nicht an der Front und in den Schützengräben mitkämpfen zu dürfen, lässt ihn in aufmerksamster Weise die täglichen Lageberichte sowohl des militärischen als auch des politischen Geschehens verfolgen, die er in allen seinen Briefen kommentiert. Es ist ganz eindeutig: Er glaubte an die regierungsoffizielle Interpretation, derzufolge dem Deutschen Kaiserreich ein "Verteidigungskrieg" von außen aufgezwungen wurde, in dem es sich nun zeigen werde, ob Deutschland zum Kreis der Großmächte dazugehören würde, oder eben nicht. Diese ganz unstrittige "patriotische Pflicht" führte jedoch beim Analytiker Weber, im Gegensatz zu vielen anderen seiner Statusgruppe, nicht dazu, in größenwahnsinnige Träume zu verfallen: Durchgehend spricht er sich gegen alle Annexionspläne aus, er fordert nachdrücklich die Wiederherstellung Belgiens nach dem Krieg und wütet gegen alle Überlegungen, deutsche "Protektorate" in Polen und im Baltikum zu errichten. Insgesamt konzentrieren sich seine Überlegungen auf die Sicherung Deutschlands als einer Weltmacht, gleichrangig mit Frankreich, Großbritannien und Russland. Je länger der Krieg jedoch dauert, desto pessimistischer wird der Ton, die Siegeszuversicht weicht einem leicht verbissenen Siegeswillen, der Glaube an einen guten Ausgang für Deutschland wird zunehmend kleiner, die Überzeugung wächst, wenn die Vereinigten Staaten in den Krieg eingreifen würden, wäre dieser für Deutschland verloren.
Die durchlaufenden Themenstränge aller einschlägigen Briefe, ob sie sich nun an die in der Schweiz weilende Geliebte Mina Tobler richten oder an seine professoralen Kollegen, umkreisen vor allem vier Felder: Die Wiederherstellung eines selbständigen Belgien, die kompromisslose Verurteilung der Absichten eines "unbeschränkten" U-Boot-Krieges, die Verdammung der Annexion polnischer Territorien, die unverzichtbare parlamentarische Kontrolle der Reichsregierung. Als Generalbass unter diesen politischen Themen dringt eine geradezu hasserfüllte Wut Webers auf Kaiser Wilhelm II. durch, auf dessen unberechenbare Entscheidungen und öffentliche Äußerungen ("die ekelhafte hysterische Eitelkeit dieses ,Monarchen'").
Aber, aller Zorn und alle klugen Analysen helfen nichts gegen sein geradezu anrührendes Scheitern, tatsächliche politische Mitgestaltungsmöglichkeiten zu erlangen. Max Weber muss erkennen, dass er als "politischer Einspänner" gilt, wie er sich selbst in einem Brief vom 1. Mai 1917 an Conrad Haußmann, diesen überaus einflussreichen liberalen Berufspolitiker, der für einen Zeitraum von 32 Jahren Abgeordneter zum Deutschen Reichstag war, charakterisiert. Die von ihm eingeschlagenen Strategien werden in den Briefen dokumentiert: Nach der Auflösung der Heidelberger Lazarett-Kommission, der er immerhin ein ganzes Jahr angehört hatte, versucht er unablässig, seinen Freund Friedrich Naumann zu seinem politischen Sprachrohr auf der nationalen Bühne zu machen, zum anderen bemüht er sich darum, die "Frankfurter Zeitung" als publizistischen Resonanzkörper seiner Ansichten zu nutzen, nicht nur durch Artikel, mit oder ohne Namensangabe, sondern vor allem durch seine Serie von fünf umfangreichen Artikeln im Zeitraum April bis Mai 1917 über die zukünftige Gestaltung des politischen Gemeinwesens in Deutschland, die dann als Broschüre unter dem Titel "Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland" im Frühjahr 1918 gesondert veröffentlicht wurde.
Weber kämpft auch direkt vor Ort um Gehör für seine politischen Vorstellungen, so weilt er im August 1915 auf eigene Kosten in Brüssel, wo er sich vergeblich darum bemüht, ein offizielles Mandat für die Mitarbeit an den Plänen des dortigen deutschen Generalgouvernements zu erringen. Am längsten antichambriert er in der Hauptstadt Berlin, in der er sich zuerst in den Monaten November und Dezember 1915 aufhält, um dann nochmals von Februar bis August 1916 am Naumann'schen "Arbeitsausschuss für Mitteleuropa" mitzuwirken. Doch, trotz aller vielfältigen Gespräche, Treffen, Briefe und Zeitungsartikel, es wird alles nichts, resigniert kehrt er wieder nach Heidelberg zurück, an den häuslichen Schreibtisch und in die dortige Universitätsbibliothek. Seine in den Briefen spürbare Frustration über dieses Scheitern stieg noch zusätzlich, als sein ohnehin von ihm ungeliebter Bruder Alfred, nachdem dieser aktiv kämpfend im Kriegseinsatz im Elsass gewesen war, im Anschluss in das Reichsschatzamt abgeordnet wird, durch Vermittlung des mit ihm befreundeten Staatssekretärs Karl Helfferich. Überhaupt, die Weiterführung dieses ewigen Konkurrenzverhältnisses dieser beiden Brüder um alles, um die Liebe ihrer Mutter, um den beruflichen Erfolg, um politischen Einfluss und um die gleiche Frau, Else Jaffé, durchzieht auch diesen Band wie ein roter Faden einer großen Tragik: Alfred Weber gelingt es sein ganzes Leben nicht, aus dem übermächtigen Schatten des Erstgeborenen herauszutreten, - nicht einmal nach dessen frühem Tod.
Der Vollständigkeit halber sei auf die Tatsache hingewiesen, dass Weber, sowohl in Heidelberg, aber auch während der acht Monate in Berlin, an seinen Studien zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen weiterarbeitete: In diesen Zeiträumen vollendete er die überarbeiteten Studien über China, Indien und das Antike Judentum. Und auch wenn er seiner Frau, und anderen, immer wieder davon schwärmt: "Ich fühle mich so wohl und arbeitsfähig, sobald ich mit chinesischen und indischen Sachen zu schaffen habe; sehne mich sehr danach" (16. Mai 1916), - so erkennbar ist es dann doch, dass ihn die wissenschaftliche Arbeit nicht erfüllt, in jenen Jahren, in denen Deutschland um seine Zukunft kämpft.
Am deutlichsten artikuliert Weber seine tiefe Enttäuschung und Verzweiflung über alle gescheiterten Versuche, politische Gestaltungskraft zu erlangen in seinen Briefen an Mina Tobler, so in jenem vom 27. Mai 1917, in dem er schreibt: "[...] natürlich auch das Politische. Es ist meine alte ,heimliche Liebe', - und diese Menschen verderben Alles, was Einem teuer war. Abgesehen von dem völligen Dunkel der Zukunft, politisch, auch persönlich-materiell, vor dem man steht. Wenn aber Einem so ein Strick um den Hals liegt und Jemand dreht daran, langsam, langsam, drei Jahre lang, immer enger, immer enger, - dann kann man nicht, man mag empfinden wie man will, sagen und schreiben, was ist."
Verworrene Liebes- und Freundschaftsgeschichten
Der hier vorzustellende Briefband sammelt nicht nur die "wissenschaftliche" und "politische" Korrespondenz jener Jahre, sondern auch die "private" Korrespondenz, das heißt die mit seiner Frau, seinen Geliebten, seiner Mutter, seinen Geschwistern und sonstigen Verwandten. Gerade dieser Teil der Briefsammlung konfrontiert uns in ganz besonders nachdrücklicher Weise mit der Privatperson Weber.
Rührend besorgt kümmert er sich um seine Schwester Lili, deren Mann bereits am 26. August 1914 gefallen war, und die ab dann mit vier minderjährigen Kindern weiterleben sollte, und um Martha Riegel, die Verlobte seines bei Brest-Litowsk im Krankenhaus am 22. August 1915 gestorbenen Bruders, Karl Weber. Enorme Anstrengungen unternahm der Jurist Weber, um das vollkommen untaugliche Testament von Emil Lask, der bei Turza-Mata in Galizien am 26. Mai 1915 gefallen war, juristisch umzusetzen, mit dem dieser seine beiden Freundinnen, Frieda Gross und Lina Metzner, die geschiedene Frau von Gustav Radbruch, zu gleichen Teilen bedenken wollte.
Das Bild, das vor dem inneren Auge des Lesers entsteht, zeigt nicht mehr jenen empfindlichen, ständig von Schlafbeschwerden und "Dauer-Migränen" geplagten, ruhelos Umher-Reisenden, rastlos lesenden und schreibenden Menschen, der den Eindruck eines Getriebenen macht, wie wir das aus den Briefen der vorangegangenen Jahre kennen. Die Zuflucht, am Ende der vielen "bösen Tage", zu den "ziemlich scharfen" Schlafmitteln, wie Bromural, Trional, Veronal und Heroin - damals ein zugelassenes orales Hustenmittel, hergestellt von der Firma Bayer als Ersatzmittel für Codein zur Förderung und Beruhigung der Atemtätigkeit - zieht sich zwar immer noch wie ein roter Faden durch die fast täglichen Berichte an Marianne Weber, aber er verwendet nicht mehr so viele Zeilen auf die hypochondrische Selbstbeschreibung vorangegangener Jahre. Die Abhängigkeit von den "nötigen Nachhilfen" hat sich verstetigt, Max Weber macht kein Drama mehr daraus, sogar für ein "Entnikotinisierungsverfahren" interessiert er sich, ohne dass wir erfahren, ob es geholfen hat.
Man kann es sich wahrscheinlich nicht quälend genug vorstellen, was es hieß, wenn Weber schon 1908 vom Ablauf seines damaligen Daseins schrieb: "Meine Existenz beruht in ihrer Möglichkeit darauf, daß ich nicht daran erinnert werde, wie ich lebe, und ich habe mir im Lauf der Jahre eine feste Technik entwickelt, weder an Vergangenheit noch Gegenwart noch Zukunft zu denken oder zu grübeln, sondern zu leben, wie der Tag es verlangt und bietet." Dennoch liest es sich geradezu grotesk, wenn der selbst derart geplagte Weber, anderen Menschen detaillierte Empfehlungen für deren Lebens- und Arbeitswandel gibt, wie beispielsweise dem Freund Friedrich Naumann. Als dieser am 14. März 1916 während einer Sitzung im "Ausschuß für Mitteleuropa" einen Kreislaufkollaps erlitten hatte, erteilte ihm Weber gute Ratschläge: "Beruhigung, persönliche und sachliche, würde man nur haben können, wenn ein wirklich erstklassiger Arzt von ganz weitem Blick Sie beriethe. Prof. Fränkel (Stabsarzt d.L.) in Heidelberg, dessen Arbeitsart ich genau kenne, der kein ,Arzt' im gewöhnlichen Sinne ist [...] wäre m.E. der absolut gegebene Mann. [...] Voraussetzung: Herausgehen aus aller gewohnten Umgebung, völlige Ruhe für 4 Wochen in der Umgegend von Heidelberg [...] und Consultation mit ihm. Er ,kuriert' nicht, reguliert aber Ihre Lebensweise so, daß Sie noch Jahrzehnte voller Arbeitsfrische vor Sich haben (bzw. wiedergewinnen) können." Auf sein eigenes "Arbeitskraft-Capital" jedenfalls nahm Weber im Zeitraum 1915 bis 1917 wenig Rücksicht, wie seine rastlosen und vielfältigen Aktivitäten zeigen.
Um nicht in die voyeuristische Perspektive anderer zu geraten, sei lediglich darauf hingewiesen, dass sich in den hier abgedruckten Briefen an Marianne Weber, Mina Tobler und Else Jaffé das ganze Beziehungsdrama zu enthüllen beginnt, das um die sich allmählich entwickelnde starke affektive Beziehung zwischen Weber und Jaffé, geborene von Richthofen, kreist. Zwar ist der Ton ("Liebes Kind", "Liebes Tobelkind", "Liebes Herz", "Liebes", "Liebstes Mädel") der meisten Briefe an die Heidelberger Klavierlehrerin, Mina Tobler, mit der Max Weber seit 1911 in einer dauerhaften intimen Verbindung stand, deutlich wärmer als der Ton in den Briefen an seine Frau (sein "Lieber Schnauzele", sein "Liebes Peterle", aber auch hier "Liebes Kind" und "Liebes Mädele"), und immer wieder durchzogen von den Beschwörungen der regelmäßigen Samstag-Besuche "im goldenen Himmelreich" in der Wohnung Toblers im vierten Stockwerk der Heidelberger Bismarckstraße 14, dennoch erkennt der Leser, dass sich die Abschiedsklänge schon ankündigen, mit denen die "Geliebte Judith" - in Abspielung an den Roman Gottfried Kellers "Der grüne Heinrich" - sich wird abfinden müssen. Es ist nachzuvollziehen, aus welcher Stimmung es kommt, wenn Max Weber Mitte Februar 1916 an Frieda Gross schreibt: "O was machen schöne Frauen die Probleme des Lebens kompliziert. Und doch: was wäre das Leben ohne sie?"
Die große, späte Liebesbeziehung Webers zu Else Jaffé bahnt sich in dem hier zu besprechenden Band erst ab Oktober 1917 an, wobei es gerade dafür besonders zu beklagen ist, dass - nach den Angaben der Herausgeber - ausgerechnet die ersten Briefe, die Weber an sie nach der Entfremdung zwischen beiden im Zeitraum der Jahre 1910 bis 1917 schreibt, "sich nicht erhalten haben", da diese sie vernichtet habe. In der hier betrachteten Phase hatte diese sich schon lange von ihrem Ehemann Edgar Jaffé getrennt und lebte in einer Liebesbeziehung mit Alfred Weber. Das Packende an diesem Liebesdrama, das bereits in einigen Briefen aus den vorangegangen Briefbänden angelegt worden war, entfaltet sich in jener höchst komplizierten Konstellation, die nun von Max und Marianne Weber, Mina Tobler, Else Jaffé und Alfred Weber gebildet wurde. Wie in einem Briefroman kann der Leser die Dynamik der wechselseitigen Verstrickungen nachvollziehen, wobei man nur zutiefst bedauern muss, dass die Herausgeber nur in extrem seltenen Fällen davon abgesehen haben, die ihnen offensichtlich, zumindest teilweise, vorliegenden Antwortbriefe an Max Weber wörtlich wiederzugeben. Wie erhellend ist es doch, jenen Auszug aus Else Jaffés Brief vom 2. November 1917 an Marianne Weber zu lesen, in dem sie sich auf den Besuch Max Webers bei ihr in Wolfratshausen zwei Tage zuvor bezieht: "Wir wollen aber doch recht froh sein, daß wir Frauen sind und das schöne Vorrecht haben, die Liebe über den point d'honneur gehen zu lassen." - Aber auch auf der spärlichen Basis dessen, was nun (endlich) "freigegeben" wird, kann wohl nicht länger bestritten werden, was Eduard Baumgarten bereits 1975 äußerte, dass gerade "die 4-fachen Liebes- und Freundschaftsgeschichten, [...] zweifellos von großem (vielleicht größtem) Interesse im Betreff des persönlich-einzigartigen menschlichen Verhaltens dieses (soziologischen) Verhaltens-Analytikus gewesen sind".
Dass sich trotz größter Sorgfalt Fehler einschleichen, ist verzeihlich, einige seien dennoch vermerkt, gerade weil sie sich nun ad infinitum weiterschleppen könnten: Das Pseudonym, das Berta Lask in ihrem Schlüsselroman "Stille und Sturm" (1955) für Max und Marianne Weber wählte, lautete - nicht ohne spitze Ironie - "Max Wormann" und "Helene Wormann" (nicht Norman); der "Einjährig-Freiwillige" Wehrdienst war eine in Preußen 1814 eingeführte und im Deutschen Kaiserreich 1871 sowie in Österreich-Ungarn 1868-1918 mögliche Form des Wehrdienstes, die aktive Dienstzeit von vorgeschriebenen drei Jahren (nicht zwei Jahren) für einen genau definierten Kreis von jungen Männern auf nur ein Jahr zu verkürzen; die Sprachregelung für das Sterben während des Krieges sollte vereinheitlicht werden: Karl Weber, der jüngste Bruder Max Webers, ist im Krankenhaus gestorben (nicht "gefallen"), wohingegen Hermann Schäfer gefallen ist, ebenso wie Emil Lask am 26. Mai 1915; Weber nahm den Ruf auf die Nachfolge Lujo Brentanos an der LMU München zum 26. März an (nicht "erst im April"), offizieller Dienstbeginn war der 1. April 1919; die diversen Bearbeiter der Briefe scheinen den Überblick über ihre eigene Kommentierung verloren zu haben, so heißt es zum einen, dass Max Weber einen Vortrag in München vor dem dortigen "Sozialwissenschaftlichen Verein" zum Thema "Die soziologischen Grundlagen des Judentums" "nach dem 24. Januar 1917" gehalten habe, um nur wenige Seiten später mitzuteilen, dass er diesen Vortrag am 17. Januar 1917 gehalten habe (die letztere Angabe ist korrekt); dass Alfred Weber im Personenverzeichnis als "Lebensgefährtin" von Else Jaffé ausgewiesen wird, könnte als geheimer Scherz unter Eingeweihten verstanden werden, sollte jedoch so nicht stehen bleiben.
Nach der Lektüre so einiger Briefe, wie etwa jenes an Friedrich Naumann vom 19. November 1915, fragt man sich unwillkürlich, ob sie es wirklich "wert" waren, ganzseitig und kommentiert ("Besonders deutliche Bleistiftspur der zweiten und vierten Ziffer der Telefonnummer von dritter Hand: 3460 > 3064") abgedruckt zu werden: "Verehrter Freund, lassen Sie bitte an obige Nummer [der Anschluss (,Steinplatz 3064') im Charlottenburger Haus seiner Mutter in der Marchstraße 7F] telefonieren, wann und wo ich Sie, für Sie am bequemsten, sprechen kann. Ich bin für einige Zeit hier. Freundschaftliche Empfehlung Ihres Max Weber." Am knappsten, nämlich nur eine Druckzeile, ist jenes Telegramm Webers an den Verlag J.C.B. Mohr vom 13. Dezember 1915: "schicke superrevision heute ab bedaure verspaetung = weber." Ob das den stolzen Preis einer ganzen Druckseite wert ist, will bedacht sein. - Ebenso will bedacht sein, wieso es eine (einzige!) Ausnahme wert gewesen war, allein die Erwähnung eines Briefes Webers an Karl Hampe vom Februar 1917 aufzunehmen, wo doch dessen (indirekt) berichteter Inhalt einigermaßen redundant ist.
Besonders hervorgehoben werden sollte ein später Fund eines Originaltextes von Webers eigener Hand, der offensichtlich "aus Privatbesitz" stammt, auch wenn nichts über die Hintergründe des Wiederauftauchens angegeben wird: Es handelt sich um das Original eines Leserbriefes für die "Frankfurter Zeitung", den dieser am 27. Juli 1916 an die Redaktion sandte. Er wendet sich darin in überaus scharfer Tonlage gegen jenen Aufruf, den sieben Berliner Professoren, Otto von Gierke, Wilhelm Kahl, Eduard Meyer, Dietrich Schäfer, Reinhold Seeberg, Adolph Wagner und Ulrich von Wilamowitz-Möllendorf, in eben dieser Zeitung am selben Tag veröffentlich hatten. Unter der Überschrift "Der Wille zum Sieg. Ein Aufruf Berliner Universitätsprofessoren" hatten die Unterzeichner eine vehemente Durchhalteparole formuliert ("So wollen wir denn ,durchhalten', unverzagt und unerschüttert durchhalten und siegen, weil, wollen wir uns selber nicht aufgeben, wir gar nicht anders können"), gegen die sich Weber, der zu diesem Zeitpunkt noch fest an einen "Siegfrieden" glaubte und sich gegen jeden "Verzichtfrieden" wehrte, in seinem anonymen Text "Der Berliner Professorenaufruf", der bereits am folgenden Tag abgedruckt wurde, in scharfer Form wendet, weil er argwöhnt, dass der Text missverstanden werden könne. Er befürchtet den "falschen Schein, als bestehe in Deutschland irgendwo nicht die vollste Entschlossenheit, durchzuhalten bis zu einem solchen Frieden, wie wir ihn im Interesse unsrer Ehre und Sicherung brauchen".
Angesichts dieses Fundes, und ungeachtet rarer Nachlässigkeiten und prinzipieller Nachdenklichkeiten muss insgesamt festgehalten werden, dass es den Herausgebern auch dieses Briefbandes im Rahmen der Max Weber Gesamtausgabe anerkennend zu danken ist, dass sie mit dieser Sammlung nicht nur ein informatives Dokument deutscher Geistes- und Kulturgeschichte vorlegen, sondern auch den Blick für den leidenschaftlichen und zugleich leidenden Menschen Max Weber schärfen. Man wird gespannt sein dürfen auf die weiteren Briefbände, vor allem diejenigen aus seinen letzten Jahren. Erst dann wird es möglich sein, eine wissenschaftsgeschichtlich bedeutsame neue Biografie Webers zu schreiben, die die bislang immer noch vorhandenen "blinden Flecken" unserer gegenwärtigen Kenntnis der Biografie seines Werks und seines Lebens aufzuhellen vermag.
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